Inszenierung

Es ist der 3. Juli und wir befinden uns heute im Theater, vorletzte Aufführung, die Karten sind - wie an den Abenden und Wochen davor - restlos ausverkauft, das Stück schreitet zum dritten Akt voran, im Publikum: erregte Ungeduld.

Plötzlich! – Licht unzähliger Scheinwerfer flutet die Bühne, ein schwarzgekleideter Mann mit Hut tritt auf: Es ist der Gevatter. Beifallsschwanger badet er in der nicht auszuhaltenden Spannung des Publikums, bis er Ruhe gebietend Folgendes vorträgt: „Wo im Theater mögen wir die Grenze zwischen Wirklichkeit und Illusion ziehen?“

Aber keine Zeit zum Nachdenken lässt er den Zusehern, nein, - scheinbar - durchbricht er wortwörtlich die vierte Wand, springt herab von der Bühne! – und findet im Auditorium einen unfreiwilligen Freiwilligen.

In das Rampenlicht wird er geholt, allein vor all die Leut‘ gestellt: Sein Name lautet K. – wir belassen es dabei.

„Nun Herr K., welches Spiel führen Sie uns zur Schau?“, fragt der Gevatter, kaum noch zu entdecken im dunklen Hintergrunde.

„Nicht nur schauen sollen die Leut‘, doch sehen“, gibt Herr K. zur Antwort.

Der Gevatter, der springt, wagt sich dennoch nicht zurück ins Licht: „Und wo würden Sie die Grenze ziehen?“

Herr K., der sichtlich sich beengt auf der leeren Bühne fühlt, zuckt zwar mit den Achseln, äußert aber: „Man würde wohl die Schwelle des Podests als jene bezeichnen.“

Oh! – Der Gevatter freut sich, als habe er diese Antwort erwartet. Auf ein Zeichen fragt er erneut.

Gleichzeitig: Reges Geraschel im Publikum.

Herr K. findet sich augenblicklich vor einem Meer aus Masken wieder.

„Und jetzt?“, neckt der Gevatter.

„In diesem Falle: Ich wüsste nicht, wo die Wirklichkeit beginnen sollte“, antwortet K.: „Entmenschlicht starrt Ihr mich an, gleich allen Dingen, fern von den Gefilden der Berührung. Denn zu fassen, aber nicht zu erfassen vermag ich sie. Somit bleibt die Erkenntnis eine Annahme und die Wirklichkeit bloß Illusion. Wo ist die Liebe? Rettet mich.“

„Niemals“, entgegnet der Gevatter.

„Ich sterbe am Versuch zu überleben. Verliere mich beim Annähern in der Distanz. Berührung – Erlösung? Ich weiß es nicht. Am Versuch soll es nicht scheitern. Aber was halten Sie davon, dass Wirklichkeit und Illusion einander überlappen? Aufeinandergelegte Dimensionen, unmöglich voneinander zu trennen.“

Musik … Jetzt müsste Musik einsetzen. Und der Gevatter? - Der erwidert nichts mehr, geht ab.

K. bleibt nun wahrhaftig allein auf der Bühne stehen, er und das Publikum schweigen mit ineinander tröstlich versunkenen Blicken. Und dann – ja dann setzt auch K. eine Maske auf. Was für ein Ende …

- Und was soll das bedeuten? Mit Theater hat das aber alles nichts mehr zu tun. Ich sehe es jetzt schon – Publikum: verwirrt.

- Hast du eine bessere Idee für den Schluss?

- Und ob! Genug geprobt für heute. Feierabend!

Tobias Vees
tobiasvees.wordpress.com

www.verdichtet.at | Kategorie: kunst amoi schau’n | Inventarnummer: 15098

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