Kategorie-Archiv: Frank Joussen

image_print

Die Wohlgerüche deines Gartens

(in Erinnerung an meinen Großvater Johann Franzen)

Der Geruch nach Schuhcreme
an allen deinen Fingern
weicht nach und nach
den Wohlgerüchen deines
gut gehüteten Gartens,
während du tiefer und tiefer
in die geliebte Erde
deines Zuhauses eintauchst
mit deinen schwieligen Händen,
die aussehen wie Leder.

Pflanzen, Beschneiden, Jäten
in deinem riesigen Nutzgarten
bereitete dir immer
das größte Vergnügen
nach einem langen Arbeitstag,
an dem du Schuhe machtest
für jedermann, sogar mich,
und die Gartenarbeit ließ
ein Frühlingslied erblühen
auf deinen spröden Lippen,
das deinen Frohsinn
bis zu Haus und Hof trug.

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 25084

Alter Mann im Frühjahr

Die Felder durchwandere ich
noch in ihrem unfruchtbar wirkenden Februargewand.
Doch die Arbeit im Garten
beschenkt mich mit dem ersten Grün.
Die Pflanzen haben, wie ich, überlebt.
Sie verkünden Mensch und Tier:
Der Winterschlaf der Natur endet hier.

Die kalte Luft mischt sich
immer mehr mit milder.
Meine abgestandenen, winterdunklen Gedanken
werden durchlüftet mit frischen Erinnerungen
an den Frühling meines Lebens:
Neue kurze Hemden cool präsentierend
rennen alle Jungs der Nachbarschaft
in Lederhosen durch die alt-ehrwürdige Kleinstadt.
Ich lächle: In meiner Imagination
stehe ich wieder am Bordstein,
gleichzeitig schüchtern und bereit,
mich der wilden Jagd anzuschließen.

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: spazierensehen | Inventarnummer: 25083

Freundliches Universum

für Ansgar, einen Neuankömmling

Kann nicht nah genug sein
bei meiner Sonne,
meiner einzigen Sonne;
war immer ein Teil von ihr,
lebte durch sie;
sie ist alles an
Wärme, was ich will,
die Nahrung, die ich brauche,
ihr Puls der Rhythmus,
nach dem ich lebe

manchmal spüre ich,
dass es auch andere Planeten gibt,
die meine Sonne umkreisen;
sie tragen mich, bedecken mich,
reiben ihre raue Haut an mir,
der größte von ihnen
nennt mich seine Sonne
seinen Sohn, seinen Zweiten;
sie lehren mich zu greifen,
sie geben mir Geräusche
und Gerüche,

die von weit außerhalb
meiner eigenen kleinen Galaxie kommen
mit undeutlichen Botschaften:
Trotz all dieser Weite,
dieser Kälte, dieser Leere,
des schrillen Lärms, des harten Lichts,
des Nicht-verbunden-Seins
kann dieses Universum
sich immer noch als
ein rundum freundliches entpuppen.

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: let it grow | Inventarnummer: 25050

Wind nach dem Sturm

Der Wind brauste.
Aber ich musste hinaus
nach dem Sturm,
um meinen Teufeln
eine letzte Chance
zum Entkommen zu geben.

Das Erste, was ich wirklich hörte,
war ein durchdringender Hahnenschrei.
Das Erste, was ich wirklich sah,
war der clownartig aussehende Kerl selbst
mit seinem Hühner-Harem.

Was hatte ich noch verpasst
auf dem Hinweg zur alten Mühle:
all die abgebrochenen Zweige,
die unschuldigen schwarzen Schafe.
Auch die einhornhaften weißen Pferde,
die mich fragend anzuschauen schienen.
Einige wieherten, eins
schüttelte mit dem Kopf –
scheinbar in meine Richtung –
zu Recht, auf jeden Fall zu Recht.
Denn die Teufel
stecken in den Details,
die meine Gehirnwindungen verstopfen
mit zu vielen virtuellen Blättern
aus zu viel Brainstorming
und der einzige Weg raus ist:
Raus!

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 25049

Der Sturm beginnt

Eine junge Frau
angeleint an zwei weiße Hunde
scheint an meinem Fenster
vorbei zu segeln.
Die Hunde, die Leine, die Frau,
das ganze Ensemble
könnte gleich abheben
im Mary-Poppins-Stil.

Die aufwärts treibenden Blätter
sehen aus, als wollten sie
in den Himmel fallen.
Der Himmel hat anscheinend
den ganzen Staub
von der heißen Sommererde gesammelt,
der jetzt nach oben gewirbelt wird,
während dunkle Unschuldsflecken
rasend schnell
den Boden betupfen.

Frank Joussen

www.verdichtet.at | Kategorie: spazierensehen | Inventarnummer: 25048