Der Berufsschüler 3: Pfeifkonzert

Vorwort:
Dieser Text dient ausschließlich zur Unterhaltung und soll nicht aussagen, dass alle Berufsschüler dieser Welt geistig benachteiligte Geschöpfe sind, die von einer Qualle im Schach besiegt werden, weil sie die „Startaufstellung“ der Figuren für zu defensiv halten. Nein, Spaß beiseite. Ich war selbst Berufsschüler und habe die Dinge, die ich hier geschrieben habe, selbst exakt so erlebt. Dennoch soll dieser Text nicht aussagen, dass ausnahmslos alle Berufsschüler auf diesem Niveau agieren. Ich habe einen meiner besten Freunde in der Berufsschule kennengelernt und auch sonst einige liebe, interessante, intelligente Menschen kennenlernen dürfen, worüber ich sehr froh bin. Also wer sich an bisschen bösartigem Sarkasmus und einem knapp an der Grenze des Zumutbaren Maß an Gehässigkeit erfreuen kann, für den ist dieser Text unterhaltsam und alle anderen, die das nicht wollen oder können, sollten spätestens jetzt aufhören zu lesen.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Berufsschule…

Ich sitze wieder einmal in der Klasse und wieder ist Pause.

Ein Typ dreht sich zu mir und sagt: „Heast Oida. Ich hab eine Frage. Du kennst dich ja voll oag mit Musik aus und so, gö?“
Damals habe ich in einer Band gespielt und ich war zwar nicht sonderlich beliebt, aber in einer Band zu spielen, war in der Klasse irgendwie ein Sympathiepunkt.
Er spricht weiter: „Gestern war ja 50-Cent-Konzert. War saugeil, außer am Schluss, da war’s dann irgendwie ua scheiße und dann sind wir gegangen. Jetzt ist dann aber am nächsten Tag in der Zeitung gestanden, dass ganz am Schluss noch ein Pfeifkonzert war. Ich mein, ich hab das nicht mehr gesehen, aber wie soll das bitte gehen? Ich hab nämlich schon einmal in ein Mikrophon gepfiffen, und da hat man nur ua oag Rauschen gehört und sonst gar nix. Gibt’s da irgendeine Technik, die was man da machen muss?“

Ich versuche so neutral dreinzuschauen wie möglich und einen Gesichtsausdruck aufzusetzen, der aussagt, dass es eine total verständliche und normale Frage für einen musiktechnischen Laien ist, und ich ihm das gerne erkläre: „Ein Pfeifkonzert macht nicht der, der auf der Bühne steht, sondern das Publikum. Wenn das Publikum den, der auf der Bühne steht, nicht leiwand findet, dann pfeifen die, damit der Künstler weiß, dass sie ihn nicht leiwand finden und er was Besseres machen soll.“
Er runzelt die Stirn: „Das heißt die Leute im Publikum kriegen dann Mikrophone oder was?“ Ich setze meinen leiderneinaberleiwanddassduinteressiertnachfragst-Blick auf: „Nein. Schau, wenn du zu einem Rapidmatch gehst, weil du halt Rapidfan bist, und die spielen total scheiße, dann pfeifst du und schreist BUH, damit die Hütteldorfer Heisln wissen, dass sie scheiße spielen, und dir das nicht taugt, und sie das gefälligst ändern sollen.“
Er nickt enthusiastisch: „Ja sicher. Die soll‘n gscheit spiel’n, die Wixa.“

Ich grinse ihn freundlich an: „Genau… und bei einem Konzert ist das das Gleiche… und wenn man das dann macht, wenn man dort ist und andere Leute das auch machen, weil sie auch unzufrieden sind, egal ob bei einem Fußballmatch oder bei einem Konzert, dann sagt man zu sowas Pfeifkonzert.“
Er strahlt und sagt: „Ja, jetzt kenn ich mich ua aus. UA GEIL. Ich find das immer voll oag geil. Du kannst Sachen immer so sagen, dass man sich nachher voll geil auskennt. Danke. Geil, Oida.“

Und in mir steigen Glücksgefühle auf. Da ist jemand, der, sagen wir einmal vorsichtig, nicht in den gleichen Punkten wie ich seine Stärken hat, aber trotzdem akzeptiert, wie ich bin und das, was ich ihm von meinen für ihn erkennbaren Stärken anzubieten habe, zu schätzen weiß und das fand und finde ich, ganz ohne Ironie und Sarkasmus, wirklich super.

Lukas Lachnit
Kurzgeschichten: fiktiv, enorm, abnorm | Fleischlabel ©2013

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