Der Knecht von Modriach

Für Simona und Jürgen.
Danke für die Inspiration.

Gleich nach dem Aufstehen gönnt er sich einen Literkrug Most, der Albin Breitschwengler. Das macht er gerne und täglich.
Dann streicht er einen großen Klotz Bauernbrot auf beiden Seiten fingerdick mit Grammelschmalz ein und macht sich über die Kronen Zeitung her.
“Du dummer Hund! Du Gauner, Halunke und Dieb!”, brüllt er dann oft, wenn er etwas lesen muss, das ein anderer Mensch gemacht hat und das ihm gegen den Strich geht. Und das passiert halt oft.
Fluchen tut er übrigens fast immer, aber mit sechsunddreißig Jahren darf er das wohl.

In Modriach in der Steiermark, wo er herkommt, macht das aber nichts, weil in dem Ort eh nur ein paar Menschen leben.

Er selbst, der Breitschwengler, wohnt auf dem Breitschwenglerhof, den sein Papa Adolf und seine Mama Trudl ihm vermacht haben. Die beiden sind seit vier Jahren unter der Erde, und manchmal denkt ihr Sohn an sie.
‘Ja ja, der Vater und die Mutter – die haben keine Sorgen mehr!’, denkt er dann und erschlägt ein paar Ratzen auf seinem Hof.
Ratzen hat er nämlich viele, aber er hat ja auch viele Sauen und sogar zwei Ochsen im Stall, und viele Henderln, die frei herumrennen.
Nach der Kronen Zeitung braucht Breitschwengler meist einen Schnaps. Aber keinen normalen, sondern einen Obstler – Ehrensache.
Aber weil ein Stamperl halt nicht so viel fasst, sind es meistens zwei oder drei.
Dann macht er sich gestärkt an die Arbeit.

Breitschwengler ist nämlich der Knecht auf seinem Hof, also ist er sein eigener Herr.

Seine Schwester, die Sopherl, hat nie was mit der Landwirtschaft zu tun haben wollen. Sie ist Schneidermeisterin in Peggau und kommt nicht mehr nach Modriach.
Als Adolf und Trudl Breitschwengler noch gelebt haben, ist sie schon ab und zu gekommen, doch seit der Albin alleine auf dem Hof ist, traut sie sich nicht mehr dorthin.
“Du bist ein Depp und ein gefährlicher Irrer!”, hat sie ihrem Bruder auf den Kopf zugesagt. “Eingesperrt g‘hörst!”
Dann ist sie gefahren.

Breitschwengler wurde auf dem Hof geboren.
Als seine Mama gesehen hat, was für ein prachtvolles Kind sie bekommen hat, da hat sie sich gefreut und gleich gerufen: “Der wird Knecht!” Es war nämlich immer schon ihr Traum, einen Knecht zum Sohn zu haben.
Seinem Papa war das egal. Er hätte es schon gerne gehabt, wenn sein Bub etwas Anständiges wird, ein Pfaffe oder ein Kiberer vielleicht, doch hat ihm der Mut gefehlt, der Trudl zu widersprechen.
Einmal hat er das zwar schon gemacht, aber da die Trudl immer, wirklich immer und egal wo sie war, ein Stamperl oder gleich eine Flasche in Griffweite hatte, nahm er sich danach vor, keine zweite Beule auf seinem Kopf zu riskieren.
Also wurde Breitschwengler Knecht. Die Trudl hat das in die Hand genommen, weil es war ja ihr Wunsch gewesen.
Albin war ein kräftiger Bub, schon mit zwei Jahren hat er seinen ersten Ratz erschlagen, und seine Mama war sehr stolz. Da hat sie es endgültig gewusst: “Der wird ein echter Knecht!”

Am Anfang wollte er seinen Schnuller nie in den Mund nehmen, wenn sie diesen vorher in ihr Stamperl getaucht hatte.
Wie oft hat sie gesagt: “Jetzt nimm den Zutz in den Mund, Albin! Sonst wirst nie ein gescheiter Knecht!”
Dass er dann doch ein gescheiter Knecht geworden ist, daran sind wohl die Tachteln schuld. Denn die haben es ihm leichter gemacht, den Schnuller in den Mund zu nehmen.
Einmal hat der Breitschwengler seiner Mama einen Vorwurf gemacht, da war er zehn Jahre alt.
“Mutter”, hat er gesagt, “wenn du den Zutz in den Most getaucht hättest und nicht in den Obstler, würde vielleicht ein noch besserer Knecht aus mir.”
Da hat die Trudl gelacht, ihrem Bub die Hand ausnahmsweise sanft auf die Backe gelegt und gemeint: “Das passt schon, Bub. Du bist eh auf dem richtigen Weg.”

Die Gisela Bartler, seine Lehrerin in der Modriacher Volksschule, hat das anders gesehen.
“Warum hat der Albin immer so glasige Augen?”, hat sie die Trudl Breitschwengler oft gefragt.
“Gisi”, hat Trudl dann gesagt, “du weißt ja eh, wie das ist. Er wird halt ein Knecht. So wie der Manfred, dein Bruder, der ist ja auch Knecht geworden.”
“Ja!”, hat die Bartlerin dann immer gerufen. “Er ist ein Knecht geworden, weil er der Stärkste von den Buben war. Da war es ja klar, dass es um seinen Kopf nicht schade ist. Aber der Albin ist dein einziger Sohn! Also hör in Gottes Namen damit auf, ihm Alkohol zu geben!”
“Der Bub wird Knecht – und basta!”
In der Volksschule war Breitschwengler keine Leuchte.
Zwei Jahre hat er gebraucht, bis er es geschafft hat, in die Klasse seiner jüngeren Schwester zu kommen. Die war darüber gar nicht froh, denn so hat ganz Modriach erfahren, dass Albin die Volksschule nur geschafft hat, weil sie alle Hausübungen doppelt hat machen müssen – einmal für sich selbst und einmal für ihn.

Nach der Volksschule ist er in die Hauptschule gegangen und hat dort Rupert Schröll kennengelernt.
Schröll kommt auch von einem Bauernhof, aber aus der Ortschaft Edelschrott. Er war ein schmächtiger Bub, der nie hätte Knecht werden können, also wurde er ein Tischler und ein Jäger.
Die beiden Buben haben sich gut verstanden, und so wurde eine Freundschaft daraus.

Eine Lehre hat Breitschwengler nicht machen dürfen.
Nach der Hauptschule, für die er fünf Jahre gebraucht hat, ist er Knecht geworden.
Unter den Habichtsaugen seines Papas und den Bärentatzen seiner Mama hat er gründlich alles gelernt, was ein gescheiter Knecht wissen und können muss.
Er hat sich um das Vieh gekümmert, und ganz besonders um die Ratzen.
“Die Viecher hab ich gern”, hat er oft gemurmelt, wenn seine Mama nicht dabei war. “Aber die Ratzen mag ich nicht!”
Folglich hat Breitschwengler viele von ihnen mit dem erschlagen, was er gerade in der Hand gehabt hat.

Nachdem er sich also einen Liter Most und ein paar Stamperln Obstler eingeschenkt und sein Grammelschmalzbrot so weit verdaut hat, dass er sich wieder rühren kann, was um circa elf Uhr der Fall ist, macht sich Breitschwengler an die Arbeit.
Er geht in den Stall, mistet ihn aus, geht dann in den Stadl Heu holen und wieder in den Stall, den Viechern das Heu geben.
Dann sammelt er noch die Eier von den Hendln ein und denkt sich: ‘Ich hätte den Fuchs nicht abschießen sollen! Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte ich zwar keinen schönen Fuchsschwanz auf dem Schlüsselbund, aber der Fuchs würde sich nach und nach die Hennen holen und ich müsste nicht immer Eier klauben!’

Breitschwengler ist ein großer Jäger. Seine Gewehre hat er von seinem Papa vererbt bekommen, aber er hat dessen Jagdschein nicht auf sich umschreiben können. Er hat zwar dreimal versucht, die Jagdprüfung zu machen, aber ein viertes Mal wollte er sich den Stress nicht antun.
Er hat schon viele Tiere geschossen, sogar einen Uhu und einen Habicht.
Das mit dem Ara der Schmitzers war ein Versehen, wie er Otto Kipf, dem Dorfgendarmen, glaubhaft versichert hat.
“Mach dir keinen Kopf wegen dem lauten Mistvieh”, hat Kipf gesagt. Und dann hat er noch etwas gesagt, aber ein bisschen leiser: “Was glaubst du, wie oft ich schon auf den Vogel gezielt habe? Aber mit so einer Dienstpistole triffst ja nichts.”

Nach der Arbeit ist es für Breitschwengler an der Zeit, ins Gasthaus zu gehen.
Die einzige Gastwirtschaft, die es in Modriach noch gibt, ist die Hütte zum immer vollen Krug, aber sie wird von den Modriachern der Einfachheit halber Windn genannt.
Die Windn betritt Breitschwengler stets, also wirklich täglich (weil einen Ruhetag kann sich der Besitzer der Windn, der von den Modriachern einfach Wirtn genannt wird, nicht leisten) mit einem Ruf, mit dem er kundtut, in welcher Verfassung er sich befindet.
Es kommt oft vor, dass er in die Windn geht, den Wirtn anschaut und “Durst!” ruft. Der Wirtn stellt ihm dann schnell einen großen Krug Most hin, und Breitschwengler nimmt gut fünf große Schlucke. Dann rülpst er und ist fürs Erste zufrieden und begrüßt die anderen Gäste in der Windn.
Es kann aber auch passieren, dass er “Vögeln!” ruft.
Dann ist es besser, wenn Irmi Motschger nicht im Lokal ist, denn die brüllt dann immer: “Dann geh halt nach Edelschrott ins Puff!”
Daraufhin wird Breitschwengler zuverlässig sehr zornig und heißt die Motschgerin entweder “Wabe!”, “Trutsche!”, “Hexe!”, “Voglscheuche!” oder “Trampel!”, aber immer sagt er dazu, dass sie das in der betagten Ausgabe ist.

Breitschwengler hat nämlich keine Frau.
Er hat es nie mit einer festen Freundin probieren wollen, sondern immer nur die genommen, die er in Modriach, oder eben in Edelschrott, abbekommen hat.
Einmal hat Breitschwengler eine Frau im Wald getroffen, nämlich die Claudia Möslinger. Sie ist auf ihn zugegangen und hat ihm auf den Hosenstall gegriffen, was ihn zuerst sehr erschreckt hat, aber dann hat es ihn sehr gefreut.
Er hat ihr dann auf ihren Busen gegriffen, was sie gar nicht erschreckt, dafür aber sehr gefreut hat.
Bald darauf haben sie sich ausgezogen und auf den weichen moosigen Waldboden gelegt. Zuerst hat Breitschwengler sich bewegt, dann hat die Möslinger die Sache in die Hand genommen, weil er keine Erfahrung gehabt hat und dementsprechend rustikal ans Werk gegangen ist.
Seit diesem Tag ist Breitschwengler bei den Frauen in Modriach als Grobian verschrien und kriegt kaum noch eine ab.

Dann, wenn die Motschgerin das gesagt und er geantwortet hat, will er keinen Most, sondern bestellt gleich ein Stamperl beim Wirtn, aber vom Obstler – Ehrensache.
Der Wirtn schaut Breitschwengler dann skeptisch an, schenkt zur Sicherheit gleich ein sehr großes Stamperl ein und stellt die Flasche auch gar nicht zurück ins Regal, sondern auf den Tresen, damit sein Gast sieht, dass eh noch genug Obstler da ist.
Aber auch wenn er zuerst Most nimmt, so bestellt Breitschwengler dann immer ein Stamperl, denn der Obstler ist ihm im Blut.
Jedesmal wenn er ihn trinkt, denkt er zurück an seinen Schnuller und wird nostalgisch: ‘Ach, mein Zutz!’, und dann kommt es vor, dass er an seine Mama denkt, wie sie ihm den Zutz weggenommen hat, als er alt genug war, um ein Stamperl zu halten.
Aber dann wischt er schnell diese Gedanken weg und will die Speisekarte haben, denn nach der harten Arbeit ist er hungrig.
Das ist das spezielle Gasthausritual des Breitschwengler, dass er die Speisekarte haben will, weil er bestellt ja eh immer den Schweinsbraten.
“Wie ist der Braten heute?”, fragt er dann.
“Gut”, meint der Wirtn dann.
“Gut”, repliziert der Breitschwengler dann. “Ich will einen Schweinsbraten! Aber eine ordentliche Portion!”

Sein Essen verputzt er immer am selben Tisch, nämlich an dem, an dem seine Mama oft eingeschlafen ist, wenn sie zu viele Stamperln genommen hat.
Die anderen Gäste beim Wirtn schauen ihm immer beim Essen zu, denn er hat die Tischmanieren eines gescheiten Knechts. Das gut zwei Finger dicke Stück Schweinsbraten kommt auf Breitschwenglers Teller nämlich nie mit einem Messer in Berührung – ein kräftiger Stich mit der Gabel, und den Rest erledigt sein Gebiss. Die Beilagen isst er nie.
Dann wischt er sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Mund ab, rülpst und stellt sich wieder an die Bar zu den anderen Modriachern.
Der Pfarrer, Pater Engelbert, ist immer gerne dabei, wenn ein neuer Obstler aufgemacht wird, und auch Otto Kipf, der Gendarm, schätzt den Schluck aus der frischen Flasche.
Dann reden sie über das, was sich in Modriach so ereignet hat, in den letzten vierundzwanzig Stunden.
Ein Holzknecht von auswärts hat sich mit der Hacke ins Schienbein gehackt – “So ein Tollpatsch!”, meint Breitschwengler -, der pensionierte Direktor der Raiffeisenkassa war beim Schwarzfischen im Packer Stausee gesehen worden – “So ein Dieb und Wilderer, der Gamsbartkommunist!” – und dem Huberbauer hat der Fuchs vier Hennen gestohlen – “Ich könnte ihm helfen! Ich habe einen zweiten Schlüsselbund. Da passt noch ein Schwanz rauf!”
Nachdem Breitschwengler überall seinen Senf dazugegeben hat und eh schon wieder auf seinen Hof gehen muss, um dort nachzuschauen, ob es eine Arbeit gibt, die er verrichten muss oder könnte, ruft er: “Ich muss arbeiten gehen!” Dann zahlt er seine Zeche und ruft noch etwas, aber nur dann, wenn die Irmi Motschger beim Wirtn ist: “Dich würde ich eh nicht nehmen!”, bevor er schnell das Gasthaus verlässt.

Auf dem Heimweg geht er noch zu Waltrauds Nah und Frisch, wo er sich mit einer Flasche Obstler und mindestens drei Doppellitern Most eindeckt, und dann ist er auch schon wieder daheim.

Dort hat er meistens keine Arbeit, also holt er eine der Mannlicher-Flinten seines Papas von dort hervor, wo er sie lagert, nämlich unter seinem Bett, lädt die Waffe und entsichert sie bei dieser Gelegenheit auch gleich, weil er weiß, dass man nie wissen kann, ob nicht doch ein Rehbock oder eine Wildsau vor der Haustür steht, und geht in den Wald.

Weil er keinen Jagdschein hat, kann Breitschwengler naturgemäß nicht wissen, wann welche Tiere abgeschossen werden müssen, also geht er auf Nummer sicher und zielt auf alles, was sich bewegt.
Es kann vorkommen, dass er auf andere Jäger trifft.
In Modriach gibt es nicht viele von diesen, und die, die es gibt, wissen natürlich, dass Breitschwengler keinen Jagdschein hat.
Normalerweise haben sie kein Problem damit, dass er in ihren Revieren herumkoffert und Tiere abschießt, weil es dort ja eh zu viel Wild gibt und weil er besonders gerne auf Vögel zielt. Dann denkt er sich immer: ‘Na, den Vogel hab ich mir aus der Luft gegriffen!’ und freut sich.

Einmal aber ist er einem Jäger über den Weg gelaufen, der die Tatsache, dass Breitschwengler keinen Jagdschein hat, streng sieht: Rupert Schröll, seinem besten, weil einzigen Freund.
Der hat ein Jagdrevier in Modriach gepachtet und Breitschwengler ist, ohne das zu wissen, in dieses eingedrungen.
“Sag, bist du jetzt endgültig verrückt geworden, Breitschwengler?”, rief Schröll.
Der Angesprochene errötete. Zuerst wollte er sich als harmloser Schwammerlsucher ausgeben, aber die Mannlicher, die er um die Schulter gehängt gehabt hat, war, das wusste er, ziemlich eindeutig.
“Das ist mir jetzt aber schon sehr peinlich!”, rief er.
“Aber geh!”, sagte Schröll. “Jeder im Umkreis von zehn Kilometern weiß, dass du ein Wilderer vor dem Herren bist!”
“Also, ein Wilderer? Ich weiß gar nicht.”
“Nein, du eh nicht”, sagte Schröll in einem Ton, der Breitschwengler zu verstehen gab, dass er soeben auf den Arm genommen worden war. “Und der Papagei, den du geschoss’n hast?”
“Das war ein Unfall, bitteschön!”
“Wie auch immer, Albin. Sag, warum gehst du denn jagen? Ich meine, du isst das Wildbret ja eh nicht. Du isst doch jeden Tag deinen Schweinsbraten beim Wirtn und kannst ja nicht einmal kochen.”
“Es geht mir einfach ums Schießen, Bertl.”
“So geht das aber nicht, Albin! Ich meine, mir ist das ja wurscht, wenn du mir ein Reh aus dem Revier herausschießt, aber du kannst als Wilderer Probleme kriegen, große Probleme.”
Breitschwengler überlegte kurz und dabei sah er, dass aus Schrölls Rucksack Blut tropfte.
“Sag einmal, Bertl, was hast du denn in deinem Rucksack?”
Nun errötete der Schröll.
“Einen Feldhasen”, sagte er und schaute auf seine Schuhe.
Da erkannte der Breitschwengler, dass er die Gelegenheit hatte, einen Volltreffer zu landen.
“In der Windn haben sie gesagt, dass die Feldhasen gerade Schonzeit haben”, log er.
Da nahm der Schröll Haltung an und sagte: “Albin, ich bringe dir morgen drei Liter Obstler und ein bisschen Most vorbei, und du vergisst die Geschichte.”
Breitschwengler fühlte, dass er bei diesem Handel der Gewinner war.
Und in der Tat, am nächsten Tag kam der Schröll auf den Breitschwenglerhof und brachte das Versprochene vorbei – und nicht nur das.
Er hatte auch zwei Flobertgewehre dabei, und sie machten Jagd auf die Ratzen, die in großer Zahl auf dem Hof vorkommen.

Wenn Breitschwengler ein Vieh abgeschossen hat, dann lässt er es nicht einfach im Wald liegen.
Er nimmt es mit nach Hause und verarbeitet es so, wie er es von seinem Papa gelernt hat. Er nimmt die genießbaren Tiere aus und legt ihr Fleisch in eine seiner Kühltruhen im Keller, die seine Mama angeschafft hat. “Für schlechte Zeiten”, hat sie gesagt, als sie sie gekauft hat.
Wenn er Viecher abschießt, die er für ungenießbar hält, gibt er sie seinen Sauen – und das funktioniert. Am nächsten Tag sind sie weg.

Nach der Jagd, die bis zum Abend dauern kann, geht Breitschwengler heim und wäscht sich. Meistens macht er das in seiner Duschkabine, die er in einem Baumarkt erstanden hat.
Sein Freund Schröll hat sie ihm heimgebracht, weil er selbst keinen Führerschein hat.
Den Führerschein hat Breitschwengler zweimal angefangen, aber dann doch nicht gemacht.
Dass er Jonas Muck, seinen Fahrlehrer, als “Edelschrotter Filzlaus” bezeichnet hat, hat dabei eine Rolle gespielt.
Nach dem Waschen hat Breitschwengler sozusagen frei.
Dann sitzt er in seinem bequemen Wohnzimmersessel, auf dem das Fell des ersten von ihm gewilderten Keilers liegt, und genehmigt sich einen Maßkrug voll Most. Und weil es schade ist, einen Most offen stehenzulassen und er immer Dopplerflaschen kauft, nimmt er eben noch einen Krug.
Dabei schaut er fern und wundert sich über das, was so gezeigt wird.
Liebesfilme mag er gar nicht, auch mit Dokumentationen kann er nichts anfangen. Am besten gefallen ihm Gruselfilme.
Die schaut er sich an, trinkt dabei Most und Obstler und freut sich, dass er auf seinem Breitschwenglerhof sicher ist vor Vampiren und so Zeug.
Wenn er aber ein Stamperl zu viel intus hat, kriegt er es manchmal mit der Angst zu tun: Was, wenn wirklich einmal ein Untoter vor seiner Haustür oder gar vor seiner Schlafzimmertür steht?
Dann liegt Breitschwengler in seinem Bett, unter dem die Mannlicher-Flinten lagern, und fragt sich: “Soll ich die Knochenhacke, die die Waltraud im Nah und Frisch hat, vielleicht doch kaufen?”

Michael Timoschek

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