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Kategorie-Archiv: Bernd Watzka
Novemberwind
Ein blauer Wind, der rüttelt
am Fenster hier im Raum.
Es ist, als ob er schüttelt
mich aus dem dunklen Traum.Zurück das Bett ich lasse,
werf mir den Mantel um.
Steh zitternd auf der Gasse
und blicke stumm herum.Warum an diesem Ort,
allein in kalter Nacht?
Weiß es nicht, doch muss ich fort;
hier werd ich umgebracht.Ich bitt dich, blauer Wind,
antworte – dann find ich Ruh!
Da dreht er sich geschwind
einer andren Richtung zu.
Bernd Watzka
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www.verdichtet.at | Kategorie: drah di ned um ... | Inventarnummer: 24157
Der ewige Zug. (Sonett)
Auf butterweichen Schienen in der hellen Nacht,
da steht ein leerbesetzter Zug in voller Fahrt;
es murmelt in dem glattrasierten Schaffnerbart,
das stört des weißen Amselvogels Morgenwacht.Dann bremst der Zug, dass das Geleise leise kracht.
Ein stummer Schrei ertönt von Hans und Hildegard,
die sich getrennt im Triebwagen haben gepaart;
derweil am Himmel strahlt der Sonne finst’re Pracht.Indes der Zug fährt jäh vorbei am Tunnel – Schluss!
Er zerschellt am Felsen, zerspringt wie eine Nuss.
Die Lok dann trank vor Schreck ein Schlückchen Baldrian.So fährt und fährt der Zug, was er im Reim wohl muss;
Doch hört, das Schlimmste, das passiert erst ganz am Schluss:
Der Zug erreicht sein Ziel – und kommt am Anfang an.
Bernd Watzka
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Das falsche Sonett
So nett ist dies kleine Sonett,
so süß gereimt und so adrett.
Die Worte tanzten im Ballett
auf dem lyrischen Parkett.Jeder ruft nur: „Ist das nett!“
und lobt hudelnd im Falsett;
es klingt und schwingt wie ein Florett
und serviert Reime am Tablett.Doch niemand merkt: Dies Sonett
ist gar kein richtiges Sonett.
Versmaß, Silben – nichts komplett,
was drauf schließen ließ: Sieh, ein Sonett!So wird dies falsche Sonett
zum lebenden Beweis:
Schöne Worte zählen mehr
als Form und vergeudet’ Fleiß.
Bernd Watzka
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Das Lall
Ich bin das Lall und möchte aufbegehren,
mich gegen des Trinkers Dumpfheit wehren.
Denn zu Höherem bin ich berufen;
ich erklimm der Dichtkunst Stufen!Verse, Reime kann ich erzeugen,
brauch mich nur der Grammatik beugen.
Ich pass mich an – an jeden Fall:
Der Lall, des Lalls, dem Lall, den Lall.Die ganze Welt soll hör’n, sogar das All,
wozu ich fähig bin – ich, des Trinkers Lall.
Kein Brabbeln und kein Stottern mehr
und nie mehr Lallen, dann bin ich wer.Es ist so weit, hier die erste Probe
(So gut war nicht mal Mira Lobe!)
Doch statt des Reims erklingt ein Schall.
Wie lautet er? Natürlich: Lall.
Bernd Watzka
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Gundelrebe vs. Rose
Ich bin die Gundelrebe
und wohn hier im Gärtelein.
Bin froh, dass ich noch lebe,
bin mutterseelenallein.Ihr Primaten mögt mich nicht,
ihr wollt mich ständig jäten;
sucht mich, bis die Nacht anbricht,
in allen Blumenbeeten.Vor Angst wird meine Blüte blass.
Was bitte hab ich euch getan?
Warum gilt mir der Gärtner Hass?
Das ist paranoider Wahn.Lasst mich doch in Ruhe hier
aufs irdische Ende warten.
Nehmt andre Pflanzen ins Visier –
schaut euch um in eurem Garten:Es gibt hier florale Protzer,
jeder Gast will sie liebkosen.
Es sind wuchernde Schmarotzer!
Man nennt dieses Unkraut: Rosen.
Bernd Watzka
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Ich, Lindenbaum
(nach Wilhelm Müller)
Am Brunnen vor dem Tore,
da steh ich Lindenbaum:
Mensch träumt in meinem Schatten
so manchen süßen Traum.Mensch schnitt in meine Rinde
so manches liebe Wort;
Es zog in Freud und Leide
zu mir gar viele fort.Heut bin ich ganz alleine
bei Tage und bei Nacht.
Um mich nur graue Häuser;
ich halte einsam Wacht.Schon morgen kommt der Bagger,
vorbei ist’s mit der Ruh.
Sie bau’n ein Einkaufszentrum;
mein Ende naht im Nu.Hab dank o Wilhelm Müller,
dass du mich auserkor’n.
Sonst wär ich schon viel früher
an Einsamkeit erfror’n.
Bernd Watzka
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Das vergessliche Lieschen oder Das vergess’ne Vergissmeinnicht
„Hey du! Vergiss mein nicht“,
sagt das Vergissmeinnicht
zum Fleißigen Lieschen.
Doch das Lieschen hat
andres zu tun, als irgendein
Blümelein nicht zu vergessen.Als das Vergissmeinnicht stirbt,
hält’s Lieschen ganz kurz inne.
„Um irgendetwas bat es mich,
ich kann mich nicht entsinnen.“
Lieschen grübelt und ward
seines Lebens nicht mehr froh.
Bernd Watzka
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Rhododendren
Wir sind Rhododendren,
uns gibt’s auf der ganzen Welt.
An Küsten und auf Gipfeln
wachsen wir wie bestellt.Wir duften nicht wie Rosen,
uns fehlt der Tulpen Pracht,
doch sind wir nette Blumen;
wir blühen Tag und Nacht.Wir haben nur ein Manko
– das ist natürlich schad –,
unser Rhododendron-Leben
ist unbeschreiblich fad.
Bernd Watzka
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Der majestätische Lauch
Mich gibt’s hier auch –
den stolzen Lauch.
Ich bin zwar nicht
der schönste Wicht;doch geht’s ums Essen
seid ihr besessen
von meinem Aroma;
das weiß jede Oma.In so vielen Speisen
tut ihr mich preisen:
Ich werde gebraucht –
nennt mich Durchlaucht!
Bernd Watzka
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