Das neue Auge
Sinnlich liegt sie mir in der Hand, und ihre Anschmiegsamkeit wärmt mich bis unter die Haut, auch wenn meine Finger noch nicht die richtigen Stellen blind treffen, ich noch nach ihren Knöpfen taste und linkisch an ihren Rädchen drehe, die meiner neuen Geliebten, der kürzlich erworbenen Kamera — meinem neuen Auge.
Und durch viele Hände bist du gegangen, ich sehe es dir an, gröber als meine, so mancher Kratzer ziert deine Hülle, vergilbt so mancher Aufdruck, und der Staub in deinen Ritzen klebend verrät mir, wie achtlos abgelegt du warst.
Vorbei deine schlimmen Zeiten, durch den Rausch der ersten Verliebtheit taumeln wir beide nun, kein noch so unsäglicher Wirklichkeitsausschnitt ist uns für einen Abdruck zu schade, und am gegenseitigen Kennenlernen und Erforschen können wir uns nicht sattbekommen.
Denn mit jedem Bild, mit jedem gemeinsam verbrachten Erlebnis vertieft sich unser beider Gewissheit, dass uns in Zukunft eine tiefgründige, eine große Liebe verbinden wird …
Harald Schoder
derewigreisende.net
www.verdichtet.at | Kategorie: kunst amoi schau’n | Inventarnummer: 18052