Geschichten, die das Leben speit III – Die Patriziertochter

Die wohlhabende, platinblonde, 1,65 Meter große junge Lisa (die eigentlich Elisabeth heißt und aus einer alten Patrizierfamilie stammt) aus der Landeshauptstadt I. besucht eine Privatlesung in einer Almhütte (Chalet) in der Nähe von Brixen in Südtirol. Drinnen sind schon alle drei geladenen Gäste zugange, selbstgemachte Liptauerbrötchen werden zu Musik vom MP3-Player auf IKEA-Servietten gereicht. Die Gastgeberin ist in einen Traum von Pradiori gehüllt, der Künstler selbst trägt einen goldenen Gürtel, auf dem ein „H“ wie „Herren“ prangt.

Lisa hat sich vorher ordentlich angesoffen, denn alleine möchte sie trotz ihres nagelneuen fetten weinroten Maserati Quattroporte nirgends gerne hinfahren. Daß sie in Brixen gegen die Einbahn gefahren ist, haben ihr die besorgten Passanten liebevoll nachgesehen, auch, daß sie quer über dem Gehsteig geparkt hat, denn ihre Familie sitzt hier quasi seit zweihundert Jahren im Gemeinderat. Und mit einem solch schönen Wagen hat man einfach Narrenfreiheit in Brixen-City, lallt Lisa übers ganze Gesicht, genauso wie in Innsbruck, bevor sie ihren Boliden hinauf auf die Alm jagt.

Ehrlich gesagt ist sie ein wenig in den Ferdi, den jungen Künstler, unglücklich hoffnungslos verliebt, aber das sind ja eh alle drei, die zur Vernissage gepilgert sind. Türe auf, Handkuß, meine Verehrung, ein irrer Blick, noch schnell ein Glasl Prosetscherl, die fade Rede vom Ferdl. Die Lisa grinst ihn an, geht dann zur Gastgeberin, gibt ihr ihr halbleeres Glasl und sagt: „Wollen S’ einmal kosten, ha?“ Diese lehnt ab, dann sagt sie nochmals zu ihr: „Warum machen Sie das alles eigentlich, ha?“, plötzlich klatscht es laut! - Die Lisa hat’s aufgh’aut, es hat ihr die Haxen herausgerissen und sie sitzt plötzlich auf ihrem nicht unstattlichen Gesäß.

Der Ferdl bedeutet der Gastgeberin, daß die Lisa wieder besoffen sei, die Cousine von der Gastgeberin ruft die Bergrettung und stammelt etwas von einem „Schwächeanfall“, die Lisa selbst sitzt am Boden und gluckst. Als die Rettung nach zehn Sekunden da ist, weigert sich die renitente Lisa, mitzufahren! „Na! Laßt’s mi! Sauerei! Es Beidln! Schiebung!“ Da müssen plötzlich Soldaten der italienischen Sondereinheit der Alpini herangerufen werden, um die Lisa in den Rettungspinzgauer zu verfrachten. Der erzwungene Alkotest ergibt X,X Promille. Lisa hatte beim Herauffahren auch den Gott sei Dank leeren Jauchesilo eines Schweinebauern mitgenommen und die Fäkalien hängen ihr vorne von der zerschrammten Maserati-Kühlergabel.

Am nächsten Morgen erscheint Lisa putzmunter mit frisch ausgepumptem Magen und pilotiert ihren demolierten Maserati punktgenau aus der Parkposition zurück auf die Autobahn ins ferne Ungarn, wo sie ein stattliches Weingut geerbt hatte.

Elmar Mayer-Baldasseroni
https://elmarmayerbaldasseroni.wordpress.com/

www.verdichtet.at | Kategorie: fest feiern | Inventarnummer: 20048

(Auf Wunsch des Autors wurde bei diesem Text auf manche Lektoratskorrektur verzichtet und der Text großteils im Original belassen.)

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