Wenn die Moka singt
Mag man irgendwo in Italien in einem noch so unterpreisigen, lausigen Bed & Breakfast abgestiegen sein, am Rande einer Vorstadt nahe der Tangente, wo einem der hitzeüberladene Augustwind unaufhörlich den Straßenlärm durch die Ritzen der herabgelassenen Rollläden spült, und beim Rundgang durch die speckige Küche ein Brotmesser vorfinden, das nicht einmal die Butter zu schneiden imstande ist, die man auf besagtes Brot zu streichen beabsichtigt; oder einen Korkenzieher, der angesichts der Flasche Wein, die man beim Greißler unten ums Eck auf seinen wahren Wert heruntergehandelt hat, in seine Bestandteile zerfällt –
Sie aber fehlt nie, die Moka, oder Espressokanne, wie man sie hierzulande etwas sperrig zu nennen pflegt; prominent, nahezu stolz behauptet sie ihren Platz, meist in der linken oberen Ecke einer etwas windschief geratenen Kredenz. Und sei es nur als kleinste Schwester der gesamten Serie, das minimalistische Modell, das gerade einmal zwei Fingerhut Espresso zuzubereiten erlaubt, abgeschabt und angeschwärzt, des Aluminiumglanzes längst verlustig gegangen, braun im Schlund von tausend und einem durchgelassenen Kaffee – aber da steht sie, in einladender Handgriffnähe, bereit zu einem weiteren Einsatz, in all ihrer Unbeirrbarkeit und Unzerstörbarkeit.
Denn genügsam ist sie, verlangt nicht nach Strom, nicht nach Batterien oder Induktion, altmodisch erfüllt sie ihren Dienst auch in freier Wildbahn, selbst im Dunkeln. Nur nach etwas Wasser gelüstet ihr, und selbstverständlich nach frisch gemahlenem Kaffee, und schließlich nach etwas, das ihr eine gehörige Hitze unter dem Hintern bereitet. Und keine sechs, sieben Minuten später beginnt sie ihr Lied zu singen – nicht das nervtötend sirenenhafte Geheul eines ungezogenen Teekessels; ihr entspringen die Töne aus den Tiefen ihrer Eingeweide, gleich dem Jazz-Bass einer Tuba, rotzig im Fauchen und Blubbern.
Dann aber verlangt sie nach ungeteilter Aufmerksamkeit, ungeduldig von der Feuerstelle will sie genommen werden, mit beleidigter Bitterkeit ihres Inhalts droht sie uns ansonsten. Andererseits, gewähren wir ihr diese Gunst, umso dankbarer verströmt sie im Vorab das verführerische Aroma dessen, was wir alsbald zu uns nehmen werden, diese Schale braunen Goldes, mit der wir es uns wieder einmal erlauben, dem Herrgott einige wertvolle Momente seiner unendlichen Zeit stehlen …
Und mögen wir auch in dem unbewussten Glauben verhaftet sein, dass die Moka bereits seit ewigen Zeiten unsere Feuerstellen geziert hat, sie sich schon bei den alten Etruskern als Grabbeigabe allgemeiner Beliebtheit erfreut hat, soll hier nachgetragen werden: Ein Kind des letzten Jahrhunderts ist sie, um genau zu sein, aus dem Jahre 1933 (ein Jahr, das auch in anderer Hinsicht schicksalhaft für die Menschheit sein sollte). Wie auch immer, ans Licht der Welt brachte sie ein gewisser Alfonso Bialetti aus dem Piemont, Inhaber einer Fabrik für Aluminiumteile. Und ihren wahren Siegeszug trat die Moka nach dem Krieg an, als der Sohn Renato Bialetti die Firma übernahm und mit einer geschickten Werbekampagne für ihre Verbreitung sorgte.
Und dass ihm dieses Unterfangen gelang, zeigt eine Umfrage dieser Tage, wonach in 98% der italienischen Haushalte (zumindest!) eine Moka steht – das ist mehr als die Italiener einen Fernseher besitzen oder den legendären Fiat 500. Und selbst die neueste, ebenso der Vergänglichkeit verschriebene Mode, Kaffee so aufzukochen, wie das Grinsen eines George Clooney es einem vorgaukelt (ein Grinsen, das wohl mehr über die Höhe seiner Werbegage aussagt), wird kaum etwas an dieser beeindruckenden Prozentzahl ändern – die mehr als achtzig Jahre Überlebensdauer dieser unverwüstlichen achteckigen Kanne dienen als Beweis:
Es gibt keine beeindruckendere billigere Methode, einen so beeindruckend guten Kaffee zuzubereiten als mit der Moka …
Harald Schoder
derewigreisende.net
www.verdichtet.at | Kategorie: hin & weg | Inventarnummer: 17094