Der Prinz

Ein Prinz verließ das Schloss seines Vaters, um im nahegelegenen Wald Pilze zu sammeln. Es war ein sommerlich warmer Tag, also trug er dünne Kleidung, auf dem Kopf die goldene Krone, die seinen Rang symbolisierte. Er brach auf, ohne Waffen zu tragen, die letzten Wölfe waren Jahre zuvor erlegt worden, und nachdem es keine Banditen mehr gab, sein Vater hatte alle henken lassen, verzichtete er auch darauf, sich von der ihm zugeteilten Leibwache eskortieren zu lassen.
Er ging durch den Wald, den Kopf zu Boden gesenkt, um nur ja keinen Pilz zu übersehen, als er plötzlich Schritte hinter sich wahrnahm. Er wandte sich um und erblickte den für seine Grausamkeit und Unerbittlichkeit bekannten und gefürchteten Zauberer Gordon. Der Prinz wollte davonlaufen, doch der Zauberer packte ihn am Genick und hielt ihn zurück. Der Prinz weinte, schrie, flehte um Gnade, doch der Magier sagte bloß: „Wer einmal Gordons Weg kreuzt, ist verloren!“ Der Prinz bot ihm Gold an, Edelsteine, die schönste Jungfrau im Lande, jedoch er hatte keinen Erfolg.

Gordon erhob sich, den armen Prinzen an der Hand, in die Luft und flog viele Meilen weit zu einem Turm, welcher einsam und verlassen auf einer Lichtung an der dunkelsten Stelle des Waldes stand. Allein, der Turm hatte keine Türen, lediglich ein Fenster knapp unterhalb der Spitze, vergittert und angsteinflößend. Gordon schwebte durch die Mauer hindurch in einen kleinen Raum. Er warf den Prinzen auf den Boden und machte ihm deutlich, dass sein Leben an diesem Ort ein Ende finden würde.
Er warf dem Königskind einen Kürbis vor die Füße und sagte, dass dieser für die nächsten drei Tage vorhalten müsse. Er würde von nun an jeden dritten Tag kommen, um der armen Seele einen Kürbis und einen Eimer Wasser, für die Körperpflege und um den Durst zu löschen, zu bringen. Er entschwebte und ließ den jungen Mann zurück. Der Prinz versuchte, zu dem vergitterten Fenster zu gelangen, jedoch war dieses unerreichbar. Er schrie und weinte, doch niemand hörte ihn.

Ein Gewitter zog auf, es stürmte und hagelte, zumindest das Dach hielt dicht, der Prinz betete, doch wurde er nicht erhört. Er aß ein Stück vom Kürbis, trank wenige Schlucke Wasser und schlief auf dem Stroh, welches den Boden bedeckte, ein. Am nächsten Morgen wachte er schreiend auf im Glauben, einen Albtraum durchlitten zu haben, jedoch war es kein Traum. Er schrie sich die Seele aus dem Leib, er schlug gegen die Wand aus Stein, versuchte sie zu zerkratzen. Schließlich brach er blutend und weinend nieder.
Der Zauberer hielt Wort und brachte ihm wortlos jeden dritten Tag Speise und Trank. Es war ein sehr frugales kulinarisches Vergnügen, doch es hielt den Prinzen am Leben. Dieser hatte die Idee, die Schalen der Kürbisse zu trocknen und aufzuschichten, um so zum Fenster zu gelangen und Hilfe herbeizurufen. Nach vielen Monaten gelang ihm dies, und er klammerte sich an die Gitterstäbe und schrie sich die Seele aus dem Leib. Allein, es hörte ihn niemand.

Eines Tages, er schlug gerade mit seinem Kopf gegen die Wand, bis diese blutrot war, dachte er an das Geräusch, welches Metall verursacht, wenn es gegen Metall geschlagen wird. Er hatte dies oft gehört, beim Fechtunterricht, den er gemeinsam mit seiner Jugendliebe erhalten hatte. Beim Gedanken an diese und an die geringe Wahrscheinlichkeit, sie jemals wieder im Arm halten zu können, brach er erneut in Tränen aus. Aber er musste stark sein.

Er stieg auf den Haufen aus getrockneten Kürbisschalen und schlug mit seiner goldenen Krone, die der Zauberer Gordon ihm gelassen hatte, gegen die Gitterstäbe. Es war ein lautes, metallisches Geräusch, und durch die Höhe, in welcher das Fenster gelegen war, war es weithin zu hören. Er schlug von nun an jeden Tag viele Stunden mit der Krone gegen das Eisen, doch er erhielt niemals Antwort. Die Bauern auf den Feldern hielten in ihrer Arbeit inne, sobald dieses Geräusch ertönte, etwas Schöneres und Lieblicheres hatten sie noch nie zuvor gehört. Es war Musik in ihren Ohren, vorgetragen von Engelschören. Sie fragten sich, woher es wohl kam, doch sie hatten Angst, sich dem Wald zu nähern. So erfreuten sie sich viele Jahre an diesen Klängen, ohne sich bewusst zu sein, wessen Schicksal sie ihnen bescherte.

Eines Tages waren die Klänge nicht mehr zu hören. Sie ertönten niemals wieder. Der Prinz hatte aufgegeben, er hatte sich in sein Schicksal ergeben.

Michael Timoschek

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Die Angst vor dem Erfolg

Am zwölften September im Jahr der Venlafaxinunverträglichkeit kommt Robert nach einem langen Tag, den er alleine, er arbeitet in einem kleinen Büro, in welchem er vor dem Bildschirm eines Computers zu sitzen hat, denn er ist kollegenlos bei seiner Tätigkeit, die das Beantworten und das Abwickeln von Anfragen beinhaltet, präzise gesagt ist die Beantwortung respektive die Abwicklung von Anfragen der einzige Inhalt von Roberts Tätigkeit, die telefonisch, also die Anfragen, per Telefax oder via E-Mail an ihn gestellt werden, also an Robert, zugebracht hat, denn sein Kollege, Marcel Fleischbon, war ihm entzogen worden aufgrund von Sparmaßnahmen, welche die Etage der Chefs, die über allen und allem stehen, angeordnet hat, um an Mammon, also am Geld zu sparen, heim in sein Haus, welches am Rand der Stadt, in der Robert wohnt und wirkt, also werkt, präzise gesagt arbeitet, gelegen ist und welches außer ihm noch drei weiteren Menschen, also Roberts Ehefrau, sie heißt Marion und ist Cellistin in einem großen Orchester in der Stadt, in der sie beide leben, sowie seinen beiden Kindern, die er mit Marion gezeugt hat, denn Robert ist der Ansicht, dass Kinder das Beste sind, was ein Mensch der Welt schenken kann, sofern sie, die Kinder, zu guten Menschen erzogen werden, ihnen, also den Kindern, das Gute, was ihren Eltern innewohnt, vermittelt wird, Obdach gibt, ihnen also ein Dach über ihren Köpfen bietet, außerdem Wärme und Sicherheit, präzise gesagt Geborgenheit, und findet sein Abendmahl, gegrillten Fisch mit einer Beilage aus selbstgezogenem Spinat, auf dem Esstisch vor, der umringt wird von seiner Familie, also an dem Marion, Roberts Ehefrau, die er über alles liebt, sowie Anna und Ronja sitzen, die Kinder, präzise gesagt die Töchter, von Robert und Marion, die beide über alles lieben, und vice versa, noch warm, denn Robert kommt acht Minuten nach dem mit Marion vereinbarten Zeitpunkt nach Hause, und berichtet, während er den Fisch und die Beilage aus Spinat aus dem eigenen Garten hinter dem Haus zu sich nimmt, von den Vorkommnissen, die er in seiner Firma, präzise gesagt in der Firma, die ihn beschäftigt hält und ihn bezahlt, am heutigen Tag, und welche durchaus positiver, also förderlicher Natur waren und immer noch sind, denn Robert wird in der Hierarchie der Firma, die ihn beschäftigt hält und bezahlt, aufsteigen, er wird zum Leiter der Abteilung für das Design der neu zu entwickelnden Inkontinenz-Unterwäsche befördert werden, ein neuartiges Produkt, das die Firma, die ihn beschäftigt hält und ihn bezahlt, in ihren Katalog, also in ihr Angebot, das sie für ihre Kunden bereitstellt und bereithält, aufnehmen wird, denn diese Firma verdient sehr viel Geld, indem sie Gegenstände, um präzise zu sein Kleidungsstücke, herstellt, der letzte Verkaufsschlager dieser Firma waren atmungsaktive, dennoch geruchsundurchlässige und flüssigkeitsundurchlässige Schweißfußsocken, hergestellt nach einem von der, mittlerweile verstorbenen, Großtante des Besitzers der Firma entwickelten streng geheimen Verfahren, die den Schweiß der Schweißfüße der Verwender dieser Socken in olfaktorischer Hinsicht verschwinden, also, so kann man es sagen, verduften lassen, durch ihre, also die der Socken, Undurchlässigkeit bleibt der Schweiß in den Socken und durchdringt deren Gewebe nicht, was es den Menschen, die mit dem Problem des Schweißfußes ihr Leben führen müssen, erlaubt, ihre Schuhe abzustreifen, ohne befürchten zu müssen, den Mitmenschen in ihrer unmittelbaren, im Fall der schlimmsten Ausformung des Schweißfußes, des sogenannten Großen Zehenkäslers, in weitem Umkreis dieselbe unangenehme olfaktorische Erfahrung, in Verbindung mit verschämtem Halten der Nase in die dem Stinker entgegengesetzte Richtung, zu bereiten, die offen im Kühlschrank stehen gelassener Klosterkäse der Nase bereitet, in Ländern, in welchen Menschen sich mehrmals täglich ihrer Schuhe entledigen müssen, beispielsweise um den in diesen Ländern eingemahnten religiösen Verhaltensweisen, präzise gesagt um zu beten, zu entsprechen, erweist sich diese Art Socke immer noch als regelrechter Bestseller, und er, also Robert, soll die Gestaltung dieses neuartigen Produkts übernehmen, er geht davon aus, dass ihm diese Aufgabe übertragen wird, weil er ein überaus feinfühliger Mensch ist, der die heikle Aufgabe der Schöpfung dieses Kleidungsstücks, der Inkontinenz-Unterwäsche, mit der erforderlichen Sensibilität erfüllen wird, schließlich ist es essenziell wichtig bei Inkontinenz-Unterwäsche, auf die Dichtheit, sodass idealiter kein Tropfen Flüssigkeit aus ihr treten kann, darüber hinaus muss sie sich olfaktorisch gänzlich neutral verhalten, Augenmerk zu legen, und nachdem Männer in verschiedenen Ländern dieser Erde unterschiedlich lange Glieder vor sich her tragen, bei Frauen sieht die Sache weniger kompliziert aus, muss Robert unterschiedliche Modelle des neu zu entwickelnden Produkts entwerfen, um inkontinente Männer in allen Ländern dieser Erde, zumindest augenscheinlich, trocken zu halten und der Firma einen weiteren Verkaufsschlager zu bescheren und es soll sein Schaden nicht sein, hat sein Chef ihm versichert, denn wenn Robert die ihm gestellte Aufgabe mit der für diese heikle Sache, unterschiedliche Längenangaben von Gliedern von Männern aus verschiedenen Ländern zu erhalten, sein Chef ließ offen, ob Robert selbst wird Maß nehmen müssen oder ob guter Glaube ausreichen wird, Robert ist aufgrund seiner Sensibilität in der Lage zu erkennen, ob ein Mann ihn belügt, wenn die Sprache auf das Thema Gliedlänge kommt, erforderlichen Feinfühligkeit erledigt, wird Robert eine gewisse Beteiligung am Umsatz, den die Inkontinenz-Unterwäsche der Firma bescheren wird, erhalten, was Marion, Roberts Ehefrau, sehr freut, denn sie drängt seit geraumer Zeit auf den Ankauf eines Sportwagens, eines Cabriolets eines niedereuropäischen Herstellers, denn sie möchte ihre Freundinnen beeindrucken durch die Vorfahrt in einem solchen Cabriolet, noch dazu jetzt, wo Robert, ihr geliebter Ehemann, erfahren hat, dass er zur Prüfung antreten darf, dies ist die zweite Neuigkeit, die Robert seiner hocherfreuten Familie am Esstisch zur Kenntnis bringt, also dem zweiten, dem mündlichen Teil seiner, lange Jahre hinausgezögerten, Dissertation in der Studienrichtung Transzendentale Sensibilität, deren erster Teil, also der erste Teil der Prüfung, also die schriftliche Arbeit, Roberts Dissertationswerk, von einem Professor der Transzendentalen Sensibilität an Roberts Universität mit der Benotung Sehr Befriedigend versehen wurde und er, also Robert, auf dem besten Weg ist, die Doktorwürde zu erlangen, also ein Transzendentaler Sensibilist erster Kapazitätsklasse zu werden, und mit einem solchen Mann als Ehemann, findet Marion, und spricht dies auch aus, steht ihr ein Cabriolet zu, und als Robert einwilligt, freuen sich sämtliche Mitglieder der Familie, also Robert, Marion und ihre beiden gemeinsamen Töchter am Esstisch, an welchem Robert den Text seiner Dissertationsarbeit verfasst hat, doch im selben Augenblick beginnen Sorgen in Robert zu wachsen, es sind nicht Sorgen von der Art, beispielsweise finanzieller Natur, die ein Mensch empfindet, der von einem Augenblick auf den nächsten seine Arbeitsstelle verliert und nicht weiß, ob er im nächsten Monat in der Lage sein wird, anfallende Kosten zu decken, also Rechnungen zu begleichen und Nahrungsmittel zu erwerben, um selbst genug zu essen zu haben oder, in diesem Fall werden die Sorgen für gewöhnlich größer, seine Familie satt machen zu können, oder von der Natur, die ein Mensch empfindet, dem eine Diagnose zu Ohren gebracht oder vor Augen gehalten wird, die ihm bewusst macht, dass er an einer schweren Krankheit, die eine lange und risikoreiche Operation erforderlich macht, oder die überhaupt als unheilbar gilt und in kurzer Zeit, verbunden mit starken Schmerzen, unweigerlich zum Tod des erkrankten Menschen führen wird, eine Art Sorge, die sich steigert zur Angst vor dem, was passieren wird, Robert empfindet das stumpfe, das diffuse Gefühl der Unsicherheit, das des Nicht-Wissens, Nicht-greifen-Könnens der Dinge, die vor ihm liegen, die eintreten werden, geschuldet ist dies der Unsicherheit, welche die beiden positiven, seine eigene Zukunft und die seiner Familie in eine gute Richtung lenkenden Neuigkeiten des Tages in Robert keimen lassen, er ist erfreut über das Gute in den beiden Neuigkeiten, doch fühlt er im selben Augenblick, dass diese beiden Umstände, die Beförderung in der Firma, die ihn beschäftigt hält und bezahlt, sowie die Aussicht auf die baldige Erlangung der Doktorwürde, sein Leben, das Dasein, das er bis jetzt, bis zu diesem zwölften September im Jahr der Venlafaxinunverträglichkeit geführt hat, verändern, doch verbirgt Robert seine Sorgen vor seiner Familie, er möchte seine geliebte Ehefrau nicht mit seinen Sorgen belasten, ebenso-wenig die beiden geliebten gemeinsamen Töchter, mit Marion, seiner Ehefrau, pflegt er die Praxis des Miteinander-Redens nicht, er hat das, also das Reden mit Marion, trotz der Liebe, die zwischen ihm und ihr existiert, die so groß ist, dass ihr zwei Kinder entsprungen sind, nie gemacht, und er will in diesem Moment nicht damit beginnen, denn er fürchtet, von seiner Ehefrau nicht verstanden zu werden, er fürchtet sich davor, dass sie ihn nicht anhören wird und seine Sorgen, just an diesem Tag des Triumphs, dem Tag der beiden guten Neuigkeiten, als unbegründet abtun wird, und so schweigt Robert, trinkt eine Flasche Wein mit seiner Ehefrau, liebt sie dort, wo sie es am liebsten hat, auf dem Sofa im Wohnzimmer, ihre Töchter sind in ihren Betten und schlafen den unschuldigen Schlaf von Kindern, um sich nach dem Akt im Wohnzimmer gemeinsam mit Marion in das Ehebett zu legen, doch er findet, im Gegensatz zu Marion, die tief neben ihm schläft, keinen Schlaf, seine Sorgen wachsen und werden immer größer, das Nicht-Wissen, wie die neue Situation werden wird, wie sie sich anfühlen wird, wird Robert so unerträglich, dass er keine Sekunde länger im Bett an der Seite seiner geliebten Ehefrau zubringen kann, so steht er auf, gibt seiner Ehefrau einen Kuss auf die Stirn, präzise gesagt handelt es sich um den Hauch eines Kusses, er möchte sie nicht wecken, er haucht seinen beiden geliebten Töchtern zwei flüchtige Küsse zu, steigt, wie er gewandet ist, also in seinem Schlafanzug, in sein Auto und fährt, einer plötzlichen Eingebung folgend, zu einem Bahnhof außerhalb der Stadt, in der er mit seiner Familie lebt, und er macht sich nicht die Mühe, die Tür seine Autos zu schließen, auch dessen Scheinwerfer lässt er an, sie erleuchten gespenstisch die Umgebung, sie erleuchten die diffus im Nebel liegenden Geleise der Bahn, und Robert stellt sich auf sie, also auf die Geleise, wartet auf das Eintreffen des, gemäß dem Fahrplan der Bahn, nächsten Güterzugs, er sieht die Scheinwerfer der Lokomotive des Zugs auf sich zurasen, sie werden immer größer und heller und Robert steht auf den Geleisen und wartet.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: ärgstens |Inventarnummer: 17141




Die Eule und der Bussard

An einem Maitag saß die Eule auf dem starken Ast eines alten Baumes, ihrem liebsten Platz, um den Tag, der sich im dichten Wald keineswegs durch große Helligkeit erkennbar machte, zu verbringen und auf die Nacht zu warten, die Zeit, zu welcher Nachtgreifvögel aktiver sind als während des Tages, wo sie, wenn nicht schlafend, so doch dösend auf einem Ast sitzen, und um einen guten Platz zu haben für das Warten auf unter dem Baum vorbeilaufende Beutetiere, auf welche sie sich stürzen würde, lautlos, ohne dass die Mahlzeit durch von dem Vogel verursachte Geräusche gewarnt werden könnte, wie Flügelschlag oder gar Lautäußerungen, denn das Gefieder von Eulen und Käuzen ist so beschaffen, dass es kein Geräusch erzeugt.

Zur selben Zeit flog der Bussard gemächlich, mit langsamen Flügelschlägen durch das Waldstück, als tagaktiver Raubvogel war er auf der Jagd nach Beute, seine orangen Augen suchten den von Fichtennadeln bedeckten Boden nach solcher ab, gleichzeitig musste der Bussard achtgeben, sich nicht zu sehr auf seine Suche nach Nahrung zu konzentrieren, zu dicht war das Stück Wald bewachsen, durch das er flog, die Gefahr, sich an einem Ast zu verletzen oder im Flug gegen einen Baum zu prallen, war groß und die Folge eines durch Unachtsamkeit hervorgerufenen Unfalls wäre gewesen, dass der Bussard ernstlich verletzt oder gar flügellahm zu Boden fiele, wo er ein gefundenes Fressen für vorbeilaufende Raubtiere sein würde.

Der Bussard erspähte eine Maus, und als er sie im schnellen Flug verfolgte, prallte er gegen den Baum, auf dem die Eule saß. Benommen vom Aufprall stürzte der Bussard zu Boden, die Eule, nun hellwach, beäugte das Schauspiel mit Interesse und schwebte schließlich zu Boden, um sich dem Bussard vorsichtig zu nähern, fürchtend, dieser könnte entweder aufgrund seiner Benommenheit oder aus simplem Frust über sein Missgeschick aggressiv reagieren und sie attackieren. Diese Furcht erwies sich als unbegründet, vielmehr starrte der Bussard die große Eule ängstlich an, wohl fürchtend, von ihr getötet und aufgefressen zu werden, doch machte sie keine diesbezüglichen Anstalten, vielmehr hockte sie neben dem schwarzen Taggreifvogel und sah ihm interessiert aus ihren großen Augen in seine orangen Augen, krächzte halblaut auf eine den Bussard beruhigende Art und Weise und als seine Benommenheit verschwunden war, erkannte der Schwarze die Schönheit und Sanftmut, die die Eule ausstrahlte. Sie flog zurück auf ihren bevorzugten Ast und er, der sich die Flügel nicht verletzt hatte, folgte ihr.

Der Bussard und die Eule bildeten von nun eine Art Gemeinschaft von Tag und Nacht. Der schwarze Vogel, dem an der Jagd gelegen war, sie bereitete ihm Freude, schlug die doppelte Anzahl an Beutetieren, solange es Tag war, und wenn die Dämmerung hereinbrach, saßen sie auf dem Ast des Baumes, der ihre Bekanntschaft eingeleitet hatte, er liebte es, ihren Rufen zu lauschen, die ab und an von männlichen Vertretern der Gattung Strigiformes beantwortet wurden, doch als diese herangeflogen kamen und des schwarzen Taggreifvogels ansichtig wurden, der neben der vermeintlich paarungswilligen Eule auf dem Ast saß, flogen sie verstört und wohl auch mit dem Gefühl, zum Narren gehalten worden zu sein, keine einzige männliche Eule ließ sich ein zweites Mal blicken, davon.

Im Fall des Bussards verhielt es sich ähnlich, jedes Mal, wenn ein Bussardweibchen dem Bussard ihre Aufwartung machen wollte, und die Eule in dessen Nähe erblickte, stieß es gellende Schreie aus und ward nicht mehr gesehen.
Die Eule, die herausgefunden hatte, dass es unmöglich war, Nachwuchs mit dem Bussard zu haben, stellte die Nahrungssuche fast zur Gänze ein, nur ab und an brachte sie eine Maus oder ein Eichhörnchen, eine Krähe oder ein Rehkitz an den Horst, und verlegte sich an Mordes statt auf das nächtliche In-den-Schlaf-Singen ihres Gefährten, der tagsüber die Nahrung beschaffte und den Horst sauber hielt. Mit der Zeit begann auch der Bussard, einen Hang zu nächtlichen Aktivitäten zu entwickeln, welcher ihn den Horst verlassen ließ, sobald die Dämmerung hereinbrach und ihn oftmals erst spätnachts zurückkehren ließ. Es ergab sich einige Male, dass er in bemitleidenswertem Zustand wiederkehrte, was die Eule anfangs hinnahm, doch mit der Zeit wurde sie seines Verhaltens überdrüssig, und um herauszufinden, was er trieb, während er weg war, was die Ursache für sein zerzaustes Gefieder und seine fallweise abgebrochenen Federn war, folgte sie ihm eines Abends heimlich, was ihr ein Leichtes war mit ihrem kein Geräusch verursachenden Gefieder und ihren an das Sehen in der Dunkelheit angepassten und gewöhnten Augen, und was sie da sehen musste, verstörte sie.

Er flog zu einem vom gemeinsamen Horst ein gutes Stück entfernten Baum, auf welchem sich eine große Anzahl Raben niedergelassen hatte, um auf diesem die Nacht zu verbringen. Er suchte sich einen ausgewachsenen Raben aus, nicht viel kleiner als ein Bussard, und lieferte sich mit diesem einen mit Klauen und Schnäbeln geführten Kampf auf Leben und Tod. Der Bussard siegte, doch ließ er seinen im Kampf getöteten Kontrahenten einfach liegen, er fraß nicht von ihm, und flog zurück in Richtung des gemeinsamen Horstes. Als die Eule die nähere Umgebung des Schlafbaumes der Raben in Augenschein nahm, entdeckte sie etliche Kadaver von Raben auf dem Boden verstreut, offenbar alles Opfer ihres Gefährten. Auf dem Weg zurück zum Horst schlug die Eule einen Fuchs, der aufgrund seiner Jugend noch unerfahren, was die Gefahren des nächtlichen Waldes anlangt, und dementsprechend unvorsichtig war, um sich den Anschein zu geben, als wäre sie gerade von der Jagd zurückgekommen. Sie fraßen den Fuchs, der Bussard glättete mit dem Schnabel sein zerzaustes Federkleid und strahlte dabei eine Art Zufriedenheit aus, die die Eule ängstigte.

Der Bussard setzte seine nächtlichen Aktivitäten fort und die Eule konnte sich diese nicht so recht erklären, bis er einmal mit einer klaffenden Wunde auf seiner Brust in den Horst zurückkehrte. Da war ihr klar, aus welchem Grund er sich beinahe allabendlich mit den Raben einließ. Er musste seines Daseins überdrüssig geworden sein.
Diesen Umstand konnte und wollte die Eule weder ignorieren noch hinnehmen. Sie dachte daran, mitten in der Nacht zu dem Baum, auf dem die Raben schliefen, zu fliegen und die Stärksten von ihnen zu töten, um ihrem Gefährten die gefährliche Beschäftigung zu verunmöglichen, doch verwarf sie diesen Plan. Einige Male rückte sie dicht an ihren Gefährten heran, wenn dieser arg mitgenommen an den Horst kam, versuchte auf diese Art und Weise Nähe zwischen ihnen beiden herzustellen, doch nachdem dies keinen Erfolg einbrachte, verwies sie ihn des Horstes.

Ein weiteres Mal war er schlimm verwundet angeflogen gekommen, schon aus der Ferne hatte die Eule erkennen können, dass es ihn arg erwischt haben musste, denn sein Flug war ungleichmäßig, er taumelte in der Luft, und als er Anstalten machte, sich im Horst niederzulassen, verhinderte sie dies, indem sie ihre Flügel spreizte, sodass er nicht hätte landen können, ohne sie dabei mit seinen Krallen zu verletzen, was er keinesfalls wollte, ihn mit ihren großen Augen, die sie überdies weit aufgerissen hatte, anstarrte und ihn anfauchte, so furchteinflößend, dass er im Flug wendete und sich auf einem Ast niederließ, der aus einem Baum neben dem wuchs, auf dem sich der ehemals gemeinsam bewohnte Horst befand. Der Bussard saß auf dem Ast, sah die Eule an, die sich beinahe demonstrativ abwandte und verbrachte die Nacht dort sitzend.

In den Nächten, die auf seine Abweisung folgten, verzichtete er darauf, mit den Raben zu kämpfen, er ließ diese intelligenten Vögel in Ruhe auf ihrem Baum schlafen. Er kam oft an den Horst, ließ stets zwei Beutetiere, meist handelte es sich bei diesen um Mäuse, die er sorgfältig ausgeweidet und deren Fell er abgezogen hatte, in den Horst fallen und nahm wieder Platz auf seinem Ast des Nachbarbaumes. Die Eule nahm die Mäuse mit ihrem Schnabel auf, schleuderte sie aus dem Horst und wandte sich um, um den Bussard nicht sehen zu müssen. Nach vielen Versuchen, sie doch noch umzustimmen, verschwand der Bussard.

Nach einer Weile begann die Eule, nach ihm zu rufen, sie suchte in den Nächten die Umgebung nach ihm ab, doch konnte sie ihn nicht finden. Sie begann, die Sache als erledigt abzutun und lernte eine männliche Eule kennen. Bald jedoch war sie sich der Tatsache bewusst, dass diese männliche Eule dem schwarzen Bussard in mehrerlei Hinsicht unterlegen war. Zum einen hatte sie den Eindruck, dass der Bussard über ein größeres Denkvermögen verfügte, zum anderen hatte dieser Euler die Angewohnheit, zwar sich selbst mit Nahrung zu versorgen, ihr jedoch nichts von dieser abzugeben, außerdem war er, was die Reinhaltung des Horstes anlangte, ein wenig aktiver Vogel. Die Eule verwies ihn auf die selbe Art des Horstes, die sie im Fall des Bussards zur Anwendung gebracht hatte, noch bevor sich hätte Nachwuchs einfinden können.

Sie begann abermals den Bussard zu vermissen und suchte erneut nach ihm. In einer tiefen Schlucht wurde sie schließlich fündig. Von ihrem Bussard war nur noch das Gefieder übrig, verstreut auf dem Grund der Schlucht, zwischen den Federn fand sie Bruchstücke zerschmetterter Knochen. Die Eule konnte die Umstände seines Todes nicht erkennen, doch sie hatte da so eine Vermutung.

Michael Timoschek

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Ziehen

Ein Mann erwachte aus seinem Schlaf, er hatte von grünen Wiesen und lieblichen Seen, von lauschigen Lichtungen im Walde und von Vögeln geträumt, welche die Szenerie mit ihrem Gesang erfüllt hatten. Er wollte sich zur Seite drehen, so wie jeden Morgen, ein Ritual, das ihm das Aufstehen immer erleichtert hatte, doch er fühlte, dass er nicht auf dem gewohnt weichen Bett lag, sondern in einer Pfütze, modriger Geruch drang in seine Nase, ein beißender, übel riechender Dunst ließ seine Nase brennen und seine Augen tränen. Er fühlte einen stechenden Schmerz in seinem Rücken, genau an der Stelle, die hinter seinem Herzen lag. Mit den Händen versuchte er zu ertasten, ob irgendwo eine offene Wunde zu erfühlen sei, doch fand er keine, die Haut war an dieser Stelle zerschunden.
Er fragte sich, wo er aufgewacht sei, an welch dunklem Ort, und musste erkennen, dass er in einem tiefen Loch gefangen war. In seiner Verzweiflung begann er laut zu schreien, auf dass irgendjemand auf seine missliche Lage aufmerksam werden würde, doch nach wenigen Minuten schon war er heiser geworden und er stellte das Schreien ein, zumal er noch nicht einmal wusste, wo sich das Loch, in dem er gefangen war, überhaupt befand. Hungrig versuchte er, den Boden des Lochs abzutasten, ob irgendetwas Essbares zu finden sei, doch außer ein paar Regenwürmer fand er nichts, also nahm er mit diesen vorlieb.

Das Loch begann sich zu erhellen, die Sonne ließ ein klein wenig Licht auf den Boden fallen, schwach nur, aber doch genug, um schemenhafte Umrisse dieses Gefängnisses zu erkennen. Es war ein im Durchmesser nur wenige Quadratmeter großes Loch, der Boden war an einigen Stellen feucht, es tummelten sich Unken und Regenwürmer an diesen feuchten Stellen, eine kleine Pfütze stand in einer Ecke, und die Tiefe des Lochs schätzte er auf dreißig Meter. Nach kurzer Zeit zog die Sonne weiter, nahm ihr Licht mit sich und überließ ihn wieder der Dunkelheit.
Durstig und hungrig machte er sich über das Wasser der Pfütze her und scheute nicht davor zurück, eine Unke zu verzehren, nachdem er sie getötet und ihr mit bloßen Händen notdürftig die Haut abgezogen hatte, schließlich hatte er keine Wahl, konnte in dieser Situation keine Rücksicht auf die Gefahren für seine Gesundheit nehmen, die eine solche Nahrung mit sich bringen würde. Nach einigen Stunden schlief er erschöpft ein und träumte wieder von lieblichen Wiesen und Vögeln.

Als er erwachte, wagte er nicht, die Augen zu öffnen, zu groß war seine Angst, immer noch in diesem Loch gefangen zu sein. Er zwang sich doch dazu und stellte fest, dass sich an seiner Lage nichts geändert hatte. Wieder rief er laut um Hilfe, doch wieder blieben seine Rufe unbeantwortet. Er nahm ein paar Würmer zu sich, trank aus der Pfütze und zwang sich dazu, sein Gehirn zu beschäftigen, indem er ihm gleichsam befahl, einen Ausweg aus dieser Lage zu finden. Er versuchte, mit bloßen Händen die Wände zu erklimmen, das einzige Resultat waren jedoch abgerissene Fingernägel und blutige Fingerglieder. Er versuchte immer wieder, Anlauf zu nehmen und ein wenig höher Halt zu finden in dieser Wand, die ihn umgab, doch er glitt immer wieder ab und zerschnitt sich die Oberarme.
Zitternd und blutend saß er verzweifelt auf dem Boden seines  Gefängnisses, nachdenkend, was ihn wohl in diese Haft gebracht haben mochte. Keine Antwort darauf findend, nahm er sich vor, jeden Tag, den er hier unten verbringen sollte, eine Episode seines bisherigen Lebens sich in Erinnerung zu rufen und zu analysieren, sodass er in der Einsamkeit nicht verrückt werden würde.

Auf diese Weise verbrachte er etliche Tage, um doch nur zum Ergebnis zu gelangen, dass eine neuerliche Analyse ohnehin keinen Zweck hätte, denn das Erlebte war ihm durchaus in Erinnerung geblieben und egal von welcher Seite er es immer wieder analysieren mochte, es änderte nichts an seinen damaligen Eindrücken und Empfindungen. Der Vorrat an Unken, Regenwürmern und modrigem Pfützenwasser versiegte nicht, und so begann er, der gewöhnt war, nur einmal am Tag feste Nahrung zu sich zu nehmen, diese Lebewesen abwechselnd zu verspeisen. Mit der Dauer seines Verweilens in diesem Gefängnis wuchsen in ihm die Angst vor der Dauer seines Aufenthaltes hier unten, seine Einsamkeit und seine Verzweiflung. Er begann damit, Namen von Menschen zu rufen, die er gekannt hatte, bevor er an diesem dunklen Ort aufgewacht war, er rief sie laut, schrie sie richtiggehend aus sich heraus, er flüsterte sie, hoffend, sie würden auf irgendeine Weise Gehör finden, doch bedingt durch die Tiefe des Schachtes wurden sie zu stummen Schreien.
Tag um Tag, Woche um Woche verbrachte er auf diese Weise, verzweifelt und ungehört. In seiner Not und Einsamkeit hatte er sogar den Entschluss gefasst, sein Leiden zu beenden, indem er die Haut der Unken ebenfalls aß, doch erwies er sich als immun gegen das schwache Gift, welches darin enthalten war. Er fragte sich, wie lange seine Haft schon andauerte, doch gelangte er zu keiner Antwort. Er hatte die Hoffnung auf Rettung aufgegeben, als er eines Morgens erwachte und ein sonderbares Kribbeln auf seiner Nase wahrnahm. Er fasste sich an die Nase und fühlte ein Stück Draht in seiner Hand. Unschlüssig was er tun sollte, beschloss er zu warten, bis die Sonne sein Gefängnis wie jeden Tag für ein paar Minuten erhellen würde. Die Sonne kam und als er seinen Blick zum Himmel wandte, sah er einen Balken quer über den Schacht liegen.

Er beschloss, diese Chance wahrzunehmen und zog am Draht. Höchst euphorisch, bemerkte er die Schmerzen in seinen Händen nicht, welche ungeschützt am Metall zogen. Die ersten Meter des Ziehens fielen ihm leicht, nach ungefähr zwanzig Metern jedoch wurden die Schmerzen in seinen Händen unerträglich und ihm wurde schwarz vor Augen, er hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Er dachte nach; er hatte die Möglichkeit, loszulassen und viele Meter tief zu fallen, oder er konnte sich dafür entscheiden, weiterzumachen, unter Schmerzen diesem Loch zu entkommen. Er entschied sich für Letzteres und bald hatte er es geschafft, seine Arme um den Balken zu legen, nun konnte er durchatmen.
Er blickte um sich und musste erkennen, dass der Schacht in einer lieblichen Landschaft gelegen war, doch war er von mehreren Reihen Stacheldraht umgeben. Er schaffte es, sich am Balken hochzuziehen und setzte sich auf diesen. Vor ihm der Stacheldraht, unter ihm das Loch. Als sich seine Augen an das Sonnenlicht, welches er viele Monate bloß für wenige Minuten täglich wahrgenommen hatte, gewöhnt hatten, blickte er über den Rand des Stacheldrahtes und bemerkte, dass er bereits erwartet worden war. Etliche Bussarde saßen vor dem Draht. Sie sahen ihn mit gierigen Augen an, welche sich beinahe menschlich ausnahmen. Ihre Blicke schienen ihm, als wollten sie ihm mitteilen, er solle nur den Stacheldraht passieren, sie würden ihn schon zerfleischen.

Ängstlich ließ er seinen Blick von den Bussarden weg, hin zu den Wesen schweifen, die hinter den Bussarden hockten. Er erkannte zwei Werwölfe, die auf der Erde saßen, ihre grün leuchtenden Augen und ihre ihm durchaus bekannten Gesichtszüge schienen ihm sagen zu wollen, er würde als der Versager aufgefressen werden, als den sie ihn einschätzten. Er wollte den Bestien etwas zurufen, da ließ sich ein großer Schwarm Vögel auf dem Stacheldraht nieder. Nicht die Art von Vögeln, von der er immer geträumt hatte, es waren unscheinbare Raben männlichen Geschlechts sowie schön anzusehende Amazonen, die aus dem Regenwald zu kommen schienen, weiblichen Geschlechts. Diese Vögel blickten völlig unbeteiligt auf die Szenerie, so als wollten sie lediglich als interessierte Beobachter am Geschehen teilhaben. Die Werwölfe erhoben sich und er befürchtete, sie würden mit einem Satz über den Stacheldraht springen, um ihn zu töten, jedoch sah er, dass sie einem Einhorn Platz machten, welches zu ihnen gestoßen war.
Sie schienen sich gut zu verstehen und das Einhorn kam nahe an den Stacheldraht heran. Es war weiß, von wunderschönem Körperbau, jedoch hatte es schwarze Augen. Es neigte den Kopf, so als wollte es den Mann dazu bringen, das Horn näher zu betrachten. Er tat dies und entdeckte an dessen Spitze Hautfetzen. Er begriff, dass es diese schöne Tier mit den schwarzen Augen gewesen sein musste, das ihn in sein Loch gestoßen hatte. Er blickte dem Einhorn ins Antlitz und erstarrte vor Schreck. Es öffnete sein Maul und zum Vorschein kamen die Fangzähne eines Wolfes, geeignet, Beute zu ergreifen, festzuhalten und erst dann wieder freizulassen, wenn der Wolf es möchte. Das Einhorn hatte jedoch nicht bloß Fangzähne, die übrigen Zähne im Maul dieses Wesens waren merkwürdig dreieckig geformt und hatten Zacken an den Rändern, wie kleine Sägen. Er dachte sofort an die Zähne des Tigerhais, geeignet dazu, möglichst große Stücke aus seinem Opfer zu reißen.

Obwohl er Panik in sich hochsteigen fühlte, zwang er sich, Ruhe zu bewahren und die Situation zu analysieren. Er erkannte, dass er zwei Möglichkeiten hatte. Die eine war, sich durch den Stacheldraht zu kämpfen, um danach kriechend und verletzt von den Kreaturen zerrissen zu werden, die Reste vertilgt von den Bussarden und die anderen Vögel als Zaungäste. Die andere war, sich wieder in das Loch fallen zu lassen und nie mehr zurückzukommen. Er überlegte kurz, er zögerte, das Einhorn hatte sein Maul geschlossen und wälzte sich einladend auf seinem Rücken, so als ob es meinte, er solle doch zu dem Wesen kommen, welches ihn hinuntergestoßen hatte in sein Verlies, er würde es ohnehin nicht schaffen, und falls doch, dann verbraucht und zerschunden. Er fragte sich, ob er immer noch ein Märtyrer wäre, würde er dem weißen Fabeltier mit den Wolfszähnen Genugtuung geben, erkannte die Unwichtigkeit dieser Frage und sprang.

Michael Timoschek

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Der Gammlicher Achter

Mein Name ist Dr. Igor Kushkurow und ich bin Jäger. Präzise gesagt bin ich der Schwarzrussische Staatsgroßmeister für die Bejagung von Kreaturen des Bodens und der Luft. Ich kann von dieser Arbeit zwar nicht leben, wenigstens nicht gut, doch ist meine Familie reich. Dieser Umstand, der es mir, nebenbei erwähnt, erlaubt, meinen Passionen nachzugehen und meinen Gedanken nachzuhängen, rührt daher, dass mein Vater der Besitzer der größten Waffenfabrik meines Mutterlandes ist.

Der Hang zur Jagd ist meiner Familie immanent. Mein Großvater, Milorad Kushkurow, war der vermutlich größte Jäger, der die schwarzrussischen Böden und Lüfte von diese bevölkernden Kreaturen befreit hat. Er hatte die sogenannte Gänsefeder erfunden, einen langen Stab aus Bohrstahl, an dessen Spitze eine bruchfeste scharfe Feder aus Blecheisen befestigt war. Die Gänsefeder ist ein überaus geeignetes Instrument, um Wasservögel zur Strecke zu bringen. Man pirscht sich an diese Vögel, wie beispielsweise Schwarzrussische Wasserfischsichler oder Schwarzrussische Karpfenschnäbler, an, idealiter lautlos, und erlegt sie vermittels eines kräftigen und hoffentlich gezielten Vorwärtsstoßes.
Der Erfolg dieser Erfindung meines Ahnen war überwältigend. Die bis zu diesem Zeitpunkt gebräuchliche Finkenfeder geriet alsbald in Vergessenheit.

Nun, mein Großvater war dermaßen überzeugt von seiner Waffe, dass er den Fehler beging, der der erste sein sollte, den er je begangen hatte. Ich muss hinzufügen, dass dieser Fehler gleichzeitig sein letzter war. Großvater Milorad hatte nämlich versucht, ein adultes Exemplar des Schwarzrussischen Krausbartbären mit seiner Gänsefeder zu erlegen. Der Krausbartbär sieht vielleicht ungefährlich, beinahe kann er als komisch kreiert bezeichnet werden, aus, doch täuscht dieser Eindruck. Dieses, in beschneiten Regionen hausende, und auch marodierende, auf zwei Beinen schreitende Wesen meint es nämlich ernst. Seine drei Meter langen Arme sind mit sichelförmigen gezahnten Krallen bewehrt, und die Tatsache, dass mein Großvater eine bloß zwei Meter lange Gänsefeder auf den Brustkorb der Kreatur richtete, darf wohl als Hauptgrund für sein Ableben vor der Zeit angesehen werden. Mein Ahn hatte, wie man bei uns in Schwarzrussland zu sagen pflegt, das Unglück des langsamen Ausweichens gehabt.

Mein Vater, auch er heißt Milorad, litt so grässlich unter diesem Verlust, dass er sämtliche Gänsefedern, die sein Vater hinterlassen hatte, zum Staatlichen Altmetallplatz brachte und eine Fabrik für Schusswaffen gründete. Da sein Bruder Dmitri, also mein Onkel erster Ordnung, zu dieser Zeit das verantwortungsvolle Amt des Ministers für die Geldliche Gebarung Schwarzrusslands bekleidete, stellte die Finanzierung kein Problem dar. Vater Milorad gab seinen Produkten, also den Waffen, den Markennamen Gammlicher. Er hatte sich für diesen hochgermanischen Namen entschieden, denn seine Waffen sind in der Tat von allererster Güte, was ihre Verarbeitung und somit ihre Haltbarkeit betrifft, darüber hinaus entstammt meine Mutter dem sehr alten, aber leider verarmten, hochgermanischen Geschlecht der Gammler.

Das Spitzenprodukt der Waffenschmiede meines Vaters ist der sogenannte Große Gammlicher Achter. Hierbei handelt es sich um ein Gewehr mit, wie der Name vermuten lässt, acht Läufen. Ich darf sagen, dass ich für die Jagd ausschließlich einen Achter verwende. Die drei unteren nebeneinander liegenden Läufe sind für Schrotpatronen vorgesehen, die auf ihnen liegenden drei für Projektilpatronen, und die beiden obersten, ein Lauf ist auf dem linken Kugellauf platziert, der andere auf dem rechten, somit bleibt die Mitte des oberen Drittels frei, können je nach Belieben mit Steinen, Glasmurmeln oder auch Schreibgeräten beladen werden.
Der Große Gammlicher Achter hat jedoch den Nachteil, überaus gewichtsintensiv zu sein. Dieser Umstand macht einen Assistenten unerlässlich, in meinem Fall handelt es sich um Pavel Lickshit, er ist Großexperte für das Dasein im Rudel allgemein, welcher üblicherweise vor dem Schützen kniet, sein Rückgrat somit als Auflagefläche zur Verfügung stellt. Diese Haltung wird im Übrigen als Gammlicher Kauto bezeichnet. Für gewöhnlich nimmt das Rückgrat des Assistenten dabei keinen Schaden. Mit dieser Waffe ist es mir möglich, sämtliche schwarzrussische Kreaturen zu erlegen.

Nun, der Vizeminister für die Gesundheit der Schwarzrussischen Bevölkerung kontaktierte mich ebenso telefonisch wie in Harnisch. Er erregte sich über in letzter Zeit gehäuft auftretende jagdliche Unfälle mit letalem Ausgang. Die schwarzrussischen Jäger, so meinte er, wären nämlich nicht mehr in der Lage, die geeigneten Waffen gegen bestimmte Kreaturen einzusetzen, sodass diese Wesen die Jäger einfach töten würden. Jedenfalls bat er mich, mich dieses Problems anzunehmen und den Jägern zu erläutern, welche Waffe, oder Waffen, für welche gefährliche Kreatur geeignet sei. Bereitwillig versprach ich, mich um diese Angelegenheit zu kümmern.
Ich dachte mir, dass ein Lokalaugenschein bei den Jägern nur hilfreich sein könnte, also fuhr ich einfach in den nächstgelegenen Wald und beobachtete die dort agierenden Jäger. Was ich sehen musste, ich kann es nicht anders formulieren, war hoch grässlich.

Ein Jäger, der Mann war etwa vierzig Jahre alt, versuchte, einen Schwarzrussischen Bäreneber zu erlegen. Als ich erkannte, womit er dies bewerkstelligen wollte, gefror mir das Blut in den Adern: mit einer Gänsefeder. Ich rief dem Mann zu, dass er dies besser unterlassen sollte, doch wollte er wohl nicht auf mich hören. Die Sache ging so aus, dass der Bäreneber den Jäger auf eine Art und Weise zu Tode brachte, die bloß als infam bezeichnet werden kann. Da mein Assistent Pavel Lickshit zu diesem Zeitpunkt noch in seinem Rudel tätig war, konnte ich meinen Großen Gammlicher Achter nicht in Anschlag bringen, um der Kreatur die eben begangene Meuchelei heimzuzahlen.

Etwa einen Kilometer entfernt durfte ich miterleben, wie ein offensichtlich erfahrener Jäger, die Schnäbel und Zähne, die er auf einer schweren Kette um den Hals trug, bewiesen das, versuchte, eine Schwarzrussische Branddrossel zu erlegen. Er feuerte ununterbrochen auf den winzigen Vogel, und das aus einer großkalibrigen Büchse. Da ich keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben dieses Jägers erkennen konnte, unterließ ich es, ihn anzusprechen. Vielmehr ließ ich mich auf dem Boden nieder und beobachtete höchst amüsiert diese Szene. Der Mann verfeuerte alle Patronen, die er bei sich hatte, und warf danach seine Flinte wutentbrannt in die Richtung des Vogels, der, beinahe wie zum Hohn, unablässig zwitschernd über dem Haupt des Jägers kreiste. Das Gewehr verfehlte den Vogel, dafür landete es auf des Jägers Fuß, was dieser mit unzähligen unflätigen Flüchen quittierte. Die Branddrossel defäkierte noch auf den Kopf dieses Mannes, bevor sie davonflog. Schallend lachend lief ich zu meinem Geländewagen und stattete dem Vizeminister einen unangemeldeten Besuch ab.

Er empfing mich sogleich, und ich berichtete ihm von den Eindrücken, die ich gewonnen hatte. Wir sprachen über verschiedene Möglichkeiten, dieses Problems Herr zu werden, kamen jedoch zu keiner befriedigenden Lösung. Ich rief meinen Vater Milorad an und bat ihn, zu uns zu stoßen. Eine halbe Stunde später saß er bei uns am Konferenztisch und wurde von uns in die Problematik eingeführt.
Vater Milorad lauschte interessiert unseren Ausführungen und fand prompt eine Lösung. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Der Vizeminister bestellte den ihm nachgeordneten Minister für Jagdliches Verhalten in Schwarzrussland ein und befahl ihm, innerhalb der nächsten zwei Stunden die Weisung zu erteilen, dass Jäger künftig zu zweit ihrer Passion nachzugehen hätten, jedoch bloß eine einzige Schusswaffe mit sich führen dürften, nämlich einen Großen Gammlicher Achter. Der Minister lief aus dem Büro des Vizeministers, um diese Weisung so zeitnah wie möglich zu erteilen.
Mein Vater nahm seine goldene Armbanduhr ab, gab sie dem Vizeminister, der sie sogleich mit zufriedener Miene anlegte, dann küsste er mich auf die Wange, sagte, ich hätte das Richtige gemacht, nämlich ihn anzurufen, und verließ das Büro.

Mir wurde die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, sämtliche schwarzrussische Jäger in der ordnungsgemäßen Handhabung des Großen Gammlicher Achters zu unterweisen. Mit diesem Gewehr, das kann ich versichern, sitzt jeder Schuss.
Das Problem, welches ich als letztes zu lösen hatte, war die Frage, welcher von zwei Jägern, die gemeinsam auf die Pirsch gehen, nun derjenige zu sein hätte, der vor dem anderen niederknien müsste. Ich beschloss, dass es stets den Jüngeren treffen sollte, den Gammlicher Kauto zu vollziehen, und das so lange, bis er selbst einen jüngeren Jagdkameraden finden würde, denn es kann einfach nicht sein, dass ein älterer Mensch vor einem jüngeren kniet. Ich finde so etwas schlicht unästhetisch.
Somit habe ich ganz nebenbei eine neue, aber durchaus schöne schwarzrussische Tradition erschaffen.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: schräg & abgedreht |Inventarnummer: 17120




Ich bin peinlich rein

Ich bin achtundvierzig Jahre alt und Semiakademiker, was impliziert, dass ich mein Studium der Ausbreitungswissenschaften an der Staatlichen Schwarzrussischen Universität nicht zur Gänze, vielmehr zur Hälfte abgeschlossen habe, um präzise zu sein, ich lege nämlich Wert auf Präzision, studierte ich die Ausbreitung der Schwarzrussischen Blaufelleber, eine, wie ich fürwahr sagen darf, grässliche, weil überaus gefährliche Spezies, sowohl für Menschen als auch für Tiere, deren Gebiet, also das der Ausbreitung dieser grässlichen Bestien, sich stetig erweitert; während ich diese Zeilen zu Papier bringe, kann es gut sein, und ich bin mir beinahe sicher, dass es sich bezüglich der Ausbreitung so verhält, dass es größer wird.
Aus diesem Grund darf ich mich bloß D. Sascha Smirnovskaya nennen, und nicht Dr. Sascha Smirnovskaya, aber dies sei bloß nebenbei erwähnt.

Der Schwarzrussische Blaufelleber sieht aus wie ein gewöhnliches Wildschwein mit hellblauen Borsten, doch ist er weitaus gefährlicher, denn die ihm innewohnende naturgegebene, also prinzipielle, Angriffslust lässt das Tier in Harnisch geraten, sobald es anderer Lebewesen, also auch Menschen ansichtig wird (es gibt Erzählungen, allerdings stammen diese von in ruralen Gegenden domizilierten Menschen – aus diesem Grund halte ich sie für frei erfunden -, dass diese Tiere selbst beim Anblick von Blumen und jungen Bäumen in Harnisch geraten). Dann gebärdet sich der Schwarzrussische Blaufelleber in der Tat grässlich, dann meint er es ernst, todernst.

In achtzig Prozent der dokumentierten Fälle mit menschlichen Verlusten, also in welchen Menschen zu Tode kamen, konnte die Identität der Menschen lediglich vermittels DNA-Abgleich ermittelt werden, denn Schwarzrussische Blaufelleber pflegen ihre Opfer, aus der Sicht der Tiere dürfte es sich um Beute handeln, zur Gänze aufzufressen (bis auf das Gelenk des linken Fußes, welches ihnen, aus welchem Grund auch immer, geschmacklich nicht zusagen dürfte – aus diesem Grund ist ein DNA-Abgleich möglich. Üblicherweise wird bei getöteten Haus- oder Nutztieren auf einen DNA-Abgleich verzichtet.).

Wie gesagt studierte ich die Ausbreitung der Schwarzrussischen Blaufelleber hinsichtlich der Möglichkeiten der Verringerung der Gefahren für Menschen, Haus- und Nutztiere, jedoch sah ich mich gezwungen, mein Studium als Semistudium weiterzuführen und als solches zu Ende zu bringen, denn ich brachte es nicht fertig, die für die Erlangung der Doktorwürde unbedingt erforderlichen Beobachtungen und Versuche im Habitat der Schwarzrussischen Blaufelleber, also in der freien Natur zu machen und durchzuführen, denn jedes Mal, wenn ich eines solchen Tieres ansichtig wurde, geriet ICH in Harnisch. Mich ekelte und ekelt noch immer vor der Unreinheit der hellblauen Borsten dieser Bestien.
Ich bin nämlich peinlich rein!

Der Hang, oder besser Drang, oder noch besser, weil präzise, Zwang zur Reinheit ist mir immanent. Meine Großmutter hatte sich verschiedene Arten von Haustieren gehalten, die als klein gelten konnten. Kaninchen, Hühner, Tauben und Meerbachen (eine dem Meerschweinchen nah verwandte Art, welche sich in schwarzrussischen Kochtöpfen höchster Beliebtheit erfreut) – zur Verwendung in der Küche. Ich fand – und finde immer noch – diese Tiere grässlich, da sie mir als nicht rein erschienen und erscheinen. In ihren Käfigen lagen ihre Haare und Federn neben ihren Exkrementen auf dem Boden herum, und die Tiere mittendrin.
Ich nehme an, dass sich mein Zwang zur Reinheit beim Anblick dieser Tiere in ihren Käfigen ausgebildet hat. Ich wollte ja die von meiner Großmutter aus dem Fleisch dieser Tiere zubereiteten Speisen, die, das muss ich zugeben, köstlich ausgesehen und herrlich geduftet hatten, verzehren – allein, ich konnte es nicht. Der Gedanke an die Käfige ließ mich die Nahrungsaufnahme verweigern.

Fisch aß und esse ich immer gerne. Die weiße Farbe des Fleisches des Schwarzrussischen Wespensalmlers, nachdem dieser von seiner schwarz-gelb gestreiften und mit giftigen Stacheln bewehrten Haut befreit wurde, vermittelt mir das Gefühl, etwas Reines zu mir zu nehmen. Ich liebe das Fleisch dieses Fisches, jedoch ungewürzt und bloß in Wasser gekocht. Es ist nicht so, dass ich nicht versucht hätte, ihm mit Pfeffer und anderen Gewürzen zu ein wenig mehr Geschmack zu verhelfen, doch war das Fleisch des Fisches danach nicht mehr reinweiß. Die Pfefferstückchen nahmen sich wie winzige Verunreinigungen aus, die Teilchen der übrigen Gewürze ebenfalls. Ich musste den Fisch wegwerfen.

Es ist nicht so, dass ich mich bloß vom Fleisch des Schwarzrussischen Wespensalmlers ernähre. Ich habe nichts gegen Fleisch einzuwenden. Ich esse gerne ein saftiges Steak, welches ich scharf anbrate, jedoch nicht in Öl, sondern in einer geringen Menge Wasser. Öl würde unter Umständen Rückstände auf dem Fleisch belassen, die farblich unmöglich zu seinem Grundton passen können, also brate ich meine Steaks stets in Wasser an.
Wasser halte ich ohnehin für das wertvollste, weil die Reinheit am wenigsten beeinträchtigende Element in der Küche. Ich koche, gare, frittiere und brate stets mit Wasser, jedoch bloß eine Zutat auf einmal, um die Reinheit nicht zu gefährden.
Verlangt mich beispielsweise nach Steak mit gekochten Fisolen, so brate ich das Fleisch in Wasser an, verzehre es – natürlich ungewürzt -, hernach koche und verzehre ich die Fisolen; dies, um die Reinheit auf dem Teller nicht zu gefährden.

Ich möchte nun nicht den Eindruck erwecken, ich wäre verrückt, gemeingefährlich oder gar pedantisch. Das bin ich nämlich – natürlich – nicht!
Es ist nicht so, dass ich stets blütenreinweiß gewandet durch die Gegend laufe. Ich besitze Kleidung in verschiedenen Farben wie Weiß, Reinweiß, Blütenweiß, aber auch Schwarz, Dunkel- und Hellblau sowie – hierbei handelt es sich um ein Geschenk meines Verwandten Wladimir Suffkopp; er ist Vizesekretär des schwarzrussischen Vizeministers für Fragen der Schwarzrussischen Kleiderordnung – Rosarot.
Wie Sie sich sicherlich vorstellen können (oder denken werden), stehe ich bezüglich Kleidungsstücken in der jeweiligen angeführten Farbe in Vollausstattung, von der Badehose bis zum Skianzug. Ich trage stets Kleidungsstücke von derselben Farbe, denn ich möchte die Reinheit meines Erscheinungsbildes hinsichtlich Farbe nicht durch die Hereinnahme eines anderen Farbtons trüben oder gar vernichten. Besonders grässlich ist es, also besonders großen Graus bereitet es mir, wenn ich, beim Essen beispielsweise, kleckere oder gar fremdbekleckert werde.

Über diese besondere Grässlichkeit habe ich vor etwa zwei Jahren mit meinem Großvetter Dr. Igor Kushkurow, er ist das Genie in meiner Familie, gesprochen. Großvetter Igor forscht zurzeit an der Staatlichen Schwarzrussischen Universität zur Frage (der Studienauftrag ist in diesem Fall als Frage formuliert) “Sinn oder Unsinn? – Die Balzrituale männlicher Schwarzrussischer Zwergkopflemminge und ihre Intention, die ohnehin stets zur geschlechtlichen Vereinigung freudig bereiten weiblichen Genossen dieser Art zur geschlechtlichen Vereinigung zu bewegen.” Großvetter Igor erklärte mir, dass die Anzahl der weiblichen Schwarzrussischen Zwergkopflemminge, die im Laufe ihres Lebens unumkehrbare geschlechtliche Neigungen zu den weiblichen (sic!) Genossen ihrer Art entwickeln, bei mittlerweile neunundachtzig Prozent liegt. Er hat mir das Ergebnis seiner Forschungstätigkeit mitgeteilt, obwohl diese Studio offiziell erst in drei Jahren abgeschlossen sein wird (dem gemächlich tröpfelnden Geldhahn des schwarzrussischen Ministeriums für militärische, polizeiliche und universitäre Angelegenheiten würde Dank gebühren, meinte Dr. Kushkurow bitter): ie weiblichen Schwarzrussischen Zwergkopflemminge entwickeln gleichgeschlechtliche Tendenzen, da sich die männlichen Genossen ihrer Art für gewöhnlich den Großteil ihrer Lebenszeit (fünfundneunzig Prozent der Zeit!) auf der Balz befinden und somit naturgemäß bei Weitem zu wenig Energie haben, sich im dem Fall, dass sie zum Zug kommen, auf eine Art und Weise zu gerieren, die männlichen Genossen ihrer Art nun einmal gut anstünde (Großvetter Igor sprach von ‘libidinös-phallischer Dysfunktion’ – ich weiß nicht, was er damit meinte).

Ich sprach also vor gut zwei Jahren mit Großvetter Igor über die Grässlichkeit eigen- oder – noch schlimmer, da aufgezwungen! – fremdbekleckerter Kleidung. Da mein Großvetter mich gut kennt, wusste er, wie wichtig mir eine Lösung dieses schwerwiegenden Problems war (die erste Variante zur Lösung, die er mir vorschlug, nämlich das bekleckerte Kleidungsstück in die Waschmaschine zu legen und diese in Gang zu setzen, war selbstverständlich von mir abgelehnt worden. Was, wenn an der Stelle des Flecks eine ausgewaschen erscheinende Textilstelle sichtbar würde, also von Rosarot zu ausgewaschenem Hellrosarot zum Beispiel? – Nein! Ein noch viel größerer Graus!), nahm er sich gerne zwei Wochen Zeit, um sich einen Überblick über die Gesamtsituation zu verschaffen. Danke, Igor! Und Nastrovje!
Er teilte mir mit, dass in meinem Fall (er sprach von supranasal und auch irgendwas von Subillumination – ich weiß nicht, was er meinte) wohl der Einsatz der sogenannten ‘Fleckenschere’ die beste Lösung wäre. Seit diesem Tag trage ich eine Fleckenschere mit mir; mit ihr schneide ich Flecken einfach aus meiner Kleidung heraus. So bleibt mein farbliches Erscheinungsbild stets rein.

Sie werden jetzt denken, dass ich mit Löchern in meiner Kleidung, die meine nackte Haut, die naturgemäß weder rosafarben noch schwarz ist, zum Vorschein bringen, durch die Straßen laufe – weit gefehlt! Es ist vielmehr so, dass ich stets mehrere Schichten an Kleidung übereinander trage. Wird beispielsweise meine Hose bekleckert und schneide ich den Fleck dann aus ihr heraus, so ist keine Veränderung in meinem farblichen Erscheinungsbild feststellbar, denn unter meiner Hose trage ich stets eine lange Unterhose. Durch das Tragen mehrerer Schichten übereinander bin ich also stets auf der sicheren Seite.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: schräg & abgedreht |Inventarnummer: 17119




Wohnzimmer

Heute Morgen erwachte ich auf der Bank in meinem Wohnzimmer.
Sie ist mit braunem Leder überzogen und bietet einigen Menschen Platz. Eigentlich bietet sie recht vielen Menschen Platz.

Ich verfüge über drei Tische vor meiner Bank. Zwei von ihnen sind rund, einer rechteckig und alle haben sie steinerne Tischplatten. Die beiden runden sind so dimensioniert, dass man bequem an ihnen essen kann, selbst mehrere Personen finden ausreichend Platz dafür.
Der rechteckige Tisch ist als Esstisch für eine Person gut geeignet, zwei dagegen finden nur unter Aufbietung bester Tischmanieren und großer Toleranz den anderen gegenüber in ihm einen geeigneten Esstisch.
Den beiden runden Tischen ist jeweils ein hölzerner Stuhl ohne Armauflagen vorangestellt, dem rechteckigen deren zwei. Auf jedem Tisch befindet sich ein Aschenbecher ohne Aufdruck, beispielsweise eines Firmennamens, und über jedem Tisch hängt eine runde Lampe alten Stils, die von einer Fünfzehn-Watt-Birne illuminiert wird.

Die Lampen sind mit schwenkbaren Auslegern an der Wand befestigt. Das Wohnzimmer verfügt über fünf Fenster. Diese sind vertikal zu öffnen, also Schiebefenster. Zu beiden Seiten jedes Fensters befindet sich ein zylinderförmiges Gewicht, das erlaubt, die Fenster millimetergenau so weit zu öffnen, wie es gerade erforderlich ist. Die Fensterrahmen bestehen aus Mahagoni, so wie der Rahmen einer der drei Türen des Wohnzimmers. Die beiden anderen Türen sind aus Glas gefertigt.

Der Boden aus Stein ist von unten beheizbar, die Wände und ein Teil der Decke sind leicht ockergelb. Der andere Teil der Decke ist von dunkel weinroter Farbe. Drei der vier Wände tragen Spiegel mit runden Lampen, welche in die oberen Leisten der hölzernen Spiegelrahmen eingelassen sind. In einer Ecke des Raumes ist ein Fernsehgerät angebracht, und zwei Stumme Diener befinden sich ebenfalls im Wohnzimmer.

In der Mitte, also im Zentrum des Wohnzimmers, steht eine Bar. Die Form dieser Bar greift die der Kolonnaden des Petersdoms in Rom auf, natürlich maßstäblich verkleinert.
Die Höhe der Bar ist so bemessen, dass bequem an ihr gestanden, gesessen, sowie auf ihr gegessen und geschlafen werden kann. Sie verfügt über einen Umlauf aus Messing, der sowohl im Sitzen als auch im Stehen eine angenehme Auflage für einen Fuß oder beide Füße bietet, sowie über vier Barstühle. Die Bar wird von einer zu tief hängenden roten Lampe erleuchtet, die auch in ein Boudoir  passen würde. Die Bar ist mit Flaschen sowie Gläsern verschiedener Art beräumt, eine Kaffeemaschine und eine Zapfanlage für Bier und Sodawasser fehlen ebenso wenig wie eine Musikanlage und ein Gläserspülgerät.

Ich habe mich für ein Wohnzimmer mit Bar entschieden, da ich so stets mit Getränken versorgt bin. Ich pflege nämlich meiner Arbeit im Wohnzimmer nachzugehen.
In diesem erwachte ich heute und war eingesperrt, denn die Türe nach draußen war verschlossen und ich ohne Schlüssel. Ich sah aus den Fenstern und etliche Menschen auf der Straße. Ich fühlte mich nicht weggesperrt, eher frei. Und glücklich, sehr glücklich sogar.
Ich nahm eine kleine Flasche Weichselsaft aus einer der Kühlladen der Bar, zündete mir eine Zigarette an und schaltete das Fernsehgerät ein, um zu erfahren, was sich im Laufe der Nacht auf der Welt zugetragen hatte. Abgesehen von gewöhnlichen Vorgängen wie Morden, Vergewaltigungen und Kriegen hatte sich nichts ereignet. Ich selbst hatte keine mich persönlich betreffenden Neuigkeiten zu gewärtigen, hatte keine Kurznachrichten erhalten und auch keine Anrufe nicht beantwortet.

Ich schlenderte im Wohnzimmer umher, rauchte und beobachtete einen Pennbruder, der die Straße nach Münzen abzusuchen schien. Anzunehmenderweise um diese leichter zu entdecken, bewegte er sich auf allen Vieren. Ich brühte mir einen Kaffee und verrichtete meine Notdurft. Nachdem ich vom Abort zurückgekehrt war, lehnte ich an der Bar in meinem Wohnzimmer und beobachtete Straßenszenen durch die Fenster.
Alte Frauen schleppten schwer an ihren Einkaufstaschen, ein Polizist drohte einem Afrikaner mit erhobener Hand offensichtlich Maulschellen an und ein junger Mann verfolgte eine ebenso junge Frau. Nachdem er sie eingeholt hatte, packte er sie am Oberarm und verabreichte ihr zwei offenkundig kraftvolle Ohrfeigen. Die junge Frau flehte ihn erkennbar an, kein weiteres Mal zuzuschlagen, doch ihr Begleiter hatte, wie ich bemerkte, keine große Lust, ihrer Bitte nachzukommen. Kein guter Start für die junge Frau in einen Julitag, der sonnig zu werden versprach.

Ich gähnte und überlegte, mich wieder auf die Bank im Wohnzimmer zu legen und noch einige Minuten zu dösen, als dessen Türe aufgesperrt und geöffnet wurde. Eine Frau mittleren Alters betrat das Wohnzimmer und forderte mich nonverbal, dafür mit bösem Blick auf, dieses auf der Stelle zu verlassen. Ihrer Kleidung konnte ich ansehen, dass sie mein Wohnzimmer zu reinigen gedachte. Widerwillig kam ich ihrer Aufforderung nach und wankte auf die Straße.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: süffig |Inventarnummer: 17118




Provokation

1

Am Anfang war es ein Streit, nicht einmal ein Kampf, geschweige denn ein Krieg. Begonnen hatte die Sache, die sich zwischen Anna und Martin zu einem vernichtenden Krieg auswachsen sollte, als beide dreiundzwanzig Jahre alt waren.
Sie hatten einander vier Jahre zuvor kennengelernt, auf einem Fest auf dem Campus der Universität, an der sie studierten. Anna hatte damals gerade ihr Psychologiestudium begonnen, Martin mit Betriebswirtschaft. Es war eines dieser Feste, die sich dadurch auszeichneten, dass die Lampions tief hingen und die Gläser in die Höhe gehoben wurden. Dieses spezielle Fest fand in einer Vollmondnacht statt. Die Gläser reichten zwar nicht ganz bis an die Lampions heran, doch der Mond und die allgemeine Berauschung hatten zur Folge, dass nur die Allerhässlichsten alleine nach Hause gehen mussten.

Martin hatte Anna angesprochen und sie keck gefragt, ob sie am nächsten Morgen alleine aufwachen wollte.
Sie hatte nur wenige Sekunden um zu entscheiden, welche von zwei Möglichkeiten sie wählen sollte: eine Ohrfeige oder ein Tanz, verbunden mit einem Kuss und einer gemeinsam verbrachten Nacht.
Am nächsten Morgen führten sie ein langes Gespräch über ihre beruflichen und privaten Ziele und kamen überein, es miteinander zu versuchen.

Vier Jahre lang ging das gut, sie kamen auf der Universität gut voran, und auch privat schien alles nach Plan zu laufen. Sie nahmen einander als gegeben, als selbstverständlich wahr.
Eines Tages jedoch brach das Eis, welches das Schweigen über kleine Unzulänglichkeiten des Partners gewesen war, explosionsartig auf. Eine achtlos in die Ecke des Schlafzimmers geworfene Socke Martins war der Zündfunke.
Anna nahm die Socke zum Anlass, ihn mit harschen Worten auf seine sämtlichen Versäumnisse im Haushalt aufmerksam zu machen, derer er sich ihrer Ansicht nach schuldig gemacht hatte.
Martin war erst verdutzt, dann gekränkt, und schließlich verärgert. Er wies sie in ebenso scharfen Worten auf ihre Unzulänglichkeiten hin und auch dafür zurecht.
Zwei Tage lang sprachen sie bloß das Nötigste miteinander, dann setzten sie sich zusammen und sprachen sich aus.
Friede war wieder eingekehrt, doch in jedem von ihnen blieb etwas von diesem Zerwürfnis zurück. In Anna war es der unterschwellig weiterbohrende Ärger über seine Unordentlichkeit, und in Martin blieb der Stachel der Verletzung zurück, so plötzlich und seiner Meinung nach grundlos angeherrscht worden zu sein.

2

Claudia, die Tochter von Anna und Martin, war fünf Jahre alt, als sie sich an der Klinge eines Küchenmessers in den Daumen schnitt. Ihr Vater war an diesem Abend für sie verantwortlich, denn Anna war mit Freundinnen ausgegangen, um auf ihren zwei Wochen zurückliegenden dreiunddreißigsten Geburtstag anzustoßen.
Er desinfizierte die Wunde und wickelte Gaze um sie, sodass sie zuverlässig vor Schmutz geschützt war.
Gegen zweiundzwanzig Uhr kam Anna in angeheitertem Zustand nach Hause. Sie schlich ins Kinderzimmer, um ihrer Tochter einen Kuss zu geben. Unglücklicherweise stieß sie mit dem Fuß an einen Sessel und Claudia erwachte. Stolz zeigte sie ihrer Mutter den eingebundenen Daumen. Anna fragte wie das geschehen wäre, und Claudia teilte ihr mit, dass Martin sie mit dem Messer hatte hantieren lassen.
Die Ohrfeige, die Martin aus dem Schlaf riss, war erst der Anfang.

Anna schlug auf ihn ein und warf ihm vor, das Leben ihrer Tochter vorsätzlich zu gefährden. Martin wehrte sich nicht mit Körperkraft, und nachdem seine Frau aufgehört hatte, ihn zu schlagen, fuhr er sie an. Was sie sich denn einbildete, ihm so etwas zu unterstellen, brüllte er. Kinder würden sich nun einmal von Zeit zu Zeit verletzen, das gehörte zum Aufwachsen.
Der Streit zog sich über eine volle Woche hin, erst dann konnten Anna und Martin wieder eine vernünftige Gesprächsbasis finden.
Ihr Eheleben jedoch hatte erheblichen Schaden genommen.

Martin war vom Gewaltausbruch seiner Frau dermaßen eingeschüchtert, dass er sich ihr kaum körperlich zu nähern wagte. Anna wollte dies auch gar nicht. Sie blockte seine Annäherungsversuche ab und machte es sich zur Angewohnheit, im Wohnzimmer auf dem Sofa zu schlafen. Jedes Mal, wenn Martin sie flehentlich bat, die Dinge doch wieder so werden zu lassen wie sie einst gewesen waren, lächelte sie bloß milde und schüttelte den Kopf.
Eines Abends sprach Martin das Thema Trennung an, da rastete Anna erneut aus. Niemals würde sie sich von ihm trennen, rief sie. Er wäre ein Teil ihres Lebens, einmal gebrauchte sie sogar das Wort Besitz, und sie würde ihn eher töten, als ihn ziehen zu lassen.
Martin war schockiert. Er fragte sie, ob sie das ernst meinte, und als sie bejahte, hatte er zum ersten Mal wirklich Angst vor ihr.
Claudias Wunde verheilte so gut, dass nach zwei Wochen keine Narbe mehr zu sehen war.

3

Im Alter von achtzehn Jahren schloss Claudia das Gymnasium mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Anna und Martin lebten danach alleine in ihrer Wohnung, denn ihre Tochter hatte sich für ein Studium in Amerika entschieden. Am Tag nach Claudias Abreise begannen die Dinge aus dem Ruder zu laufen.
Waren Anna und Martin durch die Anwesenheit ihres Kindes noch gezwungen gewesen, wenigstens ein wenig Anstand im Umgang miteinander zu wahren, so konnten sie nun, da sie zu zweit waren, ihren aufgestauten Gefühlen freien Lauf lassen.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit stichelte sie gegen ihn. Diese Sticheleien waren oft durchsetzt von Suggestivfragen und versteckten Anspielungen – als Psychologin kamen ihr diese leicht über die Lippen.

Martin fand keinen probaten Weg, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Als Betriebswirt war er es gewöhnt, die Dinge nüchtern zu analysieren und sachlich zu diskutieren. Jedes Mal, wenn er ansetzte, genau dies zu tun, hörte sie ihm mit einer Miene zu, in der aufgesetzte Geduld lag. Dadurch vermittelte sie ihm das Gefühl, ein lästiger Patient in einer Therapiestunde zu sein, ein hoffnungsloser Fall, den sie bloß aufgrund ihres Langmutes anhörte – oder weil sie gerade nichts Besseres zu tun hatte.
Er kam sich so vor, wie sie ihn behandelte – wie ein Tölpel. Tatsachen, welche erwachsene, intelligente Menschen in wenigen Minuten besprochen gehabt hätten, breitete sie wortreich vor ihm aus, wie vor einem uneinsichtigen Kind, und stets endeten ihre Ausführungen mit der Phrase, dass er das eben Gehörte doch verstehen müsste.

Damit versuchte sie ihn zur Weißglut zu treiben, und Martin wusste das. Er fragte sich oft, was ihre Beweggründe dafür sein mochten, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen.
Er fragte auch Anna einige Male, was sie mit ihren Provokationen bezweckte, doch antwortete sie stets mit triumphierenden Blicken, Worte kamen nicht aus ihrem Mund. Eines Tages, nachdem sie ihm wieder einmal gesagt hatte, dass er ihre Sichtweise doch verstehen müsste und er bloß stumm dagesessen und sie angestarrt hatte, schlug sie ihm ins Gesicht. Er nahm die Ohrfeige stoisch zur Kenntnis, wie er es immer machte, doch etwas in ihrem Blick irritierte ihn. Hatte sie bislang bei solchen Gelegenheiten wütend dreingeblickt, so tat sie dies nun auffordernd, als würde sie seine Reaktion erwarten. Martin indes reagierte nicht.

4

Acht Jahre später sollte sich das ändern.
Sie hatten ihre Wohnung in Zonen aufgeteilt und diese mit Klebeband kenntlich gemacht. Die Sanitärräume und die Küche waren, ebenso wie die Diele, beiden erlaubtes Gebiet, das Wohnzimmer hingegen war streng aufgeteilt. Dies hatte ganze drei Tage Bestand.
Claudia hatte sich überraschend angesagt, ihr Ehemann und ihr Baby kamen auch mit.
Anna und Martin entfernten die Klebebänder und mussten, als sie sich dabei in die Augen sahen, unwillkürlich lachen.
Claudia blieb eine Woche und danach ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Anna und Martin arbeiteten am Tage, und an den Abenden stritten sie.
Anna schlug Martin noch einige Male ins Gesicht, und eines Tages kam er der Aufforderung in ihrem Blick nach. Er schlug zurück. Es war keine allzu feste Ohrfeige, die er ihr verabreichte, doch reichte sie aus, um Anna zu der mit Zufriedenheit geäußerten Feststellung zu bewegen, dass er nach so vielen Jahren endlich aus sich herausgegangen wäre.
Doch es waren zu viele Jahre gewesen. Martin konnte an diesem Abend nicht mehr aufhören, sie zu schlagen.

Michael Timoschek

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Das Feuer oder die Kerze

Eine Kerze kannst du natürlich ausblasen.

Ja, das kann ich. Und genau das habe ich auch vor zu tun.

Aber du wirst, du kannst es nicht fertigbringen, ein Feuer auszublasen.

Ist das nicht dasselbe?

Nein, das ist nicht dasselbe. Überhaupt nicht!

Ich sehe das anders.

Dann erkläre mir bitte, wie du die Sache siehst.

Ich sehe sie folgendermaßen: Wenn eine Kerze erlischt, wenn sie ausgeblasen wird, ist alles, was in dieser Kerze war, weg, fortgeblasen.

Und was ist das, ›alles‹?

Na, ihr Licht, das sie abgibt, ihr Schein, der das erleuchtet, was sich in ihrem Umkreis, in ihrem Lichtfeld befindet, ist weg. Einfach weg, verschwunden. Und die Wärme, die sie abstrahlt, die ist natürlich auch weg.

Und was ist dann noch übrig?

Rauch, der sich bald verzieht. Dunkelheit. Und natürlich Kälte.

Du hast etwas vergessen.

Was?

Den Stumpen der Kerze. Der ist auch noch da.

Ja, ein Fragment. Erkaltet, verrußt und oftmals unförmig, wenigstens an der oberen Seite, dort, wo die Hitze der Flamme das Wachs verformt hat. Wo sie den ursprünglich glatten Rand weggeschmolzen hat.

Unförmig – ein gutes Wort. Wie ein lebloses Lebewesen.

Du sagst es.

Und? Ist sie ein erstrebenswerter Zustand, die Unförmigkeit?

Dieser Zustand lässt sich letzten Endes nicht vermeiden. Am Ende, wenn alles vorbei ist, ist doch jeder und alles unförmig. Das geht gar nicht anders.

Das ist richtig. Jedoch sollte diese Unförmigkeit erst dann eintreten, nachdem alles auf natürliche Art und Weise geendet hat.

Oftmals ist es aber so, dass sie viel früher eintritt.

Ja, durch Abnützung, Materialermüdung, mutwillige Zerstörung, Krankheit und andere Umstände.

Eintreten wird dieser Zustand dennoch unweigerlich.

Bei Menschen darf er aber nicht vor der Zeit eintreten!

Ist es nicht jedem Menschen von Geburt an freigestellt, den Zeitpunkt des Eintretens dieses Zustands selbst festzulegen?

Du meinst, sich auszusuchen, wann genau er einzutreten hat?

Ja.

Aber was soll es bringen, diesen Zustand selbst herbeizuführen?

Sehr viel. Freiheit, das Ende einer Krankheit, ein Zeichen des Protests setzen.

Protest? Wogegen denn?

Gegen Umstände, die ein einzelnes Individuum nicht ändern kann.

Und wenn die Kerze dieses Menschen erloschen ist? Ändern sich dann die Umstände oder Zustände, gegen die er protestiert hat?

Natürlich!

Nein! Das ist einfach falsch! Diese Person hat dann zwar mit den Umständen nichts mehr zu schaffen, muss nicht mehr unter ihnen leiden, doch sind sie weiterhin vorhanden. Bloß diese eine Person kann sie nicht mehr wahrnehmen.

Das ist doch schon was!

Aber für alle anderen Menschen ändern sie sich doch nicht dadurch, dass einer von ihnen sein Licht zum Verlöschen gebracht hat!

Das stimmt, doch dieser eine Mensch hat dann seine Ruhe.

Aber das Feuer brennt weiter. Das ganz große, alles verschlingende Feuer, es wird nicht, es kann nicht ausgehen, bloß weil das Feuer einer Kerze verloschen ist. Was ist denn mit den Menschen, die sich anzünden, sich also selbst zu Kerzen machen?

Die haben dann ihren Frieden.

Aber ändert das etwas an den Zuständen, derentwegen sie sich verbrennen?

Nein, nicht wirklich.

Eben. Also, ich frage dich direkt heraus: Glaubst du wirklich, dass du das Feuer der Oberflächlichkeit und der Ignoranz zum Ausgehen bringen kannst, oder wirst, indem du deine eigene Kerze ausbläst?

Nein, ich weiß, dass ich das nicht kann.

Warum hast du dann vor, dein Licht auszublasen?

Um meine Ruhe und meinen Frieden zu haben. Und natürlich um ein Zeichen zu setzen.

Ein Zeichen? Wogegen?

Gegen die Oberflächlichkeit und die Ignoranz natürlich.

Aber die wird es nach dir weiterhin geben, sie werden weiterexistieren. Die Tat des Märtyrers, die du vorhast, wird an dieser Tatsache nichts ändern, wie du selbst sagst!

Wenigstens setze ich ein Zeichen dagegen!

Eines, das mit dem größten aller Risiken behaftet ist!

Warum?

Weil noch etwas kommen könnte!

Was sollte denn noch kommen?

Etwas Schönes vielleicht?

Das wäre möglich, so etwas könnte noch kommen.

Dann warte noch ab! Deine Kerze kannst du zu einem späteren Zeitpunkt immer noch ausblasen. Außerdem würde später vielleicht dichterer Rauch vom Stumpen deiner Kerze aufsteigen als der gegenwärtig dünne des verzweifelten Märtyrers.

Das stimmt, ich kann es später auch noch tun.

Es erfüllt mich mit Freude, dass du die Sache mittlerweile auch so zu sehen scheinst.

Ich mache anderen Menschen eben gerne eine Freude.

Möchtest du mir eine weitere machen?

Ja. Was soll ich tun?

Nimm die Pistole von deiner Schläfe und gib sie mir.

Bitte sehr.

Danke. Sag, warum ist sie nicht geladen?

Ich war mir eben selbst nicht sicher, ob der Rauch, der von meinem Stumpen aufsteigen würde, dicht genug wäre.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: ärgstens |Inventarnummer: 17085




Renoviert

Ich lebe und arbeite in Wien. Um präzise zu sein in der Innenstadt, also im ersten Bezirk.
Ich lebe und arbeite dort in einer geräumigen Wohnung, der eine Dachterrasse angeschlossen ist. Das Haus, in dem sich meine Wohnung befindet, ist alt, was die Bausubstanz anlangt, doch wurde es vor einigen Jahren aufwendig renoviert, sodass es durchaus als wieder schön bezeichnet werden kann. Die Wohnung steht in meinem Eigentum. Ich habe sie von meinem Vater geerbt, er war Manager in der Waffenindustrie und dementsprechend vermögend.

Man kann sagen, dass ich kein Problem mit Geld habe, denn mein Vater hat mir, nachdem er sich suizidiert hatte, eine Masse Geld hinterlassen.
Ich habe auch kein Problem mit Geschmack. In meiner modern eingerichteten Wohnung hängen Werke von Kippenberger, Büttner und Kiefer, um nur eine geringe Anzahl der Künstler zu nennen, deren Werke ich liebe und besitze.
Ich habe auch kein Problem mit der Politik, mit Frauen, Männern oder gar mir selbst. Eigentlich habe ich gar kein, nicht ein einziges, Problem.

Ich bin sehr gerne zuhause. Meine Ehefrau, sie ist im selben Alter wie ich, also dreiundfünfzig Jahre alt, hat ihre Karriere als Cellistin beendet und hält sich, so wie ich, die meiste Zeit in der Wohnung auf. An warmen sonnigen Tagen ist sie oft eingeölt auf der Dachterrasse anzutreffen.
Unsere beiden gemeinsamen Kinder, wir haben einen Sohn, er studiert Architektur und ist homosexuell, sowie eine Tochter, sie studiert Medizin und befindet sich seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr im Status der Mutterschaft, leben nicht mehr in Wien.

Von der Dachterrasse, welche meine Ehefrau gerne sardinenhaft eingeölt zu beliegen pflegt, habe ich klarerweise einen guten Überblick. Ich sehe, was sich in dieser Stadt verändert, welche Gebäude errichtet, welche abgerissen oder renoviert, und welche ausgebaut werden, also in die Höhe wachsen.
In der Straße, in der mein Wohnhaus gen Himmel ragt, wurde erst kürzlich ein Haus renoviert. Es wurde verschönert, was seine Fassade angeht, und um gleich drei Etagen aufgestockt. Die beiden ersten Etagen, vom Niveau der Straße ausgehend, werden von italienischen und französischen Modehäusern belegt, die sich dort Boutiquen eingerichtet haben. Die darüberliegenden Stockwerke werden als Büroräume genutzt, ein Buchverlag und eine Agentur für angebliche Models haben sich dort eingemietet. In den drei hinzugefügten, also den obersten Etagen befinden sich exklusive Wohnungen.

Die oberste Etage ist klarerweise die mit den exklusivsten, sprich teuersten Wohnungen. Dort wohnen sehr reiche Menschen. Die Renovierung und Aufstockung dieses Hauses hat, wie mir schnell bewusst wurde, eine Veränderung nach sich gezogen, und zwar eine offensichtlich ebenso andauernde wie irreversible.
Die Straße, in der mein Wohnhaus liegt, hat sich verändert, das Leben in der nächsten Umgebung meines Wohnhauses ist anders geworden, nur leider nicht besser. Ich bin geneigt festzustellen, dass der sprichwörtliche Charme dieser Straße verlorengegangen ist. Sie ist beinahe klinisch rein geworden.
Ich möchte ein Beispiel anführen: Vormals war es so, dass ein bestimmter Clochard stets vor dem kürzlich renovierten Haus gesessen, und oftmals auch gelegen hatte. Der Wechsel aus der sitzenden in die liegende Position dürfte ursächlich mit der Flasche Schnaps, die der Clochard niemals aus der Hand legte, in Zusammenhang gestanden haben. Ich habe ihm etliche Flaschen besten Vodkas geschenkt.

Ich trinke selbst nicht, keinen Tropfen, doch kann ich verstehen, wenn ein Mensch trinkt. Ich wollte, dass der arme Mann den besten Vodka trinkt, da ich stets und bei allem großen Wert auf Qualität lege.
Der Sandler hatte niemanden gestört – dort wo sich nun die Boutiquen befinden, hatten sich zuvor bloß ungenutzte Räume befunden. Um präzise zu sein, muss ich erwähnen, dass er doch einen Menschen gestört hatte. Ich wurde Zeuge, wie er eines Vormittages von einem Mitglied des Kameradschaftsbundes als Faulpelz und grässliches Element bezeichnet wurde. Dass der Mann ein Mitglied des Kameradschaftsbundes war, konnte ich bloß an dem Abzeichen erkennen, welches er an seiner Trachtenjacke befestigt hatte, denn der Mann hatte keine Fahne vor sich. Ich denke, dass der Grund hierfür die Frühe des Tages war. Dem Obdachlosen waren diese Anwürfe übrigens gleichgültig.

Nun sehe ich junge Frauen vor den Schaufenstern stehen und posieren. Sie stehen vor den Auslagen, tragen Taschen, die den in den Boutiquen feilgebotenen zum Verwechseln ähnlich sehen, und lassen sich von ihren Freundinnen mit Mobiltelefonen ablichten, wie sie stolz grinsend, als wären sie Stammkundinnen dieser Geschäfte, vor dem teuren Tand in den Auslagen posieren. Deren Scheiben sind stets blitzblank abgezogen, gleich ob eine Fliege sich auf ihnen verewigt oder eine Hummel vor ihnen posiert. Die Straße hat sich wahrlich verändert, das kann man schon so sagen.

An der Fassade des Hauses, das dem kürzlich renovierten gegenübersteht, lehnen oft junge Männer in abgewetzten Jacken und nicht maßgefertigten Schuhen. Sie tragen ihr Haupthaar bevorzugt halblang und ihre Bärte, so ihnen welche wachsen, haben die merkwürdigsten Formen. Es handelt sich offenkundig um junge, vielleicht sogar aufstrebende Literaten. Das ersehe ich aus der Tatsache, dass sie entweder lesend, rauchend oder in Notizheften oder auf losen Blättern Papier schreibend dort lehnen. Sie warten darauf, so scheint es, vom Leiter des Verlags in dessen Räumlichkeiten gebeten zu werden, um dort ihre großen schriftstellerischen Karrieren beginnen zu lassen.
Sind sie nicht in Papier vertieft, geben sie sich der Prokrastination, zugegeben einer schwachen Form derselben, hin, indem sie die jungen Frauen beim Posieren beobachten. Die Mienen der Autoren machen offenkundig, dass sie die jungen Frauen für durchaus interessant halten.
Ich, so sagt meine Ehefrau, setze stets dieselbe Miene auf, wenn ich eine Herde auf der Weide beobachte.

Ab und zu betreten Gruppen von jungen attraktiven Frauen das Haus. Bei diesen Frauen, meist osteuropäischer Provenienz, wie den vielen Worten, die sie wechseln, unschwer zu entnehmen ist, handelt es sich um die bereits erwähnten angeblichen Models. Das Wort angeblich verwende ich aus Gründen der Diskretion, denn einmal hatte eine dieser Frauen ihre Handtasche fallen lassen und deren Inhalt lag verstreut auf dem Gehsteig vor dem kürzlich renovierten Haus. Ich eilte zu ihr, um ihr beim Einsammeln ihrer Habseligkeiten zu helfen und musste feststellen, dass ich die Kontrollkarte einer Dirne in Händen hielt. Ich habe es diskreterweise unterlassen, die junge Frau auf ihre Tätigkeit anzusprechen und nehme an, dass ihr mein Schweigen recht war.

In den neu hinzugebauten obersten drei Etagen, die sehr teuren Wohnungen Raum bieten, leben Menschen, die über sehr viel Geld verfügen. Das erkenne ich an den sündhaft teuren Automobilen, welchen diese Menschen entsteigen, um in das Haus zu gehen.
Sie haben es nicht mehr nötig, sich in Designeranzüge zu zwängen. Sie lieben vielmehr Sportanzüge aus Deutschland, deren obligatorische Streifen perfekt zu oligarchischem Goldkettenbehang passen. Diese Herren haben die Angewohnheit, ihre Töchter, manchmal auch ihre Enkeltöchter, stets an der Hand zu führen. Allerdings möchte ich erwähnen, dass diese jungen Frauen stets tipptopp gekleidet sind. Ich vermute, dass sie eifrige Kundinnen der Boutiquen sind, die unter den Wohnungen ihrer Großväter und Väter gelegen sind.
Wenn die teuren Autos dieser Herren vorfahren und ihre Besitzer aus ihnen steigen, räumen die vor den Schaufenstern posierenden jungen Frauen schnell den Gehsteig. Ich vermute, dass sie den reichen Herren, ihren Töchtern und Enkeltöchtern, sowie den diese stets begleitenden Gepäckträgern mit massigem Körperbau, kurz geschorenem Haupthaar, grimmigem Blick und ausgebeulten Sakkos Platz machen möchten, schlicht aus Freundlichkeit.

Die angehenden Autoren lassen sich nicht von den reichen Herren und deren Anhang beeindrucken, sie gehen weiter ihrer jeweiligen Beschäftigung nach.
Ich habe den Clochard gesehen. Er sitzt nun drei Straßen weiter vor einem ungenutzten Erdgeschoss. Ich habe ihm bereits eine neue Flasche besten Vodkas geschenkt. Ich habe erfahren, dass in der Straße, in der der Pennbruder nun sitzt oder liegt, eine Dachgeschosswohnung mit angeschlossener Dachterrasse frei wird. Ich muss mit meiner Ehefrau darüber sprechen.

Michael Timoschek

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary |Inventarnummer: 17097