Die Hitzewelle, die uns heimsucht, bis zu 40 Grad Celsius sind angedroht, hat inzwischen sogar die Aufmerksamkeit der Nachrichtensender errungen: Der Sender euronews zeigte Bilder aus verschiedenen Städten am Balkan, aus Sarajewo, Pristina und Belgrad. Überall bot sich das gleiche Szenario, Menschen, die sich gegen die Hitze zu behaupten suchten, Eis schleckten, durch Springbrunnen wateten, sich zufächelten mit allem, was sich auf irgendeine Weise als Fächer benutzen ließ. Die Aufnahmen hätten sie genausogut in Novi Sad drehen können, hier war es nicht anders.
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Mein Aufenthalt geht langsam zu Ende. Fühlte ich anfangs dieses beständige Unbehagen – eigentlich wollte ich die Reise gar nicht haben –, so mischt sich nun trotzdem das übliche sentimentale Abschiedsweh hinein, das Gefühl, das mich angesichts einer bevorstehenden Abreise zuverlässig beschleicht. Längst hat mich die Stadt wieder in ihren Bann gezogen, was – um ehrlich zu sein – auch zu erwarten war. Dabei bin ich gar nicht so viel herumgekommen dieses Mal, weil man es draußen kaum aushält! Keine stundenlangen Streifzüge durch unbekannte Viertel und Gassen, kein Besuch von alten liebgewonnenen Plätzen. Ich war noch nicht einmal auf der Festung, das war einfach nicht zu packen in dieser Gluthitze. Die fühlt sich an wie Griechenland im Hochsommer, jedoch ohne das Meer. Dafür habe ich viel fotografiert, weitaus mehr als bei früheren Gelegenheiten. Ich bannte die spannenden Gebäude aus den 1930er Jahren auf Bild, die futuristischen Kolosse der Tito-Moderne, die kleinen ebenerdigen Vorstadthäuser mit dem zierlichen, allerdings oft schon arg herabbröckelnden Biedermeierputz, die immer noch ganze Straßenzüge prägen.
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Zu den Terminen, die noch anstehen, gehört ein Treffen mit der Vojvodine-Wassergesellschaft. Es geht um ein neues Ausstellungsprojekt in Serbien, um die Idee, Skulpturen entlang der Schiffskanäle in der Landschaft aufzustellen, wofür es allerdings die Erlaubnis der Betreiber-Gesellschaft braucht. Eine mögliche Realisierung ist noch in weiter Ferne, aber wir begeben uns an die genannte Adresse, in ein Hochhaus an der Varadin-Brücke. Was für ein Bau! Man müsste ihn, so wie er ist, unverzüglich unter Denkmalschutz stellen. Nachkriegsmoderne, authentisch Stück für Stück, angefangen im Foyer mit den Bodenfliesen aus Stein, dem großzügigen Treppenhaus, den schweren holzgetäfelten Türen entlang der Korridore, den Beschlägen, Griffen und Klinken. Alles ist auf Hochglanz poliert, gepflegt und konserviert, als wäre die Zeit spurlos am ganzen Gebäude vorbeigegangen.
Wir werden in einen Konferenzraum im vierten Stock gebeten und fühlen uns mit einem Schlag in eine andere Welt versetzt. Was für ein Bild: Der Sitzungssaal ist braun in braun: Holz, Leder, Tapeten und muffige Gardinen. Ein Podest nimmt die Stirnseite ein, daran schließt ein massiver, rundum laufender Konferenztisch. Die Stühle mit der hochaufragenden Lehne sind braun bespannt, dem Podest gegenüber stehen weitere Stuhlreihen, auf der Rückwand hängt eine Landkarte, die genauso alt sein dürfte wie der Raum. Old Yugoslavia, sagt bass erstaunt die junge serbische Kollegin, sie kommt aus einer Generation, die diese Zeit auch nur mehr aus den Filmen kennt. Man erwartet buchstäblich jeden Augenblick den Einzug der Funktionäre, auf dass sie an der Frontseite Platz nehmen und die Tagung irgendeines Zentral-Komitees eröffnen … Stattdessen treffen wir auf eine freundliche Mitarbeiterin und zwei leitenden Angestellte der Wassergesellschaft, es wird ein gutes Gespräch. Aber die Atmosphäre des Raumes hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Später, auf der Straße, werden wir uns darüber ausschütten vor Lachen.
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Heute ein frischer Wind, das tut gut. Gestern am Nachmittag zog der Himmel zu wie vor dem Regen. Eine ganz eigene Stimmung lag über der Stadt unter dem dunklen bleischweren Himmel. Sogar ein Donnergrollen erhob sich aus der Ferne. Nachts ab und zu ein schwaches Wetterleuchten. Das Gewitter ist indes ausgeblieben. Die Hitze hat ein klein wenig nachgelassen.
Am vorletzten Abend waren wir eingeladen zu einem serbischen Barbecue bei D. So sah ich zum ersten Mal einen Innenhof in einem jener typischen Vorstadthäuser, die vor allem nordöstlich des Zentrums noch sehr häufig sind. Der Hof war geräumig und mit einer Mauer zum Nachbargrundstück abgegrenzt. D.s Nachbarn waren zugegen und mit der Aufstellung ihres neugekauften Pools beschäftigt, während der Gastgeber den Grill anwarf. Es wurde ein gemütlicher Abend. Ein hiesiges Künstlerpaar war eingeladen: Sie erzählte von ihrem Aufenthalt in China, wo sie vor dem Ausbruch der Pandemie Kunst an einer Universität unterrichtet hatte. Aufgetischt wurden Würste, Cevapcici, Koteletts, Gurken und geröstetes Brot. Dazu gab es Bier, Wein und natürlich jede Menge Schnaps, den sie hier Raki nennen. Der ist nicht mit dem türkischen zu verwechseln. Raki bedeutet kein bestimmtes Getränk, sondern ist die Bezeichnung für alles, was sich an Hochprozentigem gerade eignet. Man trinkt ihn vor dem Essen, während des Essens und danach. Die berühmte serbische Gastfreundschaft! Der Gastgeber hat uns angeboten, bei ihm zu übernachten. Wir schafften es, uns von ihm loszueisen. Die Uhr auf dem großen Kirchturm zeigte halb zwei, als ich den Hauptplatz in Richtung meiner Bleibe querte: Für serbische Verhältnisse war das ein angebrochener Abend.
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Endlich! Ich habe es doch auf die Festung geschafft, unternahm einen rund dreistündigen Spaziergang bei Postkarten-Wetter. Da ich den vorderen Teil der Anlage mittlerweile ganz gut kenne, nahm ich diesmal den rückwärtigen Bereich in Angriff, er wird das Hornwerk genannt. Zwischen den Wällen und Gräben wurde bereits emsig am Aufbau für das berühmte exit-Festival gearbeitet. Von Staunen erfüllt stand ich eine geraume Weile vor einem prachtvollen Mimosen- oder Seidenbaum, der in voller Blüte stand. Was ich da sah, hatte so gar keine Ähnlichkeit mit jenem kümmerlichen kleinen Gewächs zuhause bei mir am Fensterbrett, das zwar den gleichen Namen trägt, aber nur recht bescheiden vor sich hin vegetiert und immer knapp vor dem Verdorren steht. – Ich hatte keine Ahnung! Wusste nichts davon, wie wunderschön solch eine Mimose sein kann.
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Vormittags war ich am Markt und gegen Abend zum letzten Mal im Supermarkt, wo ich meine sämtlichen Barschaften an Dinaren verschleuderte. Ich hatte noch überraschend viel Geld übrig, mit dem Betrag hätte ich noch mindestens drei „normale Tage“ finanziert. Jetzt heißt es nur noch, das Obst, die Paradeiser und den Schafskäse heil nach Hause bringen. Bald werde ich anfangen zu packen. Ich bin nervös, wie vor jeder Abreise, und dieses Reisefieber ist eine Attitüde, die sich im steigenden Alter nicht mildert, sondern eher zunimmt. Ich werde es langsam angehen. Nach dem ersten Teil will ich mich noch gemütlich für eine Weile auf den Balkon setzten, irgendwann packe ich weiter, ganz wie ich Lust habe. Morgen soll esin aller Frühe losgehen. Ich freue mich auf zuhause.
Ulla Puntschart
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