Eine Erinnerung an alte, junge Zeiten
Sie hatte es wieder getan. Einen Mann vergrault, mit dem sie gemeinsame Zeiten in einer Beziehung gehabt hatte. Das Warum war zu klären, aber nicht jetzt. Nun hieß es erst einmal weiterleben, überleben, ohne über der Grübelei völlig verrückt zu werden.
Wäsche waschen, das ist gut. Das ist fällig und gut. Dann putzen, das Bad. Jawohl. Schließlich die Stücke der Gurke, die er ins Wohnzimmer gepfeffert hatte bei seinem unfreiwilligen Abgang, auflesen und in den Biomüll werfen. Diesen runtertragen.
Es geht ja. Kein Problem. Sie zitterte zwar noch am ganzen Leib, aber was war das schon gegen das Davor. Sie hatte ihr Herz im gesamten Körper schlagen gespürt, und das war keine Einbildung gewesen. Sie wusste, wenn sie das jetzt aussprach, war es vorbei. Und sie tat es, obwohl ihr ganzer Körper in Alarmbereitschaft war. Wie würde er reagieren? Das konnte sie nicht wissen.
Sie bat ihn, den Schlüssel zu ihrer Wohnung zurückzugeben. Nachdem sie ihm gesagt hatte, sie sehe keine gemeinsame Zukunft mehr. Für sie sei es zu Ende. Und es tue ihr leid.
Drei Jahre diesmal. Recht lange gemeinsame Jahre, in denen viel passiert war. Keiner konnte etwas dafür. Sie waren immer sehr verschieden gewesen, aber jetzt, nachdem der Lack ab war, traten die Unterschiede unübersehbar deutlich zutage.
Von Anfang an war klar gewesen, dass das keine Beziehung auf Lebenszeit sein konnte.
Und nun dachte sie sich, dass keine einzige Beziehung eine auf Lebenszeit sein konnte, zumindest für einen der beiden Beteiligten. Denn einer blieb ja immer übrig. Also war dessen Lebenszeit noch nicht abgelaufen, aber die Beziehung zu Ende. Das Über-den-Tod-hinaus einmal geschenkt, das glaubte doch kein Mensch, dass er einem Toten zugeneigt war, in der Liebe der Lebendigen. Erinnerungen, ja, Gedenken auch, Dankbarkeit, Schmerz, sicher, aber Weiterlieben konnte man nur, wenn da etwas zurückkam, Gegenüberliebe sozusagen, sonst keine Liebe, sondern Verlust der Liebe. Keine Illusion, das Band bestand, solange beide es in Händen halten konnten. Sobald es einem entglitt, und der musste dafür noch nicht einmal gestorben sein, war es vorbei.
Warum sie, der Beziehungsmensch schlechthin, immer wieder infrage stellen musste, ob das alles gut sei für sie, so wie es war, ob es genügte. Ob das Band hielt, was es versprach. Sie wusste es nicht, aber eines wusste sie: Es war dringend zu hinterfragen.
Sich selbst bedenken, das ist wohl die schwierigste Übung. Das eigene Gehirn dazu benutzen, um darüber nachzudenken, wie das Denkwerkzeug funktioniert. Warum diese Windung diese Wende herbeigeführt hat. Warum sie jetzt, als frischer Single sozusagen, darüber nachdachte, weshalb sie diese Beziehung gehabt hatte, die schon Vergangenheit war. Das hätte ein bisschen früher vermutlich mehr geholfen. Selbstkritik durchaus angebracht.
Ihr Gehirn war und blieb ihr ein Rätsel. Warum hatte sie die Gurke erwähnen müssen, ja, müssen? Das musste ihm ja wie Hohn erschienen sein. Seine Freundin macht Schluss mit ihm, möchte den Wohnungsschlüssel zurück, und zu guter Letzt fragt sie ihn, ob er die Gurke wieder mitnehmen möchte. Die hatte er an dem Abend mitgebracht, um sie zum gemeinsam zuzubereitenden Salat beizusteuern. Die in einem Akt der Resignation, Aggression und Verzweiflung von ihm zu Boden geschleuderte vermaledeite Gurke lag nun vor ihren Füßen.
Da weinte sie, um die Gurke, um sich selbst, um das Komplizierte im Leben.
Sie wollte kein Beziehungsmensch mehr sein. Es war ihr zu anstrengend, es setzte ihr zu sehr zu.
Um eine Beziehung durchzustehen, musste man hartgesotten sein. Man musste einiges aushalten können. Man musste die Befindlichkeiten des Partners miterleben, mittragen, war den Launen ausgeliefert, den eigenen, denen des anderen.
Man bekam dafür – ja, was? Geborgenheit, Zugehörigkeit, Zärtlichkeit. Obwohl, wenn sie sich die meisten der ihr bekannten Beziehungen betrachtete, das mit der Zärtlichkeit war wohl irgendwo am Weg verlorengegangen. Wie das verhindern, das Abdriften in die jeweiligen Niederungen? Den Partner als selbstverständlich anzusehen, war ihrer Meinung nach der Anfang vom Ende. Um etwas Selbstverständliches muss man sich ja nicht mehr bemühen. Oder danken wir der Sonne dafür, dass sie aufgeht? Die Wenigsten.
Carmen Rosina
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