Kategorie-Archiv: Magnus Liendlbauer

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Im Salzburgerischen

Wie, fragte mich Riemer einst im Salzburgerischen, ich etwas schreiben könne, ohne dabei etwas von mir preiszugeben. Wie, fuhr er fort, damals am Fuße des Salzburger Möchsbergs spazierend, mir einfallen könne, das von mir Geschriebene habe auch nur den geringsten Wert. Was, und er wurde dabei laut, mir eigentlich einfalle, mich eigentlich auf den Gedanken, den primitiven Gedanken, wie er brüllte, bringen könne, meine Literatur habe überhaupt einen Wert, schloss er in Rage, als wir gerade die Salzach querten.

Nichts könne ich, sagte ich schließlich, den Kapuzinerberg vor Augen, schreiben, ohne dass es von mir komme. Alles andere sei erlogen, meinte ich, noch in der Linzer Gasse gehend, hinter dem könne ich nicht stehen. Dass es keinen Wert habe, sagte ich, nachdem wir im Fidelen Affen Platz genommen hatten, sei mir ohnedies klar – wie alles in specie mortis, und bestellte das große Gulasch nach Art des Hauses. Außerdem wisse ich nichts, gab ich später noch zu, ich kenne bloß meine Gefühle und das seien die eines Menschen. Sie seien wie die eines jeden Menschen, es seien primitive Gedanken primitiver Menschen, sagte ich und sah aus dem Fenster, immer noch auf mein Gulasch wartend.

Magnus Liendlbauer

www.verdichtet.at | Kategorie: an Tagen wie diesen ... | Inventarnummer: 14019

Römische Briefe

Der junge Tourist, Pius Lenz, saß an einem dreiundzwanzigsten August, nur wenige Stunden nachdem er auf der sogenannten Spanischen Treppe sitzend, am Fuße des eindrucksvollen Istituto Sacro Cuore Trinità dei Monti, einen Gedichtband zu Ende gelesen hatte, in der Via Toscana fünf, nur unweit der sogenannten Spanischen Treppe, im Commissariato Castro Pretorio und wurde zum wiederholten Male über die Motive seiner eigenartigen Tat befragt. Er habe John Keats‘ Hyperion ebendort sitzend zu Ende gelesen, wiederholte er also, und genau gewusst, dass er nicht anders könne, als diesen Briefkasten, welcher sich in der Via Condotti, einer der am meist frequentierten Einkaufstraßen Roms, befand, um sechzehn Uhr fünfundvierzig in die Luft sprengen, gab er im feinsten Englisch zu Protokoll. Die Frage der verwunderten Beamten, ob er sich der Auswirkungen und des Schadens seiner Wahnsinnstat bewusst gewesen sei, ignorierte er und erklärte, dass doch niemand umgekommen sei und sich der Schaden doch in Grenzen hielte. Hätte er es nicht getan, sagte er Stunden später aus, wäre es zu spät gewesen, so er.

Im angesehenen Römischen Universitätsklinkum, der Università del Sacro Cuore, wurde Monate später in seinen Privatnotizen ein unvollständiger Briefentwurf gefunden, welcher (einige) nähere Umstände dieser Augusttat aufklären sollte. Sein Herz, schrieb er, hätte zu schlagen aufgehört, wäre dieser Briefkasten um siebzehn Uhr entleert worden. Dass es für ihn zu spät gewesen wäre, erkannte er, so die Notiz, hätte er nicht auf der sogenannten Spanischen Treppe sitzend Keats‘ Hyperion gelesen und dann die Inschrift auf dem Haus zu seiner Linken, dass in eben diesem Haus der junge Dichter John Keats in jungen Jahren achtzehnhunderteinundzwanzig verstorben war. Und, so die Notiz, dass es noch nicht zu spät war, um die Entleerung mit allen Mitteln zu verhindern, habe er ebenso erkannt.

Magnus Liendlbauer

www.verdichtet.at | Kategorie: an Tagen wie diesen ... | Inventarnummer: 14015

Bernhards Suhrkamp(f)

Dass Thomas Bernhards erste (schriftliche) Kontaktaufnahme mit dem renommierten, deutschen Verlagshaus Suhrkamp neunzehnhunderteinundsechzig, ein Alleingang, wie er schrieb, scheiterte, habe er sich wohl selbst zuzuschreiben, dachte ich mir bei Betrachtung des photokopierten und im Briefwechsel abgedruckten ersten Briefs, an Herrn Dr. Unseld adressiert.  Zwar, so der Vermerk des Lektors, drei Monate nach Einsendung des Manuskripts, erscheine dasselbe engbrüstig und diffus, so zwei Attribute, las ich im (ausgezeichneten) Kommentar zum Briefwechsel.  Mehr noch als das Urteil eines Lektors schien mir aber für den vorläufigen Alleingang in den Abgrund eher Bernhards Dreistigkeit Grund gewesen zu sein, dachte ich, welche darin bestand, dass er, so malte ich es mir aus, nachdem er den Brief sorgfältig und ja, fehlerfrei getippt hatte, Suhrkampfs f , bevor er seine handschriftliche Paraphe unter den Schrieb setzen sollte, manuell zu Suhrkamp korrigierte, mit der leichtesten Handbewegung, fast böse in sich hinein grinsend, dachte ich mir und war davon überzeugt, Bernhard ist ein Genie gewesen.

 Magnus Liendlbauer

www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 14001