Du stehst.
Der Schnee fällt.
Und der Atem dreihundert moorgrüner Soldaten verflüchtigt sich in schüchternen Wolken.
Du bist nun einer von ihnen – „Rekrut“. Stehst stramm in einem der fünfzehn Glieder und zwanzig Rotten, dein Blick ist im Nacken des Vordermanns, und du zitterst.
Jemand unter Niemanden.
„Wenn Sie ein weiteres Mal irgendwohin anders hinblicken als geradeaus, ist das das Letzte, was Sie jemals tun werden – haben Sie mich verstanden!“, bellt einer der vier Kommandanten jemanden in deinem Augenwinkel an.
Sie kontrollieren euch.
Dabei stieben unzählige Namen in die kalte Luft …
Du stehst.
Der Schnee fällt.
Und die Rekruten ziehen langsam ab.
Reihe um Reihe wird in das vor dir liegende Objekt geführt. Auch du wirst abgeholt. Ein Kommandant bringt dich und neunzehn deiner Kameraden in einen Raum, in dem von jedem einzelnen ein Foto geschossen wird.
Lächelst du?
Dies stellt sich dir nicht als Frage.
Nachher verlässt du das Objekt und reihst dich erneut ein - in den Kreis der vier Kommandanten. Einer derselben pfeift dir in diesem Moment ins Ohr …
Du stehst.
Der Schnee fällt.
Und mit dem Pfeifen erklingt, irgendwie erlöst von seiner Tragik, in bös neckender Art Schoenbergs „Verklärte Nacht“. Dabei ist es Tag. Noch …
Du hast dir immer mehr vom Sonnenuntergang erwartet.
Dass er dich hinreiße und eins werden lasse mit der Welt - nur für einen Augenblick, wenn sein gnadenvoller Kuss am Horizonte die Farben verlegen erröten lässt und alles für einen Moment den Atem anhält.
Für dich kann das nur der Mensch.
Was er tut und was er antut. Er, dazu mächtig, der Milch ihre Reine zu rauben und sie schwarz werden zu lassen. Wenn seine Worte in der Luft verhallend, schallend als Gelöbnis die Zivilisten zu Zeugen machen und je so brausen die Dutzenden, Hunderten, gar Tausenden! - badend im prasselnden Regen tosenden Beifalls!
Ja dann – dann hältst auch du den Atem an und beginnst, dich zu wundern.
Du lächelst?
Jedoch heute stehst du.
Und der Schnee segelt an dir vorüber, als wärst du der Zeit entwichen.
Du stehst.
Es ist der 1. Tag.
Tobias Vees
tobiasvees.wordpress.com
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