Ralf steht auf dem Steg am See. Er sieht den Hund von dem Mann, der die Yacht des Clubs pflegt. Der Hund geht auf und ab, macht hier und dort hin, riecht an dem Busch, dem Baum, er hat kein Ziel, ist nie im Stress. So wünscht sich auch Ralf zu sein.
Ralf träumt vom Meer und von dem Boot, das er baut. So lang schon baut er an dem Boot, nur der Mast fehlt noch, dann geht die Fahrt los. Das Boot ist sein Traum, seit er ein Kind war. Nur er weiß von dem Traum, kein Mensch sonst. Kein Mensch weiß von dem Boot, auch Liz nicht, grad Liz nicht. Liz, die Frau, die er liebt, Liz, sie soll nicht mit auf das Boot, weil er ganz für sich sein will auf dem Schiff, das er sich so wünscht und für das er so viel gibt. Doch er weiß nicht, wie er ihr das klar macht. Drum denkt er nach, stets von vorn, doch das führt zu nichts. Wie so oft schon dreht er sich nur im Kreis und weiß den Weg nicht raus.
Er kehrt um und läuft nach Haus. Dort setzt er sich an den Tisch und tut gar nichts, blickt nur vor sich hin. Bald wird sie da sein. Ralf fühlt sich nicht wohl, er will ihr nicht weh tun, doch er weiß, so sehr, wie sie ihn liebt, wird ihr Schmerz groß sein. Doch er ist nicht froh, so wie er mit ihr hier lebt. Er will weg, er fühlt, er ist nicht der Mann, der im Paar sein kann, er will für sich sein. Ralf schwamm stets nur mit dem Strom, war nie ein Mann, der für sich selbst sorgt, meist legt Liz Weg und Ziel fest. Doch jetzt muss Schluss sein, er will nicht mehr faul und sie soll nicht mehr der Boss sein. Er will nicht mehr tun, was sie will, er will der Mann sein, der denkt und lenkt.
Er schluckt und denkt: Sie joggt noch, ich wart nur, bis sie kommt, dann fällt mir schon was ein.
Dann kommt Liz, schwitzt vom Lauf durch den Wald. Sie schnauft, schaut sich um und fragt: „Was tust du?“ Sagt er: „Na, nix.“ Sie merkt, es stimmt was nicht mit ihm, doch sie lacht und meint: „Das ist nicht viel!“
Ralf gibt ihr Recht und fragt: „Was denkst du, was soll ich denn tun?“ Liz grinst und schlägt vor: „Wie wär’s mit dem Müll?“
Er starrt sie an und mault: „Nein. Ich geh nicht raus und bring den Müll weg, mach es doch selbst.“
Da wird Liz bös und dreht sich zu ihm um. „Nie machst du was, nie hilfst du mit, meist mach ich es selbst. Mal kannst doch du was tun, meinst du nicht auch?“, sagt sie und schaut ihn an mit dem Blick, den er so hasst. Der Blick, den sie hat, wenn sie was von ihm will, das er nicht will. Mal ist es der Müll, kann auch sein, dass sie Schmuck will oder Sex, so oft will sie was von ihm, was er nicht kann oder nicht will. Wenn sie es nicht kriegt, dann weint sie und geht ins Bett, ist still und stumm und bockt. Er hasst das, doch er weiß auch, dass sie ihn liebt, nur nervt sie ihn halt oft.
Da fällt es ihm auf, das kann der Trick sein, jetzt find ich den Weg fort von ihr.
Ralf rennt raus in den Flur, nimmt den Sack mit dem Müll und wirft ihn durch den Raum. Dort, wo Liz steht, platzt der Sack auf. Sie ruft: „Was soll das jetzt, bist du irr?“
„Nimm den Müll, da hast du ihn. Nie mehr bring ich den Müll raus für dich!“ Ralf brüllt jetzt, brüllt sie an voll Zorn, doch nicht auf sie hat er Wut, auf sich hat er Wut, weil er so lang nichts tat, so lang blieb, wo er doch längst schon so gern so weit weg wär.
„Mach es selbst, ich mach es nicht, nie mehr. Ich hab es satt, stets willst du was, ich mag nicht mehr. Von nun an trägst du den Müll selbst raus. Ich geh jetzt und lass dich hier. Ich geh fort von dir. Dann muss ich nichts mehr tun für dich und du hast Ruh’ vor mir und dass ich nie was tu für dich und für uns. Ich lass dich in Ruh’ und du lässt mich in Ruh’, das ist doch gut für uns, für dich und mich. Ich pack gleich ein, viel hab ich nicht, das meins ist, da reicht ein Sack für mein Hab und Gut.“
Er dreht sich um und geht raus durch den Flur in das Bad und schließt die Tür. Sie starrt ihm nach und glaubt nicht, was er sagt. Das kann doch nicht sein, so geht das nicht, das tut man doch nicht, so kalt und knapp geht er doch nicht weg von ihr. Sie klappt den Mund auf und zu, doch fällt ihr nichts ein. Sie weiß, sie sagt nichts, sie sagt nie was, stets hält sie den Mund, klagt nie und macht viel nur mit sich selbst aus. Oft tut sie, was er will, folgt ihm, statt zu tun, was sie selbst will. Doch hier geht das nicht, sie weiß, sie muss was tun, so dass er bei ihr bleibt, weil sie ihn doch so liebt und er sie doch auch, das weiß sie ganz fest. Nur, sie steht ganz starr, hat Angst, dass er geht, dass er meint, was er sagt. Kein Glied rührt sie vor Schreck, kriegt nur ganz schwer Luft. Dann hebt sie den Arm, greift nach der Tür, hält sie fest, hält sich dran fest, so dass sie nicht fällt vor Schmerz, den sie hat im Bauch, im Kopf und im Herz.
Er kommt aus dem Bad mit dem Sack, in dem er das hat, was sein ist. Er sieht sie an, sagt nichts. Sie will ein Wort nur von ihm, doch sein Blick ist so hart, dass sie sich nicht traut, sie fragt nicht, sie sagt nichts, ruft ihm nicht zu, wie sehr sie ihn liebt, dass sie nur ihn will, stets nur ihn. Und jetzt will er weg von ihr, wie hart und streng er sein kann. Das kennt sie von ihm, das ist nicht neu für sie, so war er oft im Streit. Schon so oft, er ist kalt und schroff, sie bleibt stumm und weint. So auch jetzt.
Sie tritt an die Wand, hält sich an der Tür fest, blickt ihn an und nickt: „Dann geh, ich halt dich nicht, wenn du weg willst von mir. Du weißt, wie lieb ich dich hab. Mein Herz schlägt wie deins, wir sind eins, du und ich.“
Er sieht sie nicht an, als sie spricht. Er weiß, dass er ihr weh tut und er ist ganz platt, wie sehr es auch ihn schmerzt.
Liz sagt: „Wenn du frei sein willst, kann ich nichts tun. Ich lass dich los, ich wünsch dir viel Glück, was du auch tun willst. Ich bleib hier und ich bin stets hier. Wenn du mich willst, dann such mich hier.“
Sie dreht sich um, geht jetzt auch ins Bad, schließt die Tür. Sie hört nicht, wie er geht.
Er geht aus dem Haus, durch den Hof zum Tor, dann den Weg, der zur Stadt führt. Er blickt sich nicht um, sieht nur nach vorn. Doch im Herz, da sieht er nur sie, Liz, wie sie an der Tür steht. Er merkt nicht, dass er weint.
Renate Müller
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