Erinnerungen an Vera

Er fand sich im Institut für Neurowissenschaften ein. Am Schalter nannte er sein Anliegen. Daraufhin wurde er von einer Krankenschwester in einen Raum geführt, auf dem außen an einem Schild „Erinnerungslabor“ stand. Er setzte sich auf den weißen Stuhl, praktisch alles war hier weiß, der zurückgekippt wurde, bis er fast lag. Die Krankenschwester legte ihm Elektroden an den Kopf, Computer starteten. Jetzt betrat die Ärztin den Raum. Ein paar Worte – „Sind Sie sich wirklich sicher?“ –, dann ging es los. Sein Kopf verschwand in einem Scanner. Vor seinen Augen wurden auf einem Bildschirm seine Erinnerungen abgespielt. Wollte er sie löschen, drückte er auf den Ball in seiner rechten Hand. Sie wurden dabei nur vorläufig gelöscht, man konnte die Erinnerungen wiederherstellen – so wie bei dem Papierkorb in Windows.

Nach einigen Minuten tauchte Vera auf, zuerst alleine, dann mit ihm. Um sie löschen zu lassen, war er hergekommen, sie hatte ihn verlassen, schon vor eineinhalb Jahren, und er konnte das nicht verwinden und sie nicht vergessen. Er sah Vera immer wieder auf dem Bildschirm, tolle Erlebnisse, innige Momente – wahre Liebe. Die sollte er vergessen? Was wäre er dann – ein Tongefäß ohne Inhalt? Nein, er löschte nicht eine Sekunde. Denn sonst hätte er das Wichtigste überhaupt vergessen.

Die Schaufensterpuppe mit Schirmkappe und Arbeitsjacke

Die Schaufensterpuppe mit Schirmkappe und Arbeitsjacke

Johannes Tosin
(Text und Bild)

www.verdichtet.at | Kategorie: hardly secret diary | Inventarnummer: 20023

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