Jennifer, 17, angehende Frisörin
Lieber Bogdan! Ich habe einen Fehler gemacht, ich weiß. Aber es war so ein lustiger Abend! Sanel hat mir ein Getränk nach dem anderen hingestellt. Und irgendwann ist es passiert, dass wir uns geküsst haben. Und seine Hand war dann überall. Und mir hat das gefallen. Ich weiß, dass es ein Fehler war, dass ich mit zu ihm gegangen bin. Aber er war so nett und lieb! Er hat mir gesagt, dass ich den letzten Klopfer bei ihm zu Hause bekomme. Und so war es dann auch. Bitte, Bogdan, nimm mich zurück! Denk einmal an die Zeiten, wo wir in die Lokale gekracht sind! Das war schon lustig. Das können wir wieder machen. Bitte nimm mich wieder, ich habe Dich lieb. Aber bitte ruf Du mich an, ich habe nämlich kein Guthaben mehr. Jenny, die Dich lieb hat.
Herta, 53, Hausfrau
Hallo Manfred. Ich hoffe, es geht Dir gut. Es ist so, dass ich mich in Dich verliebt habe. Ich schreibe Dir das ganz offen, denn ich möchte, dass Du bei mir bist. Du isst gerne Wienerschnitzel mit Kartoffelsalat, und genau das kann ich perfekt kochen. Weißt Du, seit mein Mann Heinz-Gustav gestorben ist, bin ich sehr einsam. Auf meinem Luster im Schlafzimmer brennt nur noch eine einzige Glühbirne. Ich traue mich ja nicht auf die Leiter steigen. Und in den Keller traue ich mich auch nicht gehen. Dort ist es immer so dunkel und feucht, und erst die Asseln überall. Ich glaube, Du hast mit so was weniger Schwierigkeiten. Als Du bei mir warst, da habe ich sofort gespürt, dass das passt zwischen uns. Mich haben auch Deine Tätowierungen nicht gestört, bis auf die drei Punkte auf Deiner Hand halt. Die musst Du wegmachen lassen. Mein Heinz-Gustav hat sich seine ja auch wegmachen lassen. Keine Sorge, ich zahle Dir das. Jedenfalls, wenn Du wieder Freigang hast, dann musst Du unbedingt zu mir kommen. Bitte. Ich habe das Foto, das Du von mir haben wolltest, gemacht. Das war gar nicht so einfach, den Spiegel vor das Bett zu tragen, aber für Dich habe ich es gern gemacht. Also, mach es gut und pass bitte auf, dass Du nicht wieder mit den Wärtern über Kreuz kommst. Deine Herta.
Albert, 44, Psychiater
Meine geliebte Dorothea, ich liebe Dich und frage Dich auf diesem Wege, ob Du meine Ehefrau werden möchtest. Ich möchte mein Leben mit Dir verbringen, denn wir teilen nicht bloß die selben Interessen, Du bist darüber hinaus mein Ruhepol. Bei Dir fühle ich mich geborgen und gut aufgehoben, Du bist mein Ausgleich zum stressigen Alltag in der Klinik. Bitte vergiss diese unnötige Diskussion, die wir hatten. Natürlich darfst Du weiterhin als Cellistin tätig sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du für mich spieltest, jeden Abend, bevor wir zu Bett gehen. Du musst auch keine Tabletten nehmen, wenn Du nicht möchtest. Es ist nur so, dass Du für mich viel einfacher handzuhaben bist, wenn Du sie nimmst. Ich habe in der Klinikapotheke nachgefragt und in Erfahrung gebracht, dass der Wirkstoff, den ich Dir verordnet habe, auch subkutan verabreicht werden kann. Du siehst, Tabletten sind nicht nötig. In freudiger Erwartung Deiner positiven Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen, Albert.
Herbert, 49, unterstandslos
Gute Frau Krumpel, liebe Hermine. Sie werden sich vielleicht noch erinnern, ich bin der, der Ihre Garagen gestrichen hat, und Ihren Rasen habe ich auch ein paar Male gemäht. Ich habe gehört, dass Sie sehr krank sind. Das tut mir leid. Meine Oma war auch krank, als sie so alt war wie Sie. Sie hat dann aber noch vier Jahre lang gelebt, also ist sie erst mit zweiundneunzig gestorben. Als ich in Ihrem Park gearbeitet habe, haben Sie mir Wurstbrote und Limonade gebracht. Da habe ich angefangen, Gefühle für Sie zu haben. Das ist jetzt sieben Jahre her, ich weiß, aber ich bin halt langsam bei so etwas. Jetzt weiß ich, dass ich Sie liebe. Und Sie wollen Ihre letzten Jahre ganz bestimmt nicht allein verbringen, in so einem großen Haus. Also könnten wir es ja mal probieren, finde ich. Es ist nur so, dass ich bald eine Antwort von Ihnen brauche, ob Sie mich auch lieben, denn jeden Tag habe ich eine größere Angst, dass der Altpapierlaster kommt und mir meine Wohnung wegnimmt. In dringender Liebe, Bertl.
Horst, 64, selbstständig
Liebe Min, es ist jetzt fünf Jahre her, dass wir uns kennengelernt haben. Ich bin in dieser Zeit neunmal zu Dir nach Phuket geflogen, um Zeit mit Dir verbringen zu können. Du warst erst einmal bei mir in Wien, was ich ungerecht finden könnte, aber da ich Dich liebe, will ich mal nicht so sein. Ich hoffe, Deinen Eltern gefällt das Häuschen, dass ich ihnen gekauft habe. Ich vermisse Dich, aber im Moment kann ich es mir nicht leisten, zu Dir zu fliegen, denn im Lokal ist die Hölle los. Die Gäste rennen mir die Türe ein, und ich arbeite jeden Tag fünfzehn Stunden. Aus diesem Grund bitte ich Dich, nach Wien zu kommen, denn ich möchte Zeit mit Dir verbringen. Keine Sorge, Du wirst nicht alleine sein, denn Du kannst bei mir im Lokal anfangen. So hast Du auch gleich die Gelegenheit, mir ein bisschen von dem Geld, das ich Dir über die Jahre geborgt habe, zurückzugeben. Die Gäste sind schon ganz wild darauf, Dich kennenzulernen. Ich hatte nämlich erst eine Thailänderin im Lokal, und die Gäste sagen, dass thailändische Mädchen besser sind als russische oder ukrainische. Also Min, sieh zu, dass Du nach Wien kommst! Ich habe nämlich viel mit Dir vor. Dein Horst.
P.S. Ich hoffe, Du kommst wirklich! Ansonsten würdest Du mich nämlich zwingen, Dich zu holen …
Helga, 43, Lehrerin
Lieber Martin! Ich verstehe, dass Du mir aus dem Weg gehst. In der Situation, in der wir uns beide gegenwärtig befinden, ist das auch der beste Weg. Dass Du mich allerdings völlig links liegen lässt, verletzt mich doch. Wenn ich Dir eine Frage stelle, beantwortest Du sie so knapp wie möglich. Dabei liebe ich Dich doch. Das habe ich Dir auch jedes Mal gesagt, wenn Du mich in meinem Haus besucht hast. Jedes einzelne Mal war wunderschön, das hast Du mir ja auch bestätigt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mich wieder besuchen kämst. Bitte sei mir gegenüber wieder ein bisschen zugänglicher, so wie früher. Bitte denke wenigstens darüber nach. Danke. Und bitte vernichte diesen Brief, nachdem Du ihn gelesen hast. Du weißt, was passieren würde, käme dessen Inhalt ans Tageslicht. Innige Grüße und Küsse. Deine Helga.
P.S.: Damit Du siehst, wie sehr ich Dich liebe: Ich habe Dir, obwohl sie wirklich schlecht ist, die Bestnote auf Deine Schularbeit gegeben.
Michael Timoschek
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