Schlagwort-Archiv: süffig

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Neulich in der Apotheke

Apotheker zur Kundin: „Sie wünschen?“

Kundin: „Ich hätte gerne einen Dünger für meine Geschmacksknospen, damit mir mein Essen wieder besser schmeckt!“

Apotheker mit einem Lächeln: „Da sind Sie leider falsch bei mir.

Gehen Sie zu einem Getränkehandel und kaufen Sie sich eine Flasche Whisky. Dreimal täglich ein Schluck als Mundspülung und Sie werden gleich bemerken, wie Ihre Geschmacksknospen auf Gaumen und Zunge anspringen!
Sie dürfen aber keinen Fusel kaufen, da Sie sonst ein Burning-Mouth-Syndrom, also quasi ein Zungenbrennen, bekommen könnten.“

„Danke, Herr Apotheker, für diesen Tipp“, sagt die Kundin und verlässt strahlend die Apotheke.

Ich bin als Nächster dran und kaufe mir spontan ein Fläschchen Passedan.

Wilfried Ledolter

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 25081

K A F F E E

Aus den Erinnerungen eines Wiener Süchtigen

Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen – es war gegen Kriegsende und ich war circa zwei Jahre alt – ist der Geruch frisch gerösteter Kaffeebohnen. Mein Vater stand am Herd, hatte zwei Ringe herausgenommen, eine kugelige Apparatur in die Öffnung gesetzt und drehte an einer langstieligen Kurbel. Der brandig-beißende Geruch war mir kleinem Wurm noch nie begegnet und hat sich wohl deshalb auch in mein Gehirn eingebrannt. Die Nase leitet ja viel schneller als Worte oder Schrift, die erst ihren Umweg durch den Filter des Gehirns nehmen müssen, und auch viel tiefer ins Gemüt, wo die Bilder und Sehnsüchte ihren Platz haben.

In der Nachkriegszeit war karges Leben angesagt. Es war jedes Mal ein Freudentag für meine Mutter, wenn sie sich ein paar Schillinge für ein Achtelkilo Meinl-Dreistern abzwacken konnte. Ich hatte das Privileg, am Samstag „zum Meinl“ in die nahe Filiale zu gehen, wo es so gut roch. Ich sah genau zu, wie der Filialleiter mit dem roten Schnurrbart und dem braunen Mascherl aus dem großen goldfarbenen Behälter die Bohnen rieseln ließ, sie abwog und nach meiner Aufforderung „auf sieben bitte“ in die Mühle schüttete. Der Firmengründer Julius Meinl sah von seinem großen Foto, das in jeder Filiale hing (wie heute der Bundespräsident in den Amtsräumen), auch genau zu – es wurde damals großes Augenmerk auf Qualität und fachkundiges, höfliches Personal gelegt. So sehr, dass ich nach der Unterstufe Gymnasium als Lehrling abgelehnt wurde, weil ich einen Zweier in Betragen hatte. (Später war man nicht mehr so heikel, da sprachen die meisten Meinl-Mitarbeiter serbokroatisch oder arabisch.)

Am Samstagnachmittag, wenn mein Vater von der Arbeit kam, wurde das Kaffeewasser aufgesetzt, bevor es zum Kochen kam mit einem kleinen Bröckerl Titze-Feigenkaffee verbessert und in die vorgewärmte Karlsbader-Kanne „schluckweise“ aufgegossen. Erst Jahrzehnte später habe ich wieder Kaffee solcher Qualität bekommen. Und noch besser als der Geschmack war der Geruch!

Jahre später bekam meine Mutter im Konsum, wo sie Arbeit gefunden hatte, vom Inspektor einen gehörigen Rüffel, weil sie – im Konsum-Arbeitsmantel – mittags rasch zum Meinl um ein Packerl Kaffee gelaufen war! „Was sollen sich denn unsere Kunden denken? Dass Ihnen unser Kaffee nicht gut genug ist?“

Das war in den Fünfzigerjahren. Später wurden in der Konsum-Rösterei ausgezeichnete Kaffeemischungen hergestellt, deren „Cirkel-Diplomat“ zwanzig Jahre lang mein Frühstückskaffee war. Einmal konnte ich mich sogar persönlich von den Spitzenleistungen dieser Rösterei überzeugen. Als der vakuumverpackte Mahlkaffee aufkam, war der Konsum einer der ersten in Österreich, der sich so eine teure Verpackungsmaschine leistete, und ich gehörte einer Gruppe an, die zur Besichtigung zugelassen war. Nachdem ich die Vorzüge und technischen Daten der Maschine gesehen und gehört hatte, sah ich mich in der großen Halle etwas um. Eine Gruppe weißgekleideter Frauen arbeitete an einem langen Tisch, an dessen Ende eine große Karlsbader-Kaffeekanne stand. Ich fühlte mit einem Finger, sie war warm. „Dürfte ich bitte kosten?“, fragte ich höflich. Eine der Damen goß mir freundlich eine Tasse ein, und ich probierte pur, ohne Zucker und Milch. „Das ist der beste Kaffee, den ich bisher getrunken habe“, sagte ich begeistert, und die Frauen schmunzelten: „Was glauben Sie, wir nehmen doch nur vom Besten, wir sitzen ja an der Quelle.“

Nach der guten alten kaiserlichen Karlsbader-Kanne mit Porzellanfilter kam der Melitta-Aufsatzfilter auf den Markt, der weniger, weil feiner gemahlenen Kaffee verbrauchte und man konnte das ganze Wasser auf einmal aufgießen. Die Firma Lilienporzellan kreierte bald komplette Kannen, die sehr beliebt waren und so gut zum pastellfarbenen Geschirr „Melange“ passten. Mit der aufkommenden Motorisierung brachten dann immer mehr Italienurlauber die Aluminium-Espressomaschinen heim, die bald auch in den Büros unentbehrlich wurden. Und dann kam der Siegeszug der elektrischen Filterkaffeemaschinen, der bis heute andauert, nur in den Büros machten sich die moderneren Saeco-Vollautomaten breit. In den Haushalten haben sie sich nicht wirklich durchgesetzt, was wohl am infernalischen Geheule der eingebauten Mühlen liegt. Und der sogenannte „ice-coffee“ in Dosen ist wohl eher nur ein Sommerblüher, da ändert auch der plakative Aufschrei eines knochigen Models: „Kaffeekanne? Ich hab doch einen Kühlschrank“ gar nichts. Und wie wurde im Jahr 2003, als ich an einer Volkshochschule einen Kaffeesiederkurs machte, dort der Kaffee für die vielen Verkostungen zubereitet? Ja, in der alterprobten, geschmacksneutralen Karlsbader!!! Weil nämlich Kaffee von Fachleuten niemals heiß, sondern immer nur warm bis lauwarm verkostet wird – nur dann hat man den vollen Geschmack! Und wenn der Kaffee etwas grobkörniger gemahlen ist (wie für das Porzellansieb der Karlsbader erforderlich), enthält er auch weniger Bitterstoffe.

Aber trotz der gewaltigen Auswahl an Kaffeemaschinen in den heutigen Mega-Super-Elektro-Märkten, in Fachgeschäften und sogar schon in Baumärkten: Wer eine gute Kaffeemühle sucht, hat keine Qual der Wahl: Eine veraltete Messermühle und zwei elektrische Mahlwerksmühlen, das war’s. Da möchte man oft lieber Großmutters Handmühle wieder zwischen die Knie nehmen.

Apropos Handmühle: Vor Jahren feierte mein Arbeitgeber ein Firmenjubiläum, und alle Mitarbeiter wurden aufgefordert, kreativ daran mitzuwirken – es war ein „open-house“ mit warmem Büffet geplant. Ich entschloss mich spontan, in meinem großen Büro ein richtiges altmodisches Kaffeehaus aufzumachen: Eine Kollegin lieh mir einen leistungsfähigen Edelstahlwasserkocher, ich reaktivierte meine alte Handmühle sowie die beiden großen Karlsbader-Kannen, besorgte Zubehör, Milch, Schlagobers, Getränke, Geschirr, Zeitungen und – last, but not least – zwei Kilo hochwertige Kaffeebohnen. Dann buk ich je drei Guglhüpfe und Apfelstrudel, und das Fest konnte steigen. Gleich in der ersten Stunde kam es zur Nagelprobe – der oberste Konzernboss kam mit zwei Abteilungsleitern herein und bestellte drei große Braune – „aber rasch, ich hab nicht viel Zeit!“ Ich nickte und nahm die Handmühle zwischen die Knie, als er schon urgierte; „Ich hab gesagt rasch, wo ist unser Kaffee?“ Ich deutete auf die Mühle: „Ich reibe ihn gerade, in einer Viertelstunde wird er fertig sein, ein guter Kaffee braucht seine Zeit, und einen schlechten bekommen Sie sowieso jeden Tag.“ Nicht nur der Boss, auch seine Sekretärin erblasste. Aber er kam folgsam zwanzig Minuten später, und er hat es nicht bereut.

Mit der Sekretärin war ich sowieso auf Kriegsfuß, denn sie kochte den im ganzen Konzern berüchtigten „Fadbitter“, indem sie morgens eine gewaltige Kanne Kaffee zustellte und auf der Warmhalteplatte der Maschine den ganzen Tag warmhielt. Genauso hat er dann auch geschmeckt: Wenn er frisch war, war er heiß, wenn man viel Zucker hineintat, war er süß, und mit Milch wurde er heller. Kann man mehr verlangen? Es lief das Gerücht, dieser Kaffee werde zum Disziplinieren unbotsamer Mitarbeiter und schwieriger Kunden eingesetzt, und die Gastritis des Direktors wäre auch darauf zurückzuführen. Einmal dachte ich, besser der Fadbitter als gar nichts, und hatte ein Häferl davon am Schreibtisch stehen, als ein Techniker auffällig schnuppernd in mein Zimmer trat mit der Frage: „Mir wurde ein Kabelbrand gemeldet – ist das bei Ihnen?“ Ich antwortete – mit Blick auf den Bildschirm und daher geistesabwesend: „Nein, ich habe gerade einen Kaffee von der Frau Mitzi geholt.“ Dieser ungewollte Geruchsvergleich wurde rasch „ruchbar“ und die Frau Mitzi grub das Kriegsbeil aus.

Da war mir ja – nachträglich gesehen – der bäuerliche Frühstückskaffee lieber, den ich mit eingebrocktem Brot als Hüterbub in der buckligen Welt morgens und abends in den dicken „Bitschen“ mit Blümchenmuster von der Bäuerin auf den Tisch gestellt bekam. Dieser „Kaffee“ war sicher sehr gesund und man schlief mangels Koffein ausgezeichnet darauf.

Als ich in den Achtzigerjahren auf einem dänischen Bauernhof Urlaub machte, wunderte ich mich sehr, dass es – beim abendlichen Fernsehen – um circa 21 Uhr einen ausgezeichneten starken Mokka mit einem kleinen Stück Kuchen gab. Anfangs war das schlafstörend, aber bald gewöhnten wir uns daran. Erst dachten wir, das sei eine dänische Landessitte, aber eine deutsche Urlauberin glaubte dieses Rätsels Lösung anderswo gefunden zu haben: Der Bauer schlief nach seiner schweren Tagesarbeit beim Fernsehen immer ein, und um noch etwas von ihrem Mann zu haben, wäre seine junge Frau auf den Trick mit dem Mokka gekommen. Möglich wär’s ja.

Ich habe in meinem Leben schon viel und verschiedenartigen Kaffee getrunken, weit mehr mittelmäßigen als guten, und es waren oft genug Ausreißer nach unten dabei: So ist zum Beispiel der Frühstückskaffee auch von Viersternhotels in den großen SB-Kesseln am Büffet fast überall von grauenhafter „Qualität“, ich war ihm von Österreich über Deutschland, Italien, Belgien, Malta, Ungarn, Jugoslawien, Prag und sogar in Rio de Janeiro ausgeliefert. In Brasilien, wo doch jede Menge bester Kaffee geerntet wird! Und von England schweigen wir lieber – dieses Land hat vielleicht in den Gefängnissen, aber sicher nicht beim Kaffee die Folter abgeschafft.

Dieselbe Jauche gibt es auch bei Seminaren, wo in den Pausen von den Nirosta-Tanks gezapft werden darf. Dabei ist in denselben Hotels der Espresso von der automatischen großen Espressomaschine meistens trinkbar – vermutlich, weil er separat zu bezahlen ist. In einem teuren Restaurant in Saalbach habe ich erstmalig diesen flüssigen Sondermüll grantig zurückgeschickt – Sie sollten das Gleiche tun, damit die Gilde der Kaffeeverderber endlich einmal aufwacht!

Es geht aber auch anders! Im medizinischen Labor Dr. Birkmayer in 1090 Wien gab es – aus den gleichen Nirosta-Warmhaltekesseln wie in den oben angeführten Hotels – einen sehr guten aromatischen Kaffee – ich freute mich immer schon auf die nächste Blutuntersuchung. Und warum ist in der Wiener Konditorei Heiner der Kaffee so gut und in etlichen ansonsten renommierten großen Kaffeehäusern eher mittelmäßig? Wie sehr geht mir das nunmehr geschlossene „Haiti“, eine kleine Kaffeerösterei mit Ausschank in der Naglergasse in Wien, ab – da konnte man beim Rösten zusehen und „zuriechen“, und der Kaffee war erstklassig!

Aber auch in Rio de Janeiro gab es eine positive Erfahrung: In einer Seitengasse hinter unserem Hotel an der Copa Cabana war ein Zigarrengeschäft, und beim Kauf von einigen Zigarillos zog mich der Kaffeeduft in den überdachten Hinterhof, wo eine der sonderbarsten Kaffeeküchen etabliert war. Die Apparaturen sahen aus wie eine skelettierte Dampflokomotive, und in Trögen mit kochendheißem Wasser lagen die kleinen dickwandigen Kaffeetassen, welche mit langen Drahtzangen herausgefischt und dann gefüllt wurden. Dieser Mokka war wirklich heiß wie die Hölle, (mit viel Zucker) süß wie die Liebe und schwarz wie sonst etwas. Und umwerfend stark. Die Angestellten waren kaffeebohnenbraun, was mich an die alte Wiener Messe und deren Lebensmittelhalle erinnerte, wo beim Meinl oft ein melangefarbiger Student hinter der Espressomaschine stand – eben der Meinl-Mohr.

Wie viele meiner Erinnerungen und Erlebnisse hängen doch mit Kaffee zusammen, so der Kaffeeausschank in der seinerzeit von jungen Leuten besetzten „Arena“ am Alten Schlachthof, wo mangels Papierfilter eine zerschnittene Strumpfhose verwendet wurde. Oder der Espresso mit Rum, den ich als Externist an Prüfungstagen um drei Uhr morgens trank, bevor ich den Stoff wiederholte. Oder der um Mitternacht mit Freunden gebraute Türkische, wenn die Diskussion schon müde wurde ...

Man könnte direkt nostalgisch werden, denn der Kaffee spricht nicht nur den Geist, sondern auch das Gemüt an – gäbe es sonst sogar Lieder über den Kaffee, „Der Kaffee ist fertig“, oder „… nach dem café au lait möchte ich ganz zärtlich dich verführ’n“, oder die Kaffeekantate von Johann Sebastian Bach?

Und so lassen wir das Lob des Kaffees ausklingen mit der Bemerkung einer resoluten Bürokollegin in den Vierzigern, die meinte: „Einen guten Kaffee und eine Zigarette dazu – da lass ich den schönsten Mann stehen!“

PS: Auch wer Kaffee nicht verträgt, kann sich einen kleinen Kaffeebaum im Topf kaufen und im Büro oder der Wohnung aufstellen, er blüht später weiß über lackgrünen, gewellten Blättern – und meiner hat schon zweimal getragen.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 25076

Flasche

Bruce Springsteen spielt die längsten Konzerte seit Grateful Dead im Jahr 1969. Während seine Kollegen im Backstage-Bereich chillen, schreibt er Songs. Er ist sehr fokussiert und immer fleißig.

Wir schreiben das Jahr 1965. Bruce ist sechzehn. Sein Vater Doug ist zurzeit Taxifahrer und chronisch schlecht gelaunt. Er sitzt am Küchentisch, raucht eine Zigarette und trinkt ein Bier aus der Flasche. Wie jeden Werktag lässt er Bruce antreten.

 

Doug Springsteen:
Na, Bruce, was hast du heute getan?

Bruce Springsteen:
Gitarre gespielt und einen Song geschrieben.

Doug Springsteen:
Und was denkst du, habe ich getan?

Bruce Springsteen:
Taxi gefahren, Dad?

Doug Springsteen:
Genau, Bruce, ich habe gearbeitet und Geld verdient.

Bruce Springsteen: …

Doug Springsteen:
Weißt du, was du bist, Bruce?

 Er tippt mit dem Nagel des Zeigefingers mehrfach gegen die Flasche Bier. Es macht leise kling – kling – kling.

Bruce Springsteen:
Eine Flasche?

Doug Springsteen:
Genau, du bist eine Flasche. Und jetzt geh mir aus den Augen! Abmarsch, aber im Schweinsgalopp!

Gemähtes Gras und leere Bierflaschen

Gemähtes Gras und leere Bierflaschen

Johannes Tosin
(Text und Foto)

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 25012

Das Lall

Ich bin das Lall und möchte aufbegehren,
mich gegen des Trinkers Dumpfheit wehren.
Denn zu Höherem bin ich berufen;
ich erklimm der Dichtkunst Stufen!

Verse, Reime kann ich erzeugen,
brauch mich nur der Grammatik beugen.
Ich pass mich an – an jeden Fall:
Der Lall, des Lalls, dem Lall, den Lall.

Die ganze Welt soll hör’n, sogar das All,
wozu ich fähig bin – ich, des Trinkers Lall.
Kein Brabbeln und kein Stottern mehr
und nie mehr Lallen, dann bin ich wer.

Es ist so weit, hier die erste Probe
(So gut war nicht mal Mira Lobe!)
Doch statt des Reims erklingt ein Schall.
Wie lautet er? Natürlich: Lall.

Bernd Watzka
Live-Termine

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 24160

 

 

Biertrinker

Letzten Monat bin ich nach Bordeaux gezogen. Wegen der Arbeit. Ich finde es hier mittelhübsch. Die Garonne ist auch nur irgendein Fluss. Ich spreche recht gut Französisch, doch es ist etwas anderes, was mich von den Hiesigen absondert: Ich bin Biertrinker. Im Gasthaus süffeln die Franzen ihren Rotwein, und ich kann ihnen ansehen, wie sie mich für die Spitze der Unkultur halten.

Goldene Hirter-Bierfässer vor blauen Hirter-Bierkästen

Goldene Hirter-Bierfässer vor blauen Hirter-Bierkästen

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 22009

 

Der Schlüssel

Heute war ich rasch am Friedhof; mein Schwiegervater hat heute Sterbetag und so habe ich ihm ein Licht angezündet. Ich habe ihm ja einiges zu verdanken. Seit ich seine Tochter kennen- und lieben gelernt habe, ist in meinem Lebenskompass wieder eine Magnetnadel, die vorwärts zeigt. Dass er mich nicht mochte, war mir herzlich egal, ich war halt einfach da. Wie ich gerade die alte Kerzenhülle in den Kübel am Eingang werfen will, sehe ich daneben im Gras einen Schlüssel liegen. Einen altmodischen, großen Buntbart-Schlüssel mit einem Spagatschnürl daran. Ich sehe ihn genauer an: Am Griff ist er vernickelt, aber der untere Schaft und Bart sind abgeschliffen, und oben am Bartrand war da noch ein Schleifgrat. Ein ziemlich neu nachgemachter Schlüssel also, wie für ein altes Haustor, oder ein Plumpsklo, vielleicht auch für einen Weinkeller.

Gut, ich habe den Schlüssel analysiert – aber was mache ich jetzt damit? Bei der Gemeinde abgeben? Dank hat man eh keinen, und außerdem ist das Gemeindeamt jetzt geschlossen. Aber ich könnte den pensionierten Gemeindediener fragen, ob er den Schlüssel kennt. Er kennt ja jedes Haus und jedes Kind bei uns, und er wohnt gleich hinter dem Friedhof. Also gut, ich läute halt bei ihm an. „Der Josef is ned da!“, tönt eine ärgerliche Frauenstimme aus dem Fenster. Ich frage mutig zurück, wo ich ihn erreichen könnte. „Nau, wo wird er scho sei? Im Kölla natürlich!“, ist die bissige Antwort. Mein freundliches „Danke schön“ ist fast schon ein bisserl provokant.

Weil ein Spaziergang durch die Kellergasse etwas ausgesprochen Angenehmes ist, lenke ich meine Schritte hinaus. Irgendwie kommt mir beim Eintauchen zwischen die ersten Presshäuser und Kellerkappeln immer das Lied „Heut’ war die alte Zeit bei mir“ in den Sinn. Diese alten Zweckbauten mit ihren schlichten Formen ohne Pflanz und Protz habe ich immer geliebt. Da hat alles einen Sinn, das war genau für den eigenen Bedarf, also nicht größer als notwendig, gebaut, mit eigenen Händen gegraben und gemauert mit dem, was da war: Bruchsteine und Ziegel, oft mit ungebrannten Lehmziegeln dazwischen, ein Eichentram über der Tür, ein, zwei Luken zum Luftaustausch, eine Doppeltüre aus Brettern mit dem Latten-Z hinten, und ein Lüftungsgitter. Mit der Hand grob verputzt und mit Kalkmilch gweißent, das war’s – und hat auch 150 Jahre gehalten.

Langsam – weil hier hat man es nicht eilig – schlendere ich das holprige Pflaster hinauf. Da geht gleich der Puls zurück, und das Auge streichelt die schönen alten Häuser für den Wein, bleibt da und dort an einem eigenwilligen Detail hängen. Das Ohr nimmt nur Stille, Vogelzwitschern und das Flüstern des Windes in den vereinzelt stehenden Nussbäumen wahr.

Ich weiß nicht, wo der Josef seinen Keller hat. Also stolpere ich in den ersten offenen Keller-Eingang hinein und rufe „Hallo, ist wer da?“, und erhalte gleich die Antwort: „Fråg net so blöd, kumm owa!“ Unten steht der Josef mit dem Franz (meinem Rotwein-Lieferanten) bei einem Fass. Er schenkt mir ungefragt ein Achtel ein, und nach dem Kostschluck und darauffolgenden leisen „Ahhh“ riskiere ich die Frage: „Sag, weißt du, wem der Schlüssel g’hört? Er ist im Friedhof beim Mistkübel g’leg’n.“

Da leuchten die Augen des Franz auf wie Auto-Scheinwerfer bei Fernlicht: „Jö, der g’hört mir. Dankschön!!!“ Einige Achterl später weiß ich, dass dem Franz wegen anhaltender Bettflucht von der Frau der Schlüssel abgenommen worden ist. Aber er hat sich – in vorauseilendem Misstrauen – schon vor acht Tagen einen zweiten machen lassen. Und den habe ich heute gefunden.

Robert Müller

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 21117

Instagram

Bin beeindruckt sicherlich –
gar tief vertiefst du deine Nas
ins halbgeleerte Rotweinglas.
Doch fehlt etwas, bemerke ich!

Zwar steigt, dem Weine wohl entsprossen,
schon kräftig Röt in Aug und Wang,
auch hält die Hand gar sehr entschlossen
den Becher fest in ihrer Zang,

wie häufig aber, frag ich schon,
geschah die Gläserdehydration?
Geleerte Gläser mitzuschicken,
möcht als Beweis ich mir erbitten!

Bernd Remsing
http://fm4.orf.at/stories/1704846/

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 21073

Velena

Thorhämmer an Halsketten, Springerstiefel, Tarnfarbenhosen, jeder von ihnen war eine Glatze, auch wenn nicht jeder eine hatte. Und mittendrin das große, blonde Mädchen, das eine Wodkaflasche schwang und tanzte, was ein Torkeln war. Schulveranstaltung, fern von daheim, die Lehrer waren nicht da. Der Bub passte auf das Mädchen auf. Er stützte sie, wenn sie wankte. Sie stieg ihm auf die Füße, er wies sie darauf hin. „Tschuldigung tschuldigung tschuldigung“, sagte sie. Sie hielt sich an ihm fest, auf dem Weg ins Jugendgästehaus. „Wie heißt du denn?“, fragte er sie dort. „Velena“, gab sie zurück. Er zog ihr die Schuhe aus, sie legte sich angezogen aufs Bett. Er deckte sie zu, und als er selbst schlief, träumte er von ihr.

Die silberne Außentheke mit dem Marken Boonekamp GUTER STERN Bitter – 20 ml

Die silberne Außentheke mit dem Marken Boonekamp GUTER STERN Bitter – 20 ml

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 20098

Little Caesar

Little Caesar ist der Sohn des Caesars, deshalb nennt man ihn so. Er ist ein Teenager, und als solcher hat er natürlich viele Flausen im Kopf. Er trifft sich gerne mit seinen Freunden, er genießt es, auf dem Sklavenmarkt zu wandeln und sich hübsche weibliche Sklaven und starke, schwarze männliche anzusehen – kaufen und nachhause bringen darf er keine, sonst würde er Ärger mit seinem Vater kriegen –, und, wie viele Burschen seines Alters, trinkt er gerne Wein mit Wasser gemischt.

Jeden Tag wartet er darauf, dass er endlich einmal an einer Orgie teilnehmen darf, aber stets verbietet es sein Vater. Doch er ist immer voller Hoffnung und glüht schon tagsüber mit einer gefüllten Amphore vor, nach der ersten kommt die zweite und so weiter.

Little Caesar

Little Caesar

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig | Inventarnummer: 19058