Wortglauberei
Quarkscomputer
Heute saß ich mit meinem Sohn und seinem Freund Klaus im Park Café zusammen. Klaus studiert in Graz Mathematik. Leider fragte ich ihn, was er später gern arbeiten würde. Als Kryptologe, erklärte er mir, dann führte er etwas angeberisch verschiedene Verschlüsselungsmethoden aus. Er merkte, dass ich ihm nicht folgen konnte. Das freute ihn. Am besten […]
Das falsche Sonett
So nett ist dies kleine Sonett, so süß gereimt und so adrett. Die Worte tanzten im Ballett auf dem lyrischen Parkett. Jeder ruft nur: „Ist das nett!“ und lobt hudelnd im Falsett; es klingt und schwingt wie ein Florett und serviert Reime am Tablett. Doch niemand merkt: Dies Sonett ist gar kein richtiges Sonett. Versmaß, […]
Gott sei Dank
„Jedes Kind ist auch mein Kind“, sagt Papst Franziskus. „Lacht es, lache auch ich. Stirbt es, sterbe auch ich. So viele Tode, aber noch viel mehr Gelächter, Gott sei Dank.“ Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 24131
So ist er einfach
Habe von einem Bekannten die Nachricht bekommen, dass er mich am 35. Juli um 17 Uhr 90 im Cafe „Geht’s eh“ treffen will. Als cleverer Mensch habe ich gleich für den 4. August um 18 Uhr 30 einen Tisch im „Geht’s eh“ für vier Personen bestellt. Für mich, meinen Bekannten und unsere „Über-Ichs“. Wilfried […]
Komplizierte Begriffe einfach erklärt
Ausdünstung: eine Dünstung, die quasi vor dem Aus steht Begriffsstützigkeit: ein Keit (Zustand), in dem eine Person bei einem Begriff eine Stütze, quasi einen Support braucht In die Fußstapfen treten: einem quasi dahingestapften Fußabdruck folgen Nach eigenem Gutdünken: Wenn jemandem dünkt, dass quasi etwas gut ist für einen selbst! Rumpelkammer: ist quasi eine Kammer, in […]
Worte fallen mir in die Hand
Wieder einmal habe ich darauf vergessen, die Frucht rechtzeitig vom Baum zu pflücken. Nun fällt sie mir in die Hand, und während ich sie so betrachte, fleht sie mich an, ich möge sie zu Papier bringen. Um ein Haar wäre sie auf den Boden gefallen und verwest, allerlei Tierchen hätten sich daran gütlich getan und […]
Wenn das Glück kommt, musst du ihm einen Stuhl hinstellen
Ich habe viele Stühle in meinem Haus, viel mehr, als meine Familie braucht. Immer schon habe ich herrenlose Stühle aufgelesen, die auf Dachböden, in Kellern oder Garagen ihr vorläufiges Ende gefunden hatten. In mir regt sich bis heute das Mitleid, wenn ich einen ausrangierten Stuhl sehe. Er tut mir unendlich leid und ich nehme ihn […]
Mikro
Ich kenne eine, bei der ist alles Mikro. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich um eine Frau handelt, die sich so ausdrückt. Sie spricht vom Mikrowadlbeißer und von den Mikroerdbeeren, vom Mikroofen, den man nicht mit der Mikrowelle verwechseln sollte, und von der Mikroschere, vom Mikroauto und vom Mikroflaschl, vom Mikroholzlöffel, den sie […]
Lass die Luft raus
Lange Zeit habe ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass man die Luft irgendwo rauslassen muss. Die Luft sieht man ja nicht und wenn sie weg ist, fällt es gar nicht auf. So dachte ich. Ich glaube, zum ersten Mal bemerkte ich das Fehlen von Luft im Radlschlauch. Es ist ganz übel, weil man […]
Vorprogrammiertes Leid
Einer sagt, was er denkt, und der andere denkt und sagt dann was. Claudia Lüer www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 24109
Dreißig Engel halten uns
Dreißig Engel halten dich, meine Liebe, und mich in der Luft, sicher und warm. „Wann hast du das letzte Mal gebetet?“, frage ich dich. „Als mein Onkel Klaus starb“, sagst du. Das war im Frühling, jetzt ist Herbst. Zehn Engel verlassen uns nun. „Und du?“, fragst du. „Ich bete nie“, sage ich, „ich kann mich […]
Die heutige Kleine Zeitung
Ich habe die Kleine Zeitung abonniert. Es ist 5:30 Uhr. Ich will sie holen, aber im Postkasten ist keine Zeitung. In genau diesem Moment weiß ich nicht mehr, was sich gestern ereignete. Mir fehlt der ganze Tag. Ich kann mich aber an vorgestern und heute früh erinnern. Ich frage mich, wie das sein kann. Aber […]
LIES MICH!
Roman schlendert durch die Innenstadt, als ein Buch direkt vor ihm auf den Gehsteig knallt. „Raus damit!“, hört er zugleich eine Frauenstimme aus einem weit geöffneten Fenster im dritten Stock kreischen. „Raus!“ – „Raus!“ – und mit jedem weiteren „Raus!“ wird temperamentvoll ein Buch aus dem Fenster geschleudert. Ein junger Mann stürzt aus dem Haustor […]
Die Wahrheit
Das bin nicht ich, der hier sitzt. Er ist nur meine Erscheinung. Mein Herz, meine Leber und mein Gehirn sind woanders. Fürchtet euch nicht und lobet den Herrn! Denn nur Er kennt die Wahrheit. Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 24005
Ohne germanistisches Gespür
„Warum haben Sie nicht Theologie studiert?“, fragte der Therapeut, selbst studierter Theologe, den Germanisten. Dem Germanisten war die Herablassung des Therapeuten zuwider. Wie konnte er dessen Studienwahl nicht nur nicht würdigen, sondern als Fehler verstehen? Aber lassen wir es, uns über einen Menschen zu ärgern, der alles andere außerhalb des eigenen Horizonts geringschätzt, und gönnen […]
Die Ohne-Limits
Da die Bürger dieses Staats so übersättigt von Informationen in erster Linie digitaler Art sind, nach Meinung der Regierung, wurde eine Sprachregelung in Kraft gesetzt, nach der die Anzahl der Wörter, die jeder Bürger im Lauf eines Tages von sich geben durfte, beschränkt wurde. Zuvor lag die durchschnittliche Anzahl der Wörter pro Tag bei zirka […]
Tanz
Tanzt ein Buchstabe auf weißem Papier, tanzt auf der Nase herum, tanzt den Tanz des Gerechten und den Tanz der Gerächten und den Tanz der zu Rächenden. Winselt nie um Gnade und tanzt weiter auf dem Tisch. Tanzt der Buchstabe in einem wild gewordenen Wort, tanzt das Wort einfach tot und fordert: Tanz aus Melancholie […]
Nearly True Love
„Ich liebe dich wie mein rotes Herz.“ Falsch, nein, nicht gut, Chat GPT. „True love is always and for everybody.” Das ist doch Blödsinn, nicht? Man sollte diese Maschine vom Netz nehmen. „Show me your most naked things, my lady fine.” Das ist ja fortschrittlich, fast schon gut! Die Maschine lernt. Man darf ihr nicht […]
Angewandte Redewendungen
Ist es nicht genugtuend, jemandem, der Haare auf den Zähnen, Dreck am Stecken und ein Brett vorm Kopf hat, den Schneid abzukaufen? Ohne den Faden zu verlieren, aus dem Schneider zu sein, das ausbaden zu müssen, was jener Süßholzraspler verschuldet hat? Tacheles reden und nicht klein beigeben ist angesagt! Wilfried Ledolter www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | […]
Halleluja
Der Prediger spricht zur Menge in seiner Kirche, die aus einem weißen Zelt besteht: „Ihr alle, keiner ist ausgenommen, habt euch von Gott abgewendet. Glaubt ihr etwa, ihr seid seine Diener bei euren alltäglichen Sünden, großen Sünden, kleinen Sünden? Ihr habt überhaupt keine Chance, nach eurem irdischen Dasein in den Himmel aufzufahren. Der Höllenfürst wird […]
An die Brandung
Du gischtverhangene Wolke Du kennest nicht Rilke, noch Nolte Du wolkenverhangene Gischt Auch du brauchst der Feder nicht Ihr hebet von selbst und ihr senkt euch Wie mach ich’s nur, dass auch ich euch gleich Dann würd’ es mir wieder lichtel So bleib ich Verseschmiedwichtel Ach, hätt’ meine Seel’ endlich Fried! Nicht den! Der war […]
BTS
„Suga, ich will ein Kind von dir!“, ruft mir eine sehr junge Frau zu. Eine besonders hübsche, wie ich bemerke. „Ein Kind von mir?“, frage ich mich. „Das ist nicht möglich. Ich bin doch ein Loser, ein Niemand, und noch dazu ständig pleite. Außerdem heiße ich anders.“ „Tschuldigung“, ruft mir nun die sehr junge Frau […]
Vielleicht klingt es wie Thomas Bernhard
Also sagte sie, nachdem sie den Lehrling, der ahnungslos war, nämlich von so einer großen Ahnungslosigkeit, wie sie nur den Lehrlingen eigen sei, und diese Lehrlingsahnungslosigkeit, das sei doch eigentlich das Schlimme, nicht wahr, es gebe nur Weniges, was von ebendieser Ahnungslosigkeit übertroffen werde, dieser Dumpfheit und Gleichgültigkeit. Ebenjener Lehrling, dieser Dümmling, der es doch […]
Understanding Mölzer. Ein Essay
In den letzten Wochen ist es immer wieder zu Diskussionen über die Äußerungen von Andreas Mölzer gekommen. Wie ist damit umzugehen? Es gibt die eine Fraktion, die zu Recht empört ist und die Äußerungen Mölzers als neuesten verbalen Tiefpunkt in der österreichischen Politik ansieht. Beschweren sich nun Erstere über die unhaltbaren und unerträglichen Sätze, werden […]
Lesen, ein Fenster in die Welt hinaus
„Die Sprache macht den Menschen – die Herkunft macht es nicht“, meinte im Film „My Fair Lady“ der erfolgreiche Sprachforscher Professor Higgins. Ja, die Sprache formt den Menschen, und erst mit der Sprache kann er Bildung erwerben. Wobei die Sprache bereits Teil der Bildung ist. Und wie ein Mensch ist, weiß man erst, wenn man […]
Nachrufe
Anlässlich des Todes des / der Schriftstellers / Schriftstellerin x. Textbaustein eins: Er / sie war ein / eine unermüdlicher / unermüdliche Mahner / Mahnerin gegen die autokratische Abnutzung der Gesellschaft. Textbaustein zwei: Er / sie scheute sich niemals, seine / ihre Meinung kundzutun, obgleich er / sie damit ständig wirtschaftliche Nachteile in Kauf nahm. […]
Alphabet
Unterschreiben ging immer. Ging noch. Mit einem Schreibgerät auf Papier. Kein Problem. Aber das war nur eine schwungvolle Kritzelei, angedeutete Buchstaben, man konnte aus ihnen den Namen nicht erkennen: Heinrich Mirnig. Wenn Heinrich versuchte, aus den passenden Buchstaben seinen Namen zusammenzufügen, es funktionierte nicht. Gleich ob Schreibschrift, Druckschrift, Blockschrift, unmöglich. Ein aussichtsloses Unterfangen. Auch am […]
Der Forstweg
Ich bin im Wald. Der Forstweg wird immer schmäler. Ist das noch ein Forstweg? Nein, das ist kein Forstweg mehr! Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 21002
Die Heilung
Nachdem er den Papst getroffen und sie sich umarmt hatten, war er geheilt von Raffgier und Missgunst und Zorn. Er hätte in jenem Moment sterben können, und sein Leben wäre ein erfülltes gewesen. Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 20059
Der Eierschlauch auf der Autobahn
Es begab sich auf der Heimfahrt von einer einwöchigen Sommerfrische, die zu diesem Zeitpunkt bereits, anstatt der vom Navigationsgerät veranschlagten vier, sechseinhalb Stunden gedauert hatte. Dieser Zeitverlust hatte sich ergeben durch kurze Rauch- und WC-Pausen, einige Baustellen und nicht zuletzt einen fast zweistündigen Stau. „In einer Stunde sind wir zu Hause“, konnte ich den Kindern […]
Verfluchte Tage oder It’s war, baby!
„Dieses verwünschte Jahr ist zu Ende. Doch was weiter? Vielleicht kommt etwas noch Schrecklicheres. Wahrscheinlich sogar.“ Diese Sätze schrieb Ivan Bunin am 1. Jänner 1918 in sein Tagebuch, noch in Moskau, aber bald danach floh er vor der bolschewistischen Revolution über Odessa nach Paris und kehrte nie wieder zurück. „Verfluchte Tage“ nannte der Nobelpreisträger von […]
Aufgeschnappt oder: Wie Werbung wirkt
Drei Frauen im Gasthaus, am Nebentisch ins Gespräch vertieft. Eine der drei möchte schließlich die Kontaktdaten ihrer Freundin korrekt ins Handy eintippen. Mittendrunter stutzt sie und fragt: „Wie schreibt man denn Schacklien?“ Jacqueline antwortet: „Mit Jö.“ Carmen Rosina www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 20028
Mimi
Mimi geht in den Garten. Mimi ist vor dem Haus. Mimi geht in das Haus. Johannes Tosin (Text und Foto) www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 20025
Generalisierung
Vergangenheit, eines Tages, Mein Mund war verschlossen Wörter versteckten sich hängen geblieben im Nichts Sekunden, Fragen werden nicht beantwortet Salven abgefeuert von Schwärze geblendet Muskeln gehorchen nicht Kontrolle wurde verschenkt Hände schlagen ins Leere durchgeschüttelt liege ich da müde Nach den Spike-Wave-Komplexen, aus dem Delta meiner Theta-Träume bin ich ganz bei dir Florian Pfeffer www.verdichtet.at […]
Abgerissene Worte
Komische Sprache, meine Blicke, Deine Augen sahen es in meinen, Nacht umgab mich, Gedanken verlor der Körper, Verwirrt spreche ich zu viel, Zwischen, mein Lieblingswort, kein klares Wasser gefunden Du meine Liebe, eingeschlossen in Gedanken, ein eigenes Leben, blind verlieren, doch deine ausstrahlende Wärme, umhüllt mich, Ich habe vergessen dich zu fragen, wer du eigentlich […]
Hin und Her
Ich wünsche mir eine Schaukel in meinem Garten, ein schlichtes Holzbrett an Seilen. Eine Schaukel ist ein Hängesitz, mit dem man hin- und herschaukeln kann. Das Schwungholen erfolgt durch Streck- und Beugebewegungen mit den Armen und Beinen oder durch Abstoßen von einem festen Punkt. Man lacht über meinen Wunsch und missbilligt das Schaukeln als Kinderkram. […]
Sohn Marius
„Mama, da ist ein Brief vom Finanzamt“, sagt Sohn Marius. Er hat gerade die Post geholt. „Mach ihn auf“, sagt die Mutter, „und lies vor.“ Sohn Marius reißt das Kuvert auf. Er liest das Schreiben vorerst leise. „Mama, das ist ganz seltsam“, sagt er, „da steht: Sie haben zu Unrecht für zweiundzwanzig Jahre und zwei […]
Staub
Ich lese, jeden Tag, ein Buch, jedoch sammelt sich Staub Mein Herz sucht nach dem Swiffer Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 19033
Bibliothek
Köpfe sind starr, Gespräche verlaufen im Flüsterton Eine starke Konzentration schwebt in der Luft, erstarrte Menschen, Blätter sind die Meduse Dort draußen rasen Füße und Autos Eine unsichtbare Macht, in dieser Oase, verlangsamt die Zeit, dreht die Lautstärke zurück Es sind starke Hände, greifen aus den Bänden Gewaltige Mächte sind hier am Werke Florian Pfeffer […]
Kaltes Papier
Ein Stempel, zwei Stempel, viele Stempel, schleiche mich auf das Papier, es wechselt Hände, Sie brauchen einheitliche Farbe, dazu kommen Kürzel, Finger tippen Massenhaft verwandeln sie sich, wie Raupen in Kokons, elektronisch flimmern sie Kopien sammeln sich, zwischen Plastik, ein Gewächshaus voller Bäume, es überschwemmt finstere Regale Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: […]
Die Macht der Worte
Ob Sie wollen oder nicht Ich schreib jetzt ein Gedicht Und Sie steh‘n von Anfang an Mit Haut und Haar in meinem Bann Sie sind Wachs in meinen Händen Warum sollt‘ ich das Gedicht schon enden Sie merken, wie Ihr Selbst zerbricht Wie aus ihm ein andrer spricht Ihr Wollen und Ihr Denken Beginne ich […]
Prädikat mit Auszeichnung
Im europäischen Osten, Ende der 1960er. Eine streng frisierte Frau sitzt an ihrem Schreibtisch, auf dem ein hoher Stapel mit Schriftstücken wartet. Sie trägt ein schlichtes, dennoch nicht elegantes Kostüm in einem grauen Beige oder einem beigen Grau und beugt sich ein wenig nach vor, um den klobigen Telefonhörer in die linke Hand zu nehmen, […]
Schreibend
Um zu schreiben, so dachte er, muss man sich einfach hinsetzen und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Dass dies Arbeit erfordern könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen. Henrik hatte mit seinen 59 Jahren von Camus bis Kehlmann alles gelesen und hatte die letzten Jahrzehnte damit verbracht, eine beachtliche Sammlung von Erstausgaben der klassischen […]
Lektion
Ich weiß, Ihr lieben Dichter Ihr habt mich längst so weit gebracht „Alles andre Irrgelichter! Auf deine Füße habe Acht!“ Nun steh ich auf meinen Füßen Und muss für alles andere büßen. Bernd Remsing http://fm4.orf.at/stories/1704846/ www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 18117
Der Morgen
Ein junger frischer Morgen wollt es der Nacht besorgen. Die schloss jedoch die Tür und rief: “Mir graut vor dir!“ Der Morgen einsam floh und graute anderswo. Aus: „55 x Blödsinn“, illustrierte Gedichte aus allen Lagen des nicht alltäglichen Lebens Zeichnung und Text von Yvonne Richter www.yvonne-richter.de www.fabulus-verlag.de/autoren/yvonne-richter www.facebook.com/yvonnerichterbuecher/ www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei| Inventarnummer: 18022
Der Dichter
„Zu viel Nebel“, sprach der Hebel. „Viel zu dicht für Wortgeschlicht. Denn beim Nebel“, sagt der Hebel, „finde ich die Reime nicht.“ Aus: „55 x Blödsinn“, illustrierte Gedichte aus allen Lagen des nicht alltäglichen Lebens Zeichnung und Text von Yvonne Richter www.yvonne-richter.de www.fabulus-verlag.de/autoren/yvonne-richter www.facebook.com/yvonnerichterbuecher/ www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 18017
Schatten
Viele sagen etwas, sprechen von der Dystopie, viele Sätze bauen Spannungen, Ich nehme sie, blicke aus dem Fenster, Die Nachmittagssonne lädt Solarzellen auf, drei blaue Lichter, Hundert Prozent, ich warte noch im Schatten Florian Pfeffer www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei | Inventarnummer: 17177
Ins Stocken kommen 2 (Minihörspiel)
Zwei Stimmen, die erste weiblich, die zweite männlich „Schläfst du?“ „Nein.“ „Denkst du?“ „Nein.“ „Träumst du?“ „Mmm.“ „Was träumst du?“ „Ich schlafe doch noch nicht.“ „Warum sagst du dann Mmm? Das klingt nach ja.“ „Mmm.“ „Träumst du wenigstens von mir?“ „Wie soll ich das, meine Liebe, wenn mich deine Knie stören.“ „Magst lieber meinen Busen, […]
Ins Stocken kommen 1 (Minihörspiel)
Zwei Stimmen, die erste weiblich, die zweite männlich „Ich liebe dich!“ „Wie schön.“ „Wirklich!“ „Wie schöner.“ „Das ist doch kein richtiges Deutsch.“ „Aber es stimmt.“ „Stimmte das, wär’s ja noch schöner – so viel verstehe ich schon von unserer Sprache. Ach, man sollte Italienisch können, klingt gleich viel romantischer: Ti amo!“ „Verstehe ich nicht.“ „Du […]
Sieben an der Zahl
Vorgeschmack Das Zitat zum Morgenkaffee – unbeirrbar prangt es uns entgegen, in der Zeitung, im sozialen Medium unserer Wahl oder auf dem Kalenderblatt; und plump meist sein Versuch, uns gute Laune abzuringen für einen Tag, den das Schicksal für uns bereits mit dem Erwachen als gescheitert abgekanzelt hat; oder uns moralisch zu besseren Menschen belehren […]
Konfrontation im Salzamt
1 Der Mann war unbemerkt in den Raum gekommen. Er hatte die Eingangstüre geräuschlos geöffnet und wieder geschlossen. Er stand eine Minute regungslos im Raum, dann wandte er sich um, kam an meinen Tisch und sagte: „Ist niemand hier?“ Damit meinte er, dass keine Kellnerin hinter der Bar stand und Dienst versah, und ihm dies […]
Geschwurbelt
Die Sonne geht schon früh unter in diesen Tagen, ihr Licht hat auch nur wenig Kraft, gerade einmal genug, um den luftigen, in zartem Orange und Magenta gehaltenen Vorhang leuchten zu lassen. Ein Leuchten, das die beiden alten Herren wieder anzieht, sie hier ihren Tee hier trinken lässt. Es sind die Farben des Frühlings und […]
Mein Weg zum Schreiben
Ich bin Schriftsteller, nicht Künstler, denn ich erachte die Schriftstellerei nicht als Kunst, vielmehr stehe ich auf dem Standpunkt, dass sie eine Notwendigkeit für den schreibenden Menschen darstellt, beispielsweise um seinen Standort kundzutun, um mitzuteilen, wo er innerlich zu verorten ist, oder um sich, wie man sagt, Dinge von der Seele zu schreiben. Ich bin […]
Katzennärrin
Heute hat meine Katze „danke“ gesagt. Laut und deutlich. Sie hatte geniest, so einen hübschen, niedlichen Katzennieser von sich gegeben, bei dem einem immer ganz warm ums tierliebe Herz wird. Daraufhin ich natürlich: Gesundheit! Und da sind wir nun. Da haben wir wohl beide nicht aufgepasst, sie noch weniger als ich. Wie weitertun? Sollen wir […]
Ich muss es auch erst lernen
Wie es sich für jedes Lehrbuch gehört, das einen gewissen akademischen Anspruch hat, beginne ich mit einer Einleitung. Zuerst möchte ich die ungestellte Frage beantworten, die ein solches Unternehmen aufwirft: Brauchen wir in der Flut der Lehrbücher des Deutschen ausgerechnet noch ein Pseudo-Lehrbuch, das das Genre des Lehrbuchs auf die Schippe nimmt? Was ist das […]
Das rückbezügliche Fürwort
Es war einst ein rückbezügliches Fürwort, das lebte glücklich mit allen anderen Wörtern in einem dicken, großen, bunten Buch namens Leben. Es herrschte völlige Harmonie, jedes Wort kannte seinen Platz. Auch das rückbezügliche Fürwort war ziemlich zufrieden. Dennoch nagte stets das Bewusstsein an ihm, in ständiger Abhängigkeit anderer Wörter zu leben, ohne selbst eine eigenständige […]
Wortfluss
Es fließt, Wort für Wort, wie ein Bach, im Gleichklang, unaufhaltsam, aneinandergekettet wie eine lange Kette von Lauten, die einander ergänzen, die sich wiegen, wie die Wellen und manchmal über Steine springen, aber nur ein kleiner Sprung in eine andere Furche, um dort weiterzufließen in einem anderen Licht in einem anderen Tonfall, um beim nächsten […]
Unwörter für Hoffende
„Leider“ ist ein böses Wort, kaum hörst du’s, ist die Hoffnung fort. – Leider! Beinah genauso schlimm ist „fast“. Es heißt, es hätt‘ beinah gepasst. – Fast. – Leider! Und auch „bestimmt“ klingt etwas schal im Hinweis auf ein nächstes Mal, wo’s passt. – Bestimmt! – Fast. – Leider! Michaela Harrer-Schütt www.verdichtet.at | Kategorie: Wortglauberei […]