Vier Blatt
Vier Blatt Papier beträgt die höchste Ration, die man täglich kaufen darf. Jeden Tag ziehe ich los und kaufe diese vier Blätter. Sie sind nicht billig, und es gibt nur ein Geschäft in der Stadt, das Schreibzubehör verkaufen darf.
Meine Schreibmaschine ist registriert, die Typen sind einwandfrei, das Farbband noch recht frisch. Ich habe keine Korrekturmöglichkeit, wenn ich mich vertippe. Was falsch ist, kann ich nur durchstreichen und den korrekten Wortlaut darüberschreiben.
Hier in diesem Land gibt es keinen Zugang mehr zum weltweiten Datennetz. Computer und Drucker sind verboten.
Mit der Schreibmaschine kann man keine kleinere Schriftgröße wählen, um Platz zu sparen. Ich fülle die Blätter ganz aus. Habe ich an einem Tag mehr zu sagen, beschrifte ich sie doppelseitig. Die Blätter tragen einen Datumsstempel und sind nummeriert.
Beizeiten finden Kontrollen statt, von Staatsangestellten, die ins Haus kommen. Finden sie mehr Blätter als erlaubt sind, nehmen sie alles Geschriebene mit, werten es aus und vernichten es anschließend. Die betreffende Person wird verhaftet.
Der Staat hat alle Gewalt über seine Bürger.
Johannes Tosin
www.verdichtet.at | Kategorie: Kleinode – nicht nur an die Freude | Inventarnummer: 16071