anno

Der Wind der Julier

Mathilda zieht sich ein zweites Paar Wollsocken über ihre Schlafsocken an und in eine dicke Lammfelljacke gehüllt schürt sie das Feuer im Ofen der Stube. Die Kälte wollte in diesem Winter nicht weichen, seit Wochen war das Tal von einer dichten Schnee- und Eiskruste verhüllt. Ihre Finger sind klamm und steif, und sie kann nur […]

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Apollo 11

Mein Vater wäre gern mit der Apollo 11 zum Mond geflogen. Das war sein Utopia. In den flimmernden Schwarz-Weiß-Bildern auf dem Bildschirm des Fernsehgeräts verfolgte er alles wissbegierig. Die metallene Stimme, die er nicht verstand, da er kein Englisch sprach, verlieh dem abenteuerlichen Unternehmen noch mehr Mysterium. Der deutschsprachige Kommentator übersetzte alles, und mein Vater […]

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Terrestrische Navigation 1

Ich hatte es schließlich in der Hand. Sämtliche 43 Umzugskartons, die geöffneten und die immer noch nicht geöffneten, hatte ich durchwühlt, um es zu finden. Schließlich entdeckte ich es unter dem Bett. Dort, wo ich als Kind immer die Bücher versteckt hatte, die an mich gerichtet waren, wie Briefe von geheimnisvollen Absendern direkt an mich. […]

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Terrestrische Navigation 2

Halt! Haben Sie Teil 1 schon gelesen? Dies ist die Fortsetzung. Wenn die Erwachsenen Beratung suchten, gingen sie zu Frau Apfel. Wenn nur ihre Kolleginnen da waren, fragten sie erst gar nicht. Auch wenn die Erwachsenen Beratung suchten, die nichts mit Büchern zu tun hatte, gingen sie zu Frau Apfel und redeten anfangs von Büchern, dann erst […]

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Terrestrische Navigation 3

Moment! Kennen Sie schon Teil 1 und Teil 2? Hier folgt der nächste Teil dieser Geschichte. Am nächsten Tag läutete ich an. An ihrem Türöffner unten auf der Straße meine ich, ich weiß nicht warum, aber es erschien mir unstatthaft, an ihrer Wohnungstür zu läuten. Die Terrestrische Navigation hatte ich bei mir. Trotz der unvermeidlichen Verzerrung durch die […]

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Terrestrische Navigation 4

Stop! Um in den vollen Genuss dieser Geschichte zu kommen, lesen Sie zuvor Teil 1, Teil 2 und Teil 3. Die Antwort darauf, warum sie mich nicht mehr in ihre Wohnung ließ, ergab sich vor etwa drei Wochen. Ich stieg mit der Milch für Frau Apfel in den viel zu kleinen Lift und vor mir stand Alex. Ich erkannte […]

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A Sentimental Journey

„In Regen kann’s zwieseln, aber in Zwiesel kann’s nicht regnen“, sagtest du dir. Und wart glücklich zu zweit auf eurer herbstlichen Wanderung. Von einer Bank zur nächsten durch Wälder und Felder. Gelb, schwarz und braun bis zum abendlichen Wein. Aber ansonsten verlor sich jede Spur. Hätte ich dich doch früher gekannt. Sagen wir: Vor einem […]

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Mein Traum

Still liege ich da, mit offenen Augen, und hänge meinem Traum nach. Wie seltsam und wie seltsam schön er gewesen ist! Ich bin völlig ergriffen, richtiggehend verzaubert, was äußerst selten der Fall bei mir ist. Zuletzt fühlte ich mich so – fällt mir ein – vor ungefähr neun Jahren. Gefühlsmäßig werde ich nun zurückkatapultiert zu […]

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Magie im Alltag

Ich erinnere mich jetzt – mit dem Abstand von drei Jahrzehnten – nur noch vage an sie. Zudem könnte ich nicht einmal mehr sagen, wann ich sie das erste Mal bewusst gesehen oder wahrgenommen habe. Wenn sie in meiner Umgebung war, veränderte sich etwas. Damals. Am Anfang spürte ich eine unbestimmte Art der Erregung, eher […]

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Schulgeschichten

Der Lateinlehrer, der dem Schüler sagte, er sei ein „Radfahrer“, und bemerkte „nach oben buckeln, nach unten treten“ und ein paar Klassenstufen später war es ebenjener Lehrer, der diesen Schüler bei einem Referat bloßstellte und einem anderen Schüler, der wegen seines frechen Verhaltens bei den anderen Lehrern sehr unbeliebt war, ständig Komplimente machte („du, dein […]

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Sigurd Sigurdssons Ritterleben

Sigurd Sigurdsson: Diese Frau gefällt mir außerordentlich, lieber Bruder. Ich möchte sie besitzen! Kollege des Bruders: Was hat er denn? Bruder: Er erlitt einen Autounfall. Sigurd Sigurdsson: Falsch! Mein Streitross warf mich ab. Bruder: Hör mal, Stefan. Die Werkstätte hat dir einen Kostenvoranschlag gemailt, 1.317 Euro. Sigurd Sigurdsson: Ich ließ mein Streitross doch einschläfern. Bruder: […]

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Bertha Benz

Dass Bertha Benz im Jahr 1888 mit dem Benz Patent-Motorwagen Nummer 3 die 106 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim fuhr und drei Tage später über eine andere Route zurück, war natürlich ein werbetechnisch geschickter Schachzug. Die Botschaft lautete: „Wenn ein Weibsbild imstande ist, dieses Höllengefährt zu bewegen, dann kann das jeder Mann.“ Johannes Tosin (Text […]

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„Extrablatt!“

„Extrablatt, Extrablatt! Die Eilmeldung von den Unruhen in Deutsch-Südwestafrika!“ Extrablatt, Eilmeldung – wahrscheinlich per Telegramm. Was ist da los? Er denkt kurz nach. Klar, wir haben das Jahr 1904, und ich befinde mich in Berlin, der Hauptstadt des Deutschen Reiches und des Teilstaats Preußen. Das Staatsoberhaupt ist der nichtsnutzige Kaiser des Deutschen Reiches und König […]

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Man steht am Fenster 2

Oktober 1956, der Ungarn-Aufstand Vielleicht war in dieser Zeit auch die Rede von Ungarn, vielleicht habe ich etwas aufgeschnappt von der bedrohlichen Situation im Nachbarland, 60 Kilometer von uns entfernt. Die Gefahren durch den Kommunismus waren im Bräuhaus und auch später bei uns in Tulln immer gegenwärtig: Die Erzählungen vom Leben in der sowjetischen Besatzungszone, […]

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Man steht am Fenster 1

von und mit Vinzenz Ludwig Ostry Radio Rot-Weiß-Rot Erinnerungen von V.S. Es gab für mich viele Gründe, den Samstag im Bräuhaus zu lieben. Auch alle Sonntage, Feiertage, Namens- und Geburtstage, sowie alle gewöhnlichen Tage. Als Kind liebte ich einfach das Leben, und alles, was dazugehörte, Menschen, Tiere und Blumen gleicherweise. Vor manchen Menschen musste man […]

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McDonalds, 22 Jahre am Puschkin-Platz, Ende am 9.3.22

Es bietet sich ein eigenartiges Bild. Im bitterkalten Jänner 2000 stehen tausende Moskauer auf dem Puschkin-Platz. Ein Ort um das Denkmal für den Dichterfürsten, wo sich traditionell Menschen zu Festen und Protesten versammeln. Schon Dostojewski hielt dort seine historische Rede zum 100. Geburtstag, in den revolutionären Tagen von 1905 und 1917 war das ein Versammlungsort, […]

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Wie uns ein Schatz verloren ging, den wir nie hatten

Es mag etwa Anfang 1998 gewesen sein – auf jeden Fall war ich noch jung im Amt –, da meldete mir meine Sekretärin, ein gewisser Iwanov möchte die Kulturrätin sprechen. Einen Moment lang dachte ich an einen Scherz der guten Frau Schwaner, weil jeder zweite Russe Iwanov heißt und das etwa so vielsagend ist, wie […]

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Mit achtzehn

Eigentlich hatten wir abgemacht, gemeinsam Medizin zu studieren, die Helga Mann, die Schober Christl und ich. Vielleicht waren es nur Träumereien von mir, ein unausgesprochener Wunsch? Wer kann das schon sagen, nach 55 Jahren. Der „Plan“ stand seit der 7. Klasse fest: Helga würde eine Wohnung bekommen, im Haus ihrer Tante Grete in der Alserbachstraße, […]

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Kaiser Joseph II. und der besoffene russische Kutscher

Fürst Grigorij Anatoljewitsch Potjomkin, der Liebhaber und Feldherr Zarin Katharinas der Großen, ging in die Weltgeschichte mit seinen Fake-Dörfern ein und bis heute ist mit den potjomkinschen Dörfern ein allseits verwendetes Sprichwort geblieben, auch wenn meist falsch ausgesprochen und betont. Er hat für die Zarin den Kaukasus erobert und die Grenzpflöcke des russischen Imperiums bis […]

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Bürotechnik im Jahr 1980

Den Fernschreiber bedienen. Den Lochstreifen beschreiben, wobei Löcher aus ihm gestanzt werden. Und danach einlegen. Rattata-rattata-rattata. Die Nachricht wird gesendet. Bürotechnik im Jahr 1980. Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 21107

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Apokalypse reloaded III: Angewandte Geographie

Noch einmal der selbe Ort und fast die selbe Personage. Wir spielten einmal wie so oft im Hof Weltreisen, Hedi, Franzi und ich. Dazu gruben wir mit Stöckchen Kanäle, Gänge und Gruben in die Erde, durch die wir dann unsere Murmeln laufen ließen. Sie waren gewunden und die Löcher so tief, wie wir nur graben […]

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Apokalypse reloaded II

Ich wuchs in einer patriarchalischen Familie auf, in jedem Fall war das das Modell meiner Kindheits- und Jugendjahre. So gab es das ungeschriebene Gesetz, dass ohne den Vater nicht mit dem Abendessen begonnen werden durfte. Das war die einzige gemeinsame Zusammenkunft, bei der alle wichtigen Dinge erzählt, diskutiert, beurteilt und sanktioniert wurden. Frühstücks- und Mittagessens-Zeiten […]

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Apokalypse reloaded I

Als es am Gartentor klingelt, hält sich Mama gerade im Schlafzimmer auf, das zwei Fenster zur Straße hat. Sie sieht dort einen Mann und eine Frau stehen, die ein Bündel Zeitschriften vor der Brust tragen. Das oberste Exemplar ist in durchsichtiges Plastik eingepackt und hängt an einer Schnur um den Hals, „Der Wachturm“. So stehen […]

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Corona-Hausarrest: Tag 36 der Ausgangsbeschränkung

Als die Krisenregierung immer häufiger den Begriff der „Risikogruppe“ gebrauchte und ich feststellte, dass ich allein auf Grund meines Geburtsjahres auch dazugehöre, meinte ich, zum ersten Mal in meinem Leben fremddefiniert und in eine Schublade geschoben worden zu sein. Stimmt nicht, fiel mir eines Tages auf. Alles hat’s schon einmal gegeben, und das sehr früh, […]

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Blick zurück

Zeugung. Schwangerschaft. Geburt. Von Ketten aus Blei. Von Ringen aus Gold. Übermut. Willensdrang. Neugier. Von Herzen aus Stroh. Von Rädern aus Vergangenheit. Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 20007

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Stillstand

Autos brausen vorbei um diese späte Uhrzeit sind alle Lichter grün Geschwindigkeiten rasen an mir vorbei Die Geschwindigkeit in meinen Kopf nimmt ab zwischen umgeworfenen Gegenständen verstaubte Tischplatten eine Menge ungelesener Zeitschriften ich lasse alle liegen mit dem Vorwand, sie später zu lesen, Zwanghaft Außen wie innen Zwischen all dem Ganzen stichst du raus quälend, […]

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Dunkle Sphäre

Langsam verschwindet die Sonne, sie wechselt mit dem Mond, Die Nacht erfrischt mich in der Ecke vom Balkon verschwinde ich nur mehr Schatten werfe ich Sehnsüchte verstecken sich hier gut sie verlieren ihre Farbe Mitternachtsblau steht ihnen besonders diesen Fensterläden der Balkontür unter mir schießen sich jeden Tag denke ich daran, Oft treffen sich Blicke […]

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Mittelalter

Der Verkünder:   Verehrter Udo-Udo, du schürfst hier nach Gold. Ich muss dir leider mitteilen, dass Fürst Monimon das nicht länger gestattet. Udo-Udo:              Warum denn? Ich mache doch nur meine Arbeit. Der Verkünder:   Ich sage nur: Tourismusgebiet. Udo-Udo:              Tourismusgebiet? Wir haben das Jahr 1056 Anno Domini, tiefstes Mittelalter, hier gibt es nur Wald, Steine und den […]

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Berauscht

Die Pille, ist eine Zeitmaschine, sie schickt mich warm, in die Vergangenheit zurück Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 19119

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Von den Spinnen und Steinen

Was sagst du da, ich bin ja noch da, Lebe noch, Seit Tagen klopft der Regen gegen Fensterscheiben, Mein Leben will durch, Riegel von Altbau-Fenstern, fest verschlossen, Spinnen kriegen von mir nicht genug, in den Ecken hängen Netze, auf der Suche nach einem Besen Mein kleiner Zen-Garten, im Sand, Blind taste ich Verstecke, Schätze suchen, […]

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Logbuch der Pinta

24. September 1492: Noch immer kein Flaggschiff in Sicht. Seit Wochen durchqueren wir als Teil der Armada den Atlantik. Die Niña, navigiert von meinem Bruder, ist stets an unserer Seite. Meine Karavelle ist das schnellste der Schiffe. Als wir am Donnerstag, den 6. September von der Insel Gomera aus in See stachen, gab es noch […]

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Rosenkranz für die Freiheit

Jeder Montag begann mit dumpfem Grollen und Knirschen auf Kies, mit schweren Schritten und tiefen Männerstimmen. Davon wurden wir wach. Da huschte die Tante Sefi ins Kinderzimmer und klatschte in die Hände Kinder, aufwachen, aufstehen, Rosenkranzbeten! Tante Sefi war die jüngste Schwester meines Vaters, ein ehe- und kinderloses Fräulein von der Post. Sie kümmerte sich […]

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Schneeschmelze

Rosa lief mit der Öllampe in der Hand durch die finstere Nacht, ein eisiger Wind peitschte ihr die Schneeflocken hart ins Gesicht und es fiel ihr schwer, durch die hohen Schneeverwehungen vorwärtszukommen. „Schnell, Mädel, lauf zur Hebamme und bring sie her! S‘Nannerl bekommt ihr Kind!“ Mit diesen Worten hatte sie die alte Bäuerin mitten in […]

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Völkerball oder 100 Jahre Frauenwahlrecht

Ein Ständchen mir selbst zum 71. Geburtstag begonnen am 17.2., beendet am 23.2.19, 12 h 30 Vor langer Zeit, vor einer Ewigkeit von sechzig Jahren, lebte in einem Provinzstädtchen ein Mädchen, mit dem ich Vor- und Nachnamen gemeinsam habe. Aufgrund der ständigen Machinationen der Zeit und der unergründlichen Kombinationen des Erbgutes ähnle ich ihm nicht […]

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Rosenkranz für die Zonengrenze

Das Haus meiner Kindheit steht im Strudengau in Oberösterreich. Ich wurde dort geboren und wuchs im Bräuhaus von St. Nikola an der Donau auf. Nachdem die kleine Dorfbrauerei „Seyr Bier“ im Zuge des Krieges schließen musste, betrieb mein Onkel Klaus eine „Bierniederlage“, das lustigste Wort meiner Kindheit, warum ich wahrscheinlich keine Biertrinkerin geworden bin. Ein […]

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Wir haben Venedig gebaut oder Die Eichen von Orenburg

Erinnern und Nachdenken nach dem Film The Death of Stalin Von Orenburg habe ich schon in der Schule gehört, als wir im Russisch-Unterricht Puschkins Novelle Die Hauptmannstochter lasen. Geblieben ist eine ferne Erinnerung an eine tragische Liebesgeschichte aus der wilden Zeit des Pugatschow-Aufstandes von 1744. Später habe ich selbst meine Schüler mit dieser Geschichte traktiert, […]

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Palmström wagt‘s

Neue Seite, neues Glück Denkt Palmström und verfasst ein Stück Von Königen und ihren Huren Von Schurken, die in Kutschen fuhren Von presserischer Fürstenlast Vom Volk, das ängstlich duckt und hasst Und er schildert lang und breit Die ganze Ungerechtigkeit Der feudal’n Vergangenheit: Tyrannei drückt brave Bauern Die Haus und Hof und Wald und Feld […]

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Ein Sommer in Kirchstetten

(vor 45 Jahren, Juni - September 1972, Brodsky bei Auden) Da steht er und blinzelt unsicher ins Licht am Ende des Ganges. Es ist sommerlich heiß an diesem 5. Juni 1972 in Schwechat. Der Mann trägt einen schweren Wintermantel und auf dem Kopf eine flache Lenin-Kappe. Er ist 1,80 groß, untersetzt, breiter Hals, hohe Stirn, […]

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Gelöscht

Und wieder und wieder, versuche ich dich von meiner Festplatte zu löschen. Und wieder und wieder finde ich dein Backup irgendwo. Nives Farrier aus: Nach Dir. (TwentySix Verlag, 2018) www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummerr: 18106  

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Ich bin halt ein Kriegskind

Als älterer Wiener (Jahrgang 1943), den es ins Weinviertel verschlagen hat, sieht man die Welt mit anderen Augen als die zwei, drei Generationen danach. Nein, das wird keine rührselige Lebensgeschichte – die hat schließlich jeder. Aber schön langsam ist auch die Gruppe der „Zeitzeugen“, der zwischen 1939 bis 1945 Geborenen schon am Ausdünnen – und […]

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Sieben Jahre Pech

So lang ist es her. Und ich will die Scherben immer noch nicht aufheben, um zu sehen, was in mir alles zerbrochen ist. Nives Farrier aus: Nach Dir. (TwentySix Verlag, 2018) www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 18068  

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Schattenspiele

Jede Nacht starre ich an die Wand und verfolge die Spiele der zerbrochenen Schatten. Im Licht des Kerzenscheins, erzählen sie von einer besseren Zeit. Nives Farrier aus: Nach Dir. (TwentySix Verlag, 2018) www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 18069  

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Das größte Missverständnis der Weltgeschichte

Viel ist nicht im Gedächtnis geblieben – nur ein unklares Bild und ein gemischtes Gefühl. Auch der Zeitpunkt ist eine Rekonstruktion. Das Bild: Ich sitze auf den Schultern meines Vaters, winke und weine. Weine und winke. Weiter drüben steht ein Zug mit Menschen und einer mit verhülltem Kriegsgerät. Das Gefühl bleibt undeutlich. Warum ich winke […]

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Als Putin mir die Tür öffnete

Obwohl journalistisch keineswegs unerfahren, war ich in den letzten Mai-Tagen 1991 ungewöhnlich aufgeregt. Eine persönliche Einladung vom 1. Vorsitzenden des Lensowjets zu bekommen, war auch in jenen stürmischen Monaten des Jahres 1991 nicht alltäglich. Anatolij Alexandrowitsch Sobtschak wollte dem ORF in seinem Amtsitz in Leningrad ein Interview geben. Ein Monat später sollte er als erster, […]

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Puschkins Hase

Es war der 23. Dezember 2000, als sich eine Gruppe von Menschen am Leningrader Bahnhof (hieß wirklich noch so!), Bahnsteig 2, vor dem Waggon 17 versammelte, alle dick vermummt, denn es hatte in diesem Tagen um die zehn Grad minus. Außer Andrej Bitow kannte ich niemanden persönlich, und diesen nur flüchtig und aus einer Situation, […]

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Baujahr 1967 - Summer of Love

geschrieben anlässlich von Ö1-Dimensionen im Sommer 2017 Ich bin nicht Geburtsbaujahr 67, sondern 48. Aber 1967 war in vieler Hinsicht ein Neuanfang, mein Schritt in die Neue Welt, in die Welt überhaupt. So scheint es mir. Nach der Matura begann ich an der Universität Wien Dolmetsch zu studieren, Russisch-Englisch, im Nebenfach Psychologie. Beides ungeliebt, zwei […]

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Höhle

Gehe an der Höhle vorbei, Tür geht auf, ein Schwall an Gerüchen, Ich blicke in die 80er, Alkohol küsst hunderte Zigaretten, Darts und Glücksspiel, Die Luft atmen sie, Ein alter Mann, Haut eingefallen, starrt in die heiße Sonne Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 18003

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Klopapierrollen-Kapitalismus

Im September 1998 organisierte die Universität St. Petersburg ein Seminar zur Frage, ob es ein weibliches Schreiben gäbe. Dazu hatte ich acht Gäste aus Österreich eingeladen und nahm aus Eigeninteresse auch selbst daran teil. Am letzten Tag lud die Uni zur Stadtbesichtigung ein; die österreichische Schriftstellerin E.S. wollte aber lieber die Sommerdatscha der russischen Dichterin […]

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Zeit für mich

Kalender sind frei, Hektik liegt begraben, Ein Timer zählt abwärts, zählt transparent durch meinen Körper, Die Stoppuhr hält an, Finger greifen nach ihr, Wollen sie stellen, Beachte sie kaum, Staub an den Zeigern Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 17178

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Fenster der Erinnerungen

Der Frost schläft ein, Nachts öffnet sich das Fenster, Endlich wieder, Luft tanzt im gelben Licht, Schwere Decken liegen am Rücken, Verwandlung, Als ich eine Schildkröte war, spielte ich am Meer, Blaues Leintuch, leises Rauschen von Stimmen, im Hintergrund Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 17116

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Requiem für eine Buchhandlung

Malota - Stern’s Nachfolger seit 1906 Die Straße ist die älteste Verbindungslinie aus der Stadt hinaus in den Süden. Und zwar immer schon. Zumindest seit den Römern. Ihre Verlängerung, die Triester Straße, führt auf direktestem Weg ans Meer, eben nach Triest und Venedig, einstmals österreichisch. Sie hat derzeit 3 Kirchen, 4 Apotheken, 9 Hotels und […]

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Dunkler Matsch

Es kriecht eine Spinne, klettert in den Gang, flüstert Gift, von alter Zeit, Bewegungsunfähig im Eis, Fisch in der Winterstarre Gold graben im Sand, Entschuldigungen verstecken sich, ein Schneckenhaus, ohne Schnecke Zwischen Mond und verschneitem Wald werden Gewichte transparent Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 17104

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Störungen aus der Vergangenheit

Sie hängen schwer, blutrote Trauben, der schwarze Vogel pickt Löcher in den Horizont, ........................................... kleiner Barlicht zeichnet ein Farbsystem, Grauer Spiegel, in der Röhre Das Störbild elektrisierte ein Kind Schwarz-weißes Heulen, Ich rannte aus dem Zimmer, vor alten Geräuschen aus dem All Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno| Inventarnummer: 17080

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Die Errettung der Schwalben

Als sich der Vorfall ereignete, von dem ich jetzt erzählen möchte, war ich ganze fünf Jahre alt. Der Sommer war schön gewesen, ein ganz besonders guter Sommer, sagten die Erwachsenen. Die Donau führte Niedrigwasser, und wir kleineren Kinder konnten ohne Gefahr in den warmen Tümpeln zwischen den Uferfelsen planschen, die älteren durften sogar im Hauptstrom […]

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Der Tee war zu stark

Der Magen ist voll, ein Smoothie, er dreht sich, Geschmacksrichtungen verzerrt und sauer, das Blitzlichtgewitter wird weniger, Träume wirken wie auf Psychedelika, Suche nach mir, in verschiedenen Zeitstrahlen, ein Film von gestern bis heute, Kalt wie die Ostantarktis Heiß wie in Dasht-e Lut, ich mittendrin Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno | Inventarnummer: 17073

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Bei Oma und Opa im Winter

Ein Windstoß bläst die Sonne zwischen den grauen Wolken umher Geflügel sucht den Boden mit Sprache ab Rauch verbindet sich mit Bergen in weiter Ferne, nur im Glas befinden sich weiße Weihnachten, eingefroren für lange Zeit Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno| Inventarnummer: 17071

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Franz ohne Sisi

Gehe dir entgegen, darüber eine schwere Gewitterwolke, ein Rabenpärchen mitten im Grün, darüber der dämmernde Abend, Füße gehen, Beben werden kleiner, Zum Prunk verstaubter Zeit, Kaiser und Adelige, weiter in den Wald, dort wird das künstliche Meeresrauschen leiser Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: anno| Inventarnummer: 17067

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Sparen in den 50er Jahren

Meine Omama verstand es wie alle aus der Zweifach-Kriegsgeneration, „sich was vom Mund abzusparen“. Sie war Sparmeisterin und Wiederverwerterin, sie warf einfach nichts weg. Ihre Erfahrung sagte ihr: „Aufheben für schlechte Zeiten.“ Die um 1900 Geborenen konnten alles noch einmal gebrauchen! Alte Unterwäsche und Leintücher zu Putzfetzen zerschnitten, alte Zeitungen in den Händen weichgerieben als […]

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Der Anfang der Welt

Das Erzählen dieser Geschichte hat einen großen Vorteil. Es kann mir niemand widersprechen. Wer von Ihnen war schon auf den Kurilen oder kennt jemanden, der diese Inselgruppe bereist hat? Nein, ich selbst war auch noch nie auf den Kurilen, dafür aber mein russischer Freund Lew Nikolajewitsch G. Er war von Beruf Pilot beim sowjetischen Atomministerium, […]

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Weihnachten im Schatten der Eiche

Manchmal, wenn es im Juli kochendheiß und der Nachmittag leer war, trafen meine jüngere Schwester, unser kleiner Bruder und ich im tiefen Schatten der Eiche zusammen. Wir waren unserer Sommerspiele überdrüssig, waren müde und sprachen dösend von Weihnachten. Der kleine Bruder saß oben im Baumhaus, und wir sangen zu dritt Weihnachtslieder. Es wird scho glei […]

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Braune Blätter

Wie der Herbst fällt das Gefieder ab Wolken umnebeln den Himmel Er fällt hart, zwischen allen Kaffeebohnen werden zerstückelt Heiße Dämpfe zwischen dem Echo von leeren Wörtern, Bankkonten, Versicherungen Dazwischen dein Körper, beobachtend und regungslos, die Welt zerflossen von Jahren Eine Leitung Richtung Dach und wieder hinunter Zittrig und ein Schwindel im Kopf Reste von […]

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Das georgische Kreuz

Ein Medaillon um den Hals, eine Ikone vor der Brust, ein Flachmann vielleicht oder Knoblauchzehen, das Lieblingsbuch, ein Bild der Geliebten, eine Haarsträhne oder auch nur ein metallener Mantelknopf - Geschichten über lebensrettende Amulette gibt es viele. Meist ist es der unverbrüchliche Glaube an diese Helfer, die Segnungen und guten Wünsche von Müttern oder Geliebten, […]

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Das lange und glückliche Leben des Franz Rieser

An einem sonnigen Frühlingstag im Jahr 2013 verließ Franz Rieser sein Haus. Er versperrte die Eingangstüre und setzte sich auf die rustikale Holzbank vor seinem Heim. »Murli, Minka!«, sagte er halblaut, doch laut genug, dass seine beiden Katzen ihn hören konnten. Sie sprangen zu ihm auf die Bank und schnurrten vor Behaglichkeit, während er sie […]

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Mein See – Sommersymphonien am Mondsee

Den Vater meiner Mutter habe ich nie kennengelernt und weiß auch bis heute nur wenig über ihn. Er ist acht Jahre vor meiner Geburt gestorben. Die Tochter, auf die Namen Sieglinde Mathilde Hermine getauft, hat nie viel von ihrer Familie preisgegeben. Ich wusste, dass sie keinen ihrer Namen mochte und fand auch für keinen einen […]

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Fundstücke

Gestern Abend entdeckte ich auf dem Dachboden des Häuschens meiner Mutter eine Truhe, die mir irgendwie bekannt vorkam. Ich hatte mich auf den Dachboden zurückgezogen, denn ich wollte vermeiden, dass meine werte Frau Mama mitbekam, in welchem Zustand ich mich um acht Uhr abends als achtunddreißigjähriger Mann befinde, wenn ich die Stunden zuvor, meist drei […]

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Die Brücke

„Sie haben die Erlaubnis, die Brücke zu passieren“, sagte die Frau in der schwarzen Uniform der Staatsschützer zu ihm, „aber Sie dürfen dann nicht mehr zurückkehren. So ist die Verordnung.“ Der Mann war unsicher. Das hatte er nicht gewusst. Er hatte angenommen, er könnte beides haben, hier seinen Wohnbezirk, dort ein bisschen Abenteuer. Nein, das […]

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Vorläufige Grabungsergebnisse

Vorläufig. Und um nicht an ein Ende gelangt zu sein: das Abgeschlossene eines Prozesses, der wahrscheinlich – wäre er nicht von uns ins Leben gerufen worden – nie existiert hätte. Wir nehmen es hin, dass wir immer und immer wieder nur die halbe Wahrheit wissen können. Wir nehmen es hin, dass vielleicht unsere Gedankenübungen überhaupt […]

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Der Streik

Es war ein Tag wie der andere. Dr. Erich Perner und der Redakteur Carl Hofbauer saßen bei Kaffee und Zeitung im Bräunerhof. Beide schienen sehr vertieft in ihre Blätter. Ab und zu hob einer den Kopf, um zufrieden in die Runde zu schauen, um vertrauten Gästen einen wohlwollenden Blick zuzuwerfen oder um eben nur ein […]

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Das Haus, in dem ich wohnte

2016. Drei Jahre ist es nun schon her, dass ich zuletzt hier war. Nicht, dass mir Familie nichts bedeutet. Ich stehe meiner nur nicht besonders nahe. Anlass meines letzten Besuches im August 2013 war die Hochzeit meiner jüngsten Cousine Audra, ein Jahr nachdem unsere älteste Cousine Lara geheiratet hatte. Jetzt stehe ich selbst kurz davor, […]

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Der falsche Mönch

Und es begab sich Anno Domini 1991, dass der fahrende Schüler Robert eine Studienreise ins Ursprungsland unserer Kultur, nämlich nach Irland machte. Bekanntlich waren es irische Mönche, die im Spätmittelalter zu uns Barbaren kamen, um uns Lesen und Schreiben zu lehren, womit sie (ohne es zu wissen oder gar zu wollen) dem Gottseibeiuns Microsoft und […]

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Mitternacht

Es ist Mitternacht und Rauch hängt in der Luft. Es regnet. Ich liebe das rhythmische Klopfen der Regentropfen an den Fensterscheiben. Gott sei Dank hat es erst vor einer halben Stunde begonnen zu regnen. Heute Morgen bin ich von Istanbul nach Wien geflogen, um alte Freunde zu besuchen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich seit […]

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Fleiß und Frühaufstehen

Ein bisher unentdecktes Fragment einer untersagten Predigt aus dem Melker Stift, dem Kaplan Andreas Corvinus (1684(?) -1749) zugeschrieben Übers.: Bernd Remsing …(s)agt man doch: „Fleißig wie die Bienen“, aber: Stehet denn die Biene früh auf, concret: Wann verlasset sie dann ihre Schlafstätt? Nachdem die Biene aber denen Insekten angehöret und noch nie die kühle Morgenstunde […]

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Es war erst gestern

Ich bin in eine frostige Zeit hineingeboren worden. Es war ein großartiger Tag! Oder etwa nicht? An jenem Sonntag meiner sehnsüchtig erwarteten Geburt war es überwiegend stark bewölkt, und das bei weiterer Neigung zu mehr oder weniger starken Schneefällen im Laufe des Tages. Die Temperaturen lagen zwischen minus zehn und minus fünfzehn Grad. Kein ideales […]

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Ein Kind unserer Zeit

Dieses Leben bietet, abgesehen von Überraschungen, offenbar zur Genüge Wiederholungen dessen, was man schon einmal erlebt oder vielleicht gelebt hat. Vielleicht auch bloß in Variationen, aber immerhin. Das macht mich oft so müde, weil ich ohnehin schon genau weiß, wie’s ausgeht und wonach es schmeckt. Derartig vergleichbare Begebenheiten haben mir so manches Mal die ohnehin […]

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Die Klavierstunde

Der Kalender zeigt Dezember neunzehnhundertdreiundsechzig. Ein Freitag, wieder einmal. Immer wieder ein Freitag, an dem man, gut verschnürt, mit Schal und Wintermantel, die Tasche unter den Arm geklemmt, losmarschiert, in Richtung Musikschule. Die magische Uhrzeit, in der man seine Stunde eingeteilt bekommen hat, lautete, man musste sie wiederholen, Freidoch umma drei, also, Freitag, fünfzehn Uhr. […]

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Von Münze und Zigarre IV

Wien war nicht auf sieben Hügeln erbaut worden. Der Junge mit der Matrosenmütze wusste das allerdings nicht. Wahrscheinlich hatte er auch noch nie darüber nachgedacht. Ihm schien lediglich bewusst zu sein, dass die Stadt die Stadt war und er Teil einer Skizze, die er nicht überblickte. Es lag nicht an der Größe seines Körpers oder […]

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Von Münze und Zigarre III

Die Donau ruhte wie eine große, weiße Schlange in der Stadt, dieselbe entzweiend. An ihren Ufern stand ein Junge mit einer Zigarre im Mund. Schwer hing sie ihm zwischen den Lippen, die streng er zusammenzwickte (dabei auch sein rechtes Auge unwillkürlich zugedrückt war). Seinen Blick setzte er auf der gegenüberliegenden Seite aus. Dazwischen: Fluten silberner […]

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Der Wehrmann

Nun ist man endlich neunzehn geworden und hat die Schnauze von Schule und Elternhaus so ziemlich voll. Sich freiwillig zum Heer zu melden, scheint zu diesem Zeitpunkt die einzige, zwar nicht attraktivste, doch immerhin realistischste Methode, um sich der Umklammerung durch diese Instanzen zu entziehen, und weil man ja doch irgendwann einmal dorthin muss. Der […]

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Irrenhaus in Hinterwald - Teil 2

Der Waldschrat Und wieder hatte es sich begeben, und wie schon zuvor auch diesmal in irgendeinem Ort, in einem vielleicht nicht ganz so unbedeutenden wie bereits beschrieben, aber trotzdem letztlich irgendwo, vor nicht allzu langer Zeit, in einem altehrwürdigen, mit Ritterburg und so, jedoch aufstrebenden und ehrgeizigen Ort, wie eben alle Orte im Zeitalter des […]

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Irrenhaus in Hinterwald - Teil 1

Der Werwolf Und es begab sich, in irgendeinem Ort, irgendwo, vor nicht allzu langer Zeit, trockengelegt und „zuasphaltiert“, wie alle Orte im Zeitalter des Wirtschaftswunders. Eine Hauptschule, wie überall. Und doch nicht wie überall. Nein, wohl einzigartig. Fünfundzwanzig Knaben, in irgendeinem Klassenzimmer. Man schreibt das Jahr 1965. Mathematikunterricht. Kreidestaub liegt in der Luft. Ein hölzernes […]

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Von Münze und Zigarre II

Ein kaltes Nieseln wusch Wiens letzte Farben dessen Straßen hinab, Straßen, die ehemals große Geister auf ihrem Weg zum Ruhm bewandert hatten, heute jedoch nirgendwo mehr hinführten. Kleinere Gestalten schlichen nun umher, die Nasen rümpfend, pendelten sie rastlos zwischen den Gebäuden, um Unterschlupf in Häusern zu finden, deren Erbauer längst vergessen waren. Manch einer war […]

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Von Münze und Zigarre I

Wien zeigte sich in der damaligen Zeit nur als Skizze. So wie Wien sein sollte, mochte dem einen oder anderen Passanten, der durch die Innenstadt schlenderte, bloß als Idee durch den Kopf geistern. Die großen Gebäude blickten eher wie Gräber auf dieselben herab und wirkten weniger lebendig als die zerstörten, auf die der Krieg seine […]

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