Ich, mein Name ist Dr. Igor Kushkurow, war beim Film. Um präzise zu sein, ich gebe nämlich viel auf Präzision, studierte ich an der Staatlichen Schwarzrussischen Film- und Videohochschule.
Ich tat dies gegen den Willen meiner Familie, jedoch auf Anraten meines Vetters Dmitri Lauskof.
Meine Familie hatte eine Laufbahn entweder als Professor für die Bodennahe Haltung schwarzrussischer Nutztiere, oder als Leiter der familieneigenen Betriebe, welche im Grenzbereich des Abbaus schwarzrussischer Bodenschätze und deren Verbringung in die benachbarten Staaten tätig waren, für mich vorgesehen.
Heute bin ich als Professor für Vergleichende Studien an der Staatlichen Schwarzrussischen Universität tätig. Zurzeit vergleiche ich Studien zur artgerechten Haltung des Schwarzrussischen Gänsesäblers. Bei dieser Art handelt es sich um einen Vogel, der den Körperbau einer gewöhnlichen westlichen Gans aufweist, jedoch anstelle eines Schnabels eine Art Klinge, nicht unähnlich der eines Säbels, besitzt, bis zu einem Meter lang und äußerst scharf, daher der Name der Kreatur. Mein Assistent Haniball Moldarew hatte das Unglück, von einem solchen Klingenschnabel verletzt zu werden. Nun, seit diesem Vorfall nennen ihn alle Hanni. Um es auf den Punkt zu bringen, die artgerechte Haltung dieser Tiere ist einigermaßen diffizil, zumal diesen Vögeln der Hang zum Duell immanent ist. Meine Empfehlung an die Schwarzrussische Kommission zur artgerechten Haltung wird daher lauten müssen, diese Vögel einzeln in außer Dienst gestellten Panzerfahrzeugen zu halten. So kann die Fütterung gefahrlos über das Panzerrohr erfolgen. Diese Vögel ernähren sich bevorzugt von Schwarzrussischen Keilschwanzgreifern, einer Art Biber mit sechs Pfoten, die sich von kleinen Teichvögeln ernährt.
Ich vermute, dass es eine Art postpubertär-präsenile Ausformung der Rebellion gegen meine Familie war, mich von meinem Vetter Dmitri überreden zu lassen, es an der Staatlichen Schwarzrussischen Film- und Videohochschule zu versuchen.
Ich schrieb mich ein und wurde der Klasse des Dr. Vladimir Buschenwald, seine Vorfahren entstammten europäischem Landadel, zugewiesen. Dr. Buschenwald war bekannt für seine freizügigen Darstellungen des Paarungsverhaltens vieler schwarzrussischer Tierarten. Weit über die Grenzen des Landes wurde er bekannt, und wohl auch berüchtigt, als er die sowohl artenübergreifende als auch gleichgeschlechtliche Paarung eines Schwarzrussischen Schnabelebers mit einem Weißrussischen Tundrahahn filmisch begleitete, welche für zweitgenanntes Tier letal ausging. Gerüchte, wonach Dr. Buschenwald den Schnabeleber durch die Verabreichung stark luststeigernder Substanzen zu dieser Handlung gleichsam genötigt hatte, wollten nie verstummen.
In der ersten Unterrichtseinheit wurden wir in die ordnungsgemäße Handhabung der Geräte eingewiesen, mit welchen wir bereits an unserem zweiten Tag an der Hochschule in die freie Natur entlassen wurden, mit dem Auftrag, möglichst interessante Aufnahmen vom Paarungsverhalten der Tiere der Umgebung anzufertigen.
Ich hatte Pech. Ich konnte bloß einen Schwarzrussischen Hornesel filmen, der es nicht fertigbrachte, ein weibliches Tier derselben Art zum Vollzug der Paarungshandlung zu bewegen. Ich führte diesen Umstand auf die offensichtliche Jugend des Tieres zurück. Als wir unsere Aufnahmen im Lehrsaal präsentierten, wurde ich verlacht, selbst der Professor verlachte mich, während die Aufnahmen meiner Kollegen helle Begeisterung hervorriefen. Einige Kolleginnen sinnierten laut, ob sie gewisse Stellungen privatim bereits ausprobiert hatten, dies in verstärktem Ausmaß, als ein Film gezeigt wurde, in welchem ein Schwarzrussischer Tundrarammler ebenso rabiat wie stellungskreativ zu Werke ging. Mit der Zeit gelangen auch mir Aufnahmen, die meinen Professor zufriedenstellten, doch fehlte mir der Anreiz zusehends. Um präzise zu sein, hatte ich genug davon, schwarzrussische Tiere bei der Paarung zu filmen.
In dieser Zeit trat ich einem Zirkel von Studenten und Studentinnen der Hochschule bei. Wir trafen uns in einer Art Klubhaus, wo wir tranken und allerlei Belanglosigkeiten zum Thema Film und Video austauschten. Der Name des Zirkels lautete ‘Zum groben Klotz’, ich weiß heute nicht mehr, warum. Nun, eines Abends hatte eine Studentin die Idee, nicht lediglich die Paarung von schwarzrussischen Tieren zu filmen, sondern die von schwarzrussischen Menschen. Diese Idee fand allgemeine Zustimmung, das Klubhaus, es hieß übrigens ‘Der grobe Keil’, erbebte förmlich.
Nun ging es an das Auswählen einer geeigneten Frau. Sie sollte nicht allzu unattraktiv sein und keine Furcht haben, weder vor einer Kamera, noch vor einer, wie die Studentin sich ausdrückte, einäugigen Schlange. Eine solche Frau war alsbald gefunden. Die jüngere Schwester eines Kollegen hatte sich soeben selbst den Titel ‘Schenkelheberin von O.’ verliehen, und nach dem, was ihr Bruder über ihr Freizeitverhalten zu berichten wusste, diesen auch hoch verdient. Sie erklärte sich bereit, in unserem Film mitzuwirken, und dies sogar unter ihrem bürgerlichen Namen.
Ein passender Ort für den Dreh des Films war ebenfalls rasch gefunden. Es handelte sich um das Boudoir meiner Eltern in unserem Stadtdomizil.
Nun galt es, einen geeigneten männlichen Paarungspartner für die Schwester des Kollegen zu finden. Ein Aushang im Institut für Turnerische Ausbildung an der benachbarten Universität zeitigte keinen Erfolg, also schalteten wir eine Annonce in der größten kleinformatigen Tageszeitung Schwarzrusslands. Vier Männer reagierten auf die Annonce. Sie sandten uns Fotos zu, die sie in der Aufmachung zeigten, in der sie im Film aufzutreten gedachten, auch teilten sie uns ihre Künstlernamen mit, welche im Abspann der Films zu lesen sein würden, wie wir zugesichert hatten.
Der erste Bewerber nannte sich Vlad Lederov. Auf seiner beigelegten Fotografie war jedoch lediglich die Partie um seine Augen erkennbar, der Rest seines Körpers war mit schwarzem Leder offensichtlich bester schwarzrussischer Provenienz bedeckt. Da wir eine möglichst naturnahe Darstellung des menschlichen Paarens auf Film bannen wollten, mussten wir Herrn Lederov eine Absage erteilen.
Der zweite Bewerber schockierte die Schwester des Kollegen zutiefst. Er hatte sich mit einer Reitgerte in der Hand ablichten lassen und nannte sich Igor Popshklesh. Auch Herrn Popshklesh sagten wir ab.
Der dritte Bewerber, Herr Rubel Harterdorn, erweckte das Interesse der Schwester des Kollegen. Er hatte sich nackt ablichten lassen, und das, was auf dieser Fotografie zwischen seinen Beinen zu sehen war, konnte er unmöglich Mutter Natur zu verdanken haben.
Nun, da der vierte Bewerber, er nannte sich Ing. Marc Dickhead, der Schwester des Kollegen optisch missfiel, sie sprach auch von zu erwartenden olfaktorischen Misshelligkeiten, luden wir Herrn Harterdorn in das Stadtdomizil meiner Familie.
Er traf pünktlich ein und wurde in das Boudoir meiner Eltern geführt. Dort wartete des Kollegen Schwester bereits nackt auf der Bettstatt. Her Harterdorn entkleidete sich und legte sich neben die junge Frau. Sie fassten sich an die Stelle des Körpers der jeweils anderen Person, welche die schwarzrussische Sonne für gewöhnlich nicht mit ihren Strahlen wärmt, und für die beiden jungen Menschen wäre alles bereit gewesen, die Handlung des Sex zu vollziehen.
Doch, wie soll ich es ausdrücken, nun ja, Herr Harterdorn entpuppte sich als, nun, weiches Korn. Ungläubig starrten wir auf die Bettstatt meiner Eltern und forderten von Herrn Harterdorn eine Erklärung für seine Unpässlichkeit ein. Er eröffnete uns, dass er in der Hoffnung erschienen war, der Bruder der Schwester des Kollegen, somit der Kollege höchstselbst, würde in dem Film auch eine tragende Rolle übernehmen. Sie würden sich nämlich seit einiger Zeit kennen und auch treffen. Wir waren sprachlos.
Wir beratschlagten und der Kollege erklärte sich letztendlich, und gar nicht ungern, wie mir schien, bereit, die Rolle seiner Schwester zu übernehmen.
Nun, wir boten den Film einigen Videoausleihläden unter dem Titel ‘Der gute schwarzrussische Schwimmer - Wie die Paarung auch vollzogen werden kann’ an. Die Folge war ein landesweiter Skandal.
Meine Eltern gerieten fürchterlich in Harnisch und verbrannten ihre Bettstatt im Garten, dennoch legten sie ein gutes Wort ein und ein bisschen mehr Geld hin, um mich und meine Kollegen vor dem Gefängnis zu bewahren. Ich musste ihnen bloß versprechen, künftig keinen Film mehr drehen zu wollen.
Michael Timoschek
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