In die Straßenbahn tölpelt ein Schüler mit geschultertem Ranzen, fläzt sich auf einen gerade frei gewordenen Sitzplatz und fuchtelt das elektronische Brett aus seiner Hosentasche. Eine Schülerin tapst klumpfüßig mit ihrem Brett als trüge sie Lehm an den Schuhen. Ein Kind spielt auf dem Brett ein Spiel, das Figuren an Hindernissen vorbeihampeln lässt, was wiederkehrende Effektgeräusche erzeugt. Ein Handwerker im verklecksten Blaumann steigt zu und zupft das Brett mit links aus der Oberschenkeltasche. Eine Frau greift zum Brett, als die Kreuzritter-Fanfare geschmettert wird. Ein Mann schaut fasziniert auf das Brett. Ein anderer betrachtet das Brett irritiert und schüttelt den Kopf. Eine junge Frau schiebt mit einer Hand einen Kinderwagen, mit der anderen versenkt sie sich in die Widerspiegelungen des Bretts. Der Straßenbahnfahrer greift während eines Halts an der Kreuzung zum Brett. Ein Jugendlicher steigt ein und beugt seinen Kopf über das Brett. Ein Mann im Anzug greift nach dem Brett. Aufgebracht nestelt eine Frau in ihrer Handtasche nach dem Brett. Ein Mädchen erklärt dem Brett, es müsse jetzt Schluss machen, der Akku. Ein Knabe zeigt einem anderen Knaben, was er auf dem Brett sieht. Der andere wendet sich ab und schmollt über seinem Brett. Ein Halbstarker mit nahezu heruntergelassenen Hosen lässt beflissen den Daumen über das Brett wischen. Zwei Menschen sitzen einander gegenüber, jeder von ihnen starrt auf das Brett. Es steigt jemand aus, das Brett vor sich herhaltend wie eine gezogene Stichwaffe und rempelt gegen einen Gleichaltrigen, der zwar auf sein Brett achtet, nicht jedoch auf seine Umgebung. Es steigt jemand ein und gleich greift er nach dem Brett. Einer fingert das Brett angestrengt in ein starres Etui, dann holt er es daraus gleich wieder hervor. Eine Frau lässt das Brett fallen. Es poltert wie ein Brocken aus Guss. Ein Mann hält das Brett ans Ohr. Zwei Koreanerinnen stecken die Köpfe über einem Brett zusammen und gicksen; sie führen noch andere Exemplare mit sich. Eine Frau mit hochquellender Frisur spricht mit dem Brett über die Praktikabilität von Botox-Injektionen an Körperstellen, die man dafür gar nicht vorgesehen glaubt. Einer der zusteigt, gibt sich traumhäuptig wie ein Schlafkranker, er entspannt sich erst, als er nach dem Brett greift. Wieder steigen Schüler ein. Ein jeder und eine jede hat ein Brett dabei. Manch einer scheint damit wie verwachsen. Ein hagerer Mann steigt aus. Draußen holt er das Brett aus der Innentasche seines Staubmantels hervor. An der Haltestelle hält einer gebannt das Brett fixiert, sodass er das Eintreffen der Straßenbahn gar nicht bemerkt. Der eine liest auf dem Brett die Uhrzeit ab, der andere die Wettervorhersage in Luzern. Ein Schüler schießt Fotos mit dem Brett, der nächste filmt, was draußen an allen vorüberzieht. Jemand versucht sein Gegenüber in ein Gespräch zu verwickeln, dieses aber greift nach dem Brett. Wieder ein anderer himmelt ganz offensichtlich das Brett an, nicht aber seine Begleitung. Die tippt ihre Enttäuschung darüber in das Brett. Ein Mann scheint auf dem Brett etwas zu suchen, ein anderer scheint es gefunden und grinst, als wüsste er nun über einiges Bescheid. Ein Mittzwanziger zückt das Brett und zuckt, als er beim Aufstehen gegen Halteschlaufen stößt. Ein bulliger Kerl hält das Brett fest umschlossen wie einen Faustkeil. Eine Dame runzelt erst ihre Stirn angesichts des Bretts, dann heben sich ihre Augenbrauen und der Ausdruck von Erleichterung entspannt ihre Züge. Ein Mann klappt seinen Aktenkoffer auf und klaubt zwischen Mappen nach dem Brett. Dann betrachtet er es wie ein Juwel. Eine Betagte vertieft sich in die Anzeige des Bretts wie in ein Brevier. Ein junger Mann befingert unablässig das Brett, ohne es dabei anzusehen. Eine junge Frau ist mit dem Brett verdrahtet und wiegt ihren Kopf im Rhythmus einer dumpf wummernden Musik. Ein Brett fängt zu bellen an und jemand weiß, dass ein Freund versucht, ihn zu kontaktieren. Das jähe, gackernde Geräusch eines Bretts verrät den Eingang einer E-Mail oder das Posting eines Kurznachrichtendienstes, den Erhalt eines Tweets oder weiß der Geier. Aus einem Brett fängt in türkischem Herz-Schmerz-Pathos ein Liebeslied-Intro zu jaulen an, das mit einem Wort im Befehlston abgewürgt wird. Eine Frau mit Kopftuch und Rocksäumen, die beim Gehen den Boden fegen, drückt versonnen auf ihr Brett. Ein Schwarzer spricht in das Brett in einer Sprache, die Englisch sein könnte. In der Fußgängerzone stelzt ein Polizist vorbei, der sich seines Bretts in der Brusttasche kurz versichert, ehe er es wieder zurücksteckt. Ein Kleinkind an der Hand eines Vaters versucht, dessen Aufmerksamkeit für die Auslage eines Spielzeuggeschäfts zu gewinnen, der jedoch widmet seine ganze Konzentration der verzweifelten Inbetriebsetzung des Bretts. Ein Eilender mit bemerkenswert kurzen Beinen hält das Brett zwischen rechter Wange und Schulter geklemmt, während er links und rechts Henkeltaschen schleppt. Ein Radfahrer mit flatternder Jacke slalomiert freihändig zwischen den Fußgängern und guckt immer wieder auf das Brett. Eine Halsbrecher-Nummer für die Artistenmanege böte sich an: Salto mortale mit gleichzeitiger Smartphone-Bedienung. Eine Schülerin spricht in das Brett und wehrt ihre Mutter ab, die sich Schulnoten zu erfragen bemüht. Eine Schülerin spricht in das Brett mit einer Schulkollegin, die unmittelbar neben ihr zu sitzen scheint. Es stellt sich aber heraus, dass sich die Angerufene am anderen Ende der Straßenbahn niedergelassen hat. Jetzt kämpft sie sich mit dem Brett am Ohr und Boxerfaust zu ihren Freundinnen durch. Eine Frau motzt ein energisches NEIN in das Brett. Ein Mann nimmt das Brett und sagt JA. Einer hält das Brett wie eine Fernbedienung und zappt. Jemand schaut sich auf dem Brett einen Film an. Oder es sind Fernsehnachrichten. Oder ein YouTube-Video. Oder eine Botschaft der Klingonen. Ein Sonderling sitzt nur so da. Der hat kein Brett dabei, er schnäuzt sich lediglich.
Bernhard Hatmanstorfer
www.verdichtet.at | Kategorie: think it over | Inventarnummer: 14034