Noch täuschen meine Augen mich mit Bildern der Erinnerung. Jetzt, wo ich dich lang genug gekannt – jetzt kann ich erst ermessen, wie einzigartig alles du mir warst. Ohne dich, so ohne dich, beginn ich langsam alles zu vergessen. Wo war ich bloß? Von purer Blindheit derb geschlagen? War’s Ignoranz? Ach, wenn ich an dich, mein Liebes, denke, du bist für mich so unbewölkt, so sonnig und so klar. Und ich hingegen? Pechrabenschwarz die Seele, ein Griesgram wohl. Es ist noch kaum ein Jahr vorbei. Schon schwindet beinah alles, wie das mit dir so war.
Gewiss, du konntest kühl sein, wenn du wolltest. Das wusstest du. Genau wie ich, und schattig. Jedoch – dein Schatten spendete begehrten Trost, den ich an heißen Tagen oft entbehrte. Noch fühl ich deine Haut, so blühend hell wie eine Rose. Als wär’s erst gestern. Wie oft war ich dein warmer Frühlingstag, dein Berg im Süden. Und totes Grau fiel oft von mir auf dich und tauchte dich geheimnisvoll ins Dunkel. Ich dachte stets, die Ruhe brächte Glück und Eintracht. Nicht immer, sagtest du. Ich weiß. Denkst du daran, was ich dir oftmals vorgeworfen? Heut lach ich drüber. Es ist vorbei. Ich sehe ein, dass ich kein Recht gehabt, was vorzuhalten. Jedoch, ich tat es nur aus Angst davor dich zu verlieren! Im Ernst! Es klingt grotesk. Verzeih, wenn du noch kannst.
Mag sein, dass ich die Worte, die du sprachst, nur aus Gewohnheit nicht gehört. Verstünd mich heute besser drauf zu hören. Noch klingt in meinen Ohren, ich sei dein Sonnenlicht und stünde für das Hell, die Quelle deines Lebens. Was ist das für ein Deal gewesen? Die Sache mit uns beiden? Du, und ich?
Und dennoch ist – was war, das waren wir gemeinsam. Wir beide, ja, ganz offensichtlich. Und was wird von uns bleiben? Nichts? Du warst mein Licht. Und ich? Ach ich – ich fühl mit Wonne den belebend schöpfend kühlen, feuchten Tau, den dein Füße sanft berührten, wenn du auf Erden schwebtest.
Bist du mir böse, weil ich, dein dunkler Schatten, dir manchmal deinen Atem nahm? Gewiss, ich war nicht aufmerksam genug. Ich flüchtete zu dir aus Kummer und Enttäuschung. Wirfst du mir vielleicht vor, dass es nicht bloß aus Liebe war? Dann bitt ich dich, sei wieder für mich da. Sei mir der Tag, sei mir der Sommer meines Lebens. Entfach mit deinem Sturm in mir das Feuer. Sonst bleibt es Nacht in meinen öden Wangentälern, die die Tränen gruben.
Doch, ach, ich weiß nur allzu gut. Einmal ist immer – irgendwann. Bei uns ist’s jetzt. Ich suchte nach Geborgenheit und dachte nur an mich dabei. Du sagtest, füg dich drein, ohne zu fragen. Das hab ich nicht verstanden. Zwar bin ich heute klüger, doch trotzdem dümmer als zuvor. Zu spät! Oh wärme mich an deinen sonn’gen Hängen die nach Süden steh’n, die ich so brauchte wie der Weinstock selbst.
In deiner Nähe schrieb ich ungeles’ne, Briefe nur an dich, ich schwör’s! Du kannst es mir ruhig glauben. Und willst du wissen, was drin stand? In meinen Zeilen stand die Angst, es käm der Tag, an dem wir nicht mehr zweisam wären. Du würdest mich an Alter überholen. Ein Unsinn sicherlich. Ich sah den Berg als Ganzes. Und fühlte kühles Wetter. Wenn nicht gleich gar die Winternacht. Nun steh ich vor verschloss’nen Türen, wo deine stets geöffnet waren.
Du Himmlisches! Was bin ich müd’ und du bist fort. In welche ausgebreitet’ Arme soll ich sinken, wenn nicht in deine? Wer wird mich jetzt in Tätigkeit versetzen? In Lethargie, als wär ich wie gelähmt! Nach einer halben Ewigkeit der gleichen Atmung und desselben Rhythmus! Du und ich – war alles zwischen Haupt und Gliedern. Das ist vorbei.
Weißt du noch, den Baum, den wir gepflanzt? Heut ist er größer als ein Haus. Du hattest ihn umarmt, nicht mich. Als Ausgleich zwischen unt’ und oben sagtest du. Versteh kein Wort. Auch muss man alles nicht versteh’n. Er ist wie wir, hast du gesagt. Blüht auf, belebend schöpferisch, ich kann mich gut erinnern. Und glänzend war sein schlankes Antlitz. Ich stand dabei, verborgen – mich zusammenziehend. Mein mattes Inneres nach außen. Ganz einfach passiv. Ich hab dich stets dafür bewundert, dass du so anders warst.
Wir waren sehr verschieden, das sei nicht bös gemeint, ich weiß. Das Harte und das Weiche – hast du einmal gesagt. Das eine kann nicht ohne andrem sein. Und doch – es ist nicht wichtig. Und rein moralisch gibt es keinen Überleg’nen. Schau unsre Liebe an, da ist der Anfang und das Ende. Dazwischen da sind wir. Ich weiß, wir waren’s! Doch welchem misst du mehr Bedeutung? Das eine ist ohne das andre nichts. Die Liebe selbst, ist es. Die war uns wichtig.
Vergieß doch deine heißen Tränen, wenn’s dir hilft!, ich hör dich diese Worte flüstern. Ich kann mich an den ew’gen Kreislauf schwer gewöhnen. In diesen Dingen warst du geübter, mehr als ich. Das Leben kommt, das Leben geht, so wie die Hoffnung. Mal steigt sie, doch dann sinkt sie wieder. Das eine folgt dem anderen und umgekehrt. Mich in mein Schicksal fügen – darin war ich schon immer ungeschickt. Vergeblich wart ich auf die Stille, der meist Bewegung folgt. Ganz ohne dich hab ich’s verlernt zu fühlen.
Mein Gott, wie schön das war, mit dir so Hand in Hand zu gehen. Sind jetzt die schlechten Zeiten angebrochen? Mir bleibt nicht mal die Hoffnung mehr auf bess’re. Ich weiß, dass du nicht wiederkehrst. Sonst war es immer so gewesen, wenn sich die Not vermehrt, verringert sie sich wieder durch die Hoffnung. Doch diesmal bleibt sie aus. Der einst’gen Fülle durch dein blühend Leben folgt nichts als Leere. Und du, mein Sonnenlicht, bist ganz verhüllt durch meine dunkle Wolke.
Norbert Johannes Prenner
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