Unter Verdacht

Mit welchem Flug sind Sie gekommen, werd’ ich gefragt?
Ein strenger Blick studiert mein Visum, und nehmen Sie die Brille ab!

Mein Pass, es ist schon spät, liegt zum Lesen am Gerät.
Aufmerksam wird das gelesen, was dort über mich so steht.

Der strenge Blick lastet auf mir, ein Griff zum Telefon, es wird gewählt.
Jetzt bin ich hier, ich seh, es ist genauso, wie man mir erzählt’.

Liegt etwa was geg’n  mich vor? Darf ich hinein? Und wieder raus?
Erst dacht’ ich, Stolperfallen machen mir doch gar nichts aus. Doch jetzt,
mir wird bewusst, was hier geschieht, ich bin entsetzt!

Unfreundlich wär das Land, aus dem ich komm, sagen die Leut’.
Aber viel besser ist’s  hier nicht, sag ich, um keinen Deut.

Zum Spielball gezielter Paranoia, an mir nimmt Rache das Regime.
Man stellt mir Fragen, ungeheure, indiskret und sehr intim.

Ein Vorgesetzter wird gerufen, mit Kamera, in Uniform.
Nimmt meinen Pass, schüttelt den Kopf, er macht mir Stress, und den enorm.

Mitkommen, lautet der Befehl, schneller, man zeigt auf eine Türe,
die Treppe, abwärts in den Keller, man ahnt nur bang, wohin sie führe.

Ein altes Bett, ein Aktenschrank, Sprungfedermatratze. Da hinein!
Ein Tisch, ein Stuhl, ehrlich gesagt, hier möchte ich nicht sein.
Und an der Wand  – ohnmächtiges Gekratze.

Kein Lächeln ist mir abzuringen,
Hier möcht’ ich nicht die Nacht verbringen!

Nehmen Sie Platz, dort auf dem Stuhl. Heraus damit, wo wohnen Sie?
Was machen und was wollen Sie hier, und was ist Ihre Reflexion?
Was denken Sie, und sei’n Sie ehrlich, über die Operation?

Ich denk kurz nach und sag geschwind,
dass viel zu viel gestorben sind.

Zu wem haben Sie hier Kontakte? Nervös blättert er in der Akte.
Wir schweigen. Er nickt und klappt das Notebook zu. Sie können geh’n!
Bedenken Sie, wir werden uns noch wiederseh’n.

Irgendwann, an einem Tag, da kommt Besuch, den ich nicht eingeladen hab.
Neugierig sieht der sich in der Wohnung um, er nippt am Tee,
geht etwas ‘rum, isst alle Kekse auf und auch den Zucker, und drum,
ich denk, scheint völlig harmlos, wie er tut, er stellt sich dumm.

Als ich eines Tag’s nach Hause komm, und sperr die Wohnung auf,
da komm ich drauf, und wunder’ mich, die Jacke schief am Haken hängt.
Es brennt das Licht, und eine Tüte aus Papier, nicht von mir, liegt hier.
Was mich stark ins Zweifeln bringt und mich zum Denken drängt.
Die Jacke häng ich immer g’rade hin, das liegt an meinem Ordnungssinn.

Von diesem Tag an fühl ich mich, erfüllt mit Grausen,
in meiner Wohnung nicht mehr wohl, zu hausen.

Noch schlimmer lässt es mich erahnen, dass dieses Land in den Jahrzehnten,
sicherlich auf krummen Bahnen, Schockwellen zu uns wird senden.

Auf dem Wege zur Metro hat man mich, den Humanisten, gestoppt durch Polizisten,
durch einen, dem das Lächeln schmilzt. Gepäck und Tasche werd’n  gefilzt.

Nach meiner Antwort auf die Frage, „Woher du kommen?“, war’n sie kurze Zeit benommen,
und die war, aus der EU. Und wieso, will einer wissen, sprichst dann uns’re Sprache du?

Hab ich gelernt, sag ich, ist schließlich nichts dabei, war keine Hexerei.
Das ist gut, wirst sie noch brauchen, vor allem später, wenn auch gleich.
Denn uns’re Jungs, die von der Front, die  kommen irgendwann zu euch.

Was ist? Hör ich Kanonengrollen? Muss Geschichte wiederholen
sich von Neuem immer wieder, ew’gen Mahnungen zuwider?
Knien schon wieder Millionen Patrioten bloß vor einem
durchgeknallten  Möchte-so-gern-sein-Despoten?
Zum Wohl der Welt, ihr schafft die Wende, macht ein Ende, noch ehe sie mit euch es tun!

Kein Wunder, wenn wir Aliens verschrecken, und ihnen dadurch das Vergnügen,
uns auf Erden zu entdecken, durch unser schändliches Verhalten, verstrickt in Krieg und
Hader und in Lügen, unsere Welt so missgestalten, dieses soll man ruhig erwähnen,
nachhaltig und gründlich nehmen.

Norbert Johannes Prenner

www.verdichtet.at | Kategorie: drah di ned um …| Inventarnummer: 25089

 

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